Walti Odermatt lässt seinen Emotionen freien Lauf. Der Papa von Marco vergiesst nach der olympischen Riesen-Gala seines Stammhalters Daheim vor dem Fernseher hemmungslos Tränen. «Ich habe zwar vor Marcos Start in den zweiten Durchgang gewusst, dass die Türe für ein Platz auf dem Podest ziemlich weit offen ist. Aber aufgrund des sensationellen Laufs von Zan Kranjec habe ich nicht geglaubt, dass es für die Goldmedaille reicht. Es ist wirklich unglaublich!»
Im Moment dieses überwältigenden Triumphes kommen bei Walti und seinem Bruder Paul auch noch einmal ganz viele spezielle Bilder vom kleinen «Odi» hoch. Paul, der Marcos Götti ist, denkt an einen ganz besonderen Ski-Tag im Winter 2002. «Ich war mit dem damals viereinhalb Jährigen Marco auf der Piste in Lungern-Schönbühl unterwegs», erzählt Paul. «Die JO-Fahrer haben dort Riesenslalom trainiert und natürlich wollte auch Marco durch die Tore kurven. Weil er meiner Meinung nach noch zu klein für diesen Kurs war, habe ich ihn zwischen die Beine genommen. Nachdem wir diesen Lauf mit der nötigen Vorsicht in Angriff genommen haben, hat Marco schnell reklamiert und ständig gerufen: ‹Schneller Götti, bitte viel schneller!›»
Das Geheimnis von «Odis» Körperbeherrschung
Marco hat in seiner Kindheit besonders viel Zeit mit Ski-Freestyler Fabian Bösch verbracht, der in Peking im Big Air und Slopestyle startet. «Weil unsere Eltern ein sehr gutes Verhältnis miteinander haben, sind Marco und ich mehr oder weniger zusammen aufgewachsen», klärt der zweifache Weltmeister und X-Games-Triumphator von 2016 auf.
Beide waren zwölf Jahre alt, als sie auf den Freestyle-Geschmack kamen. «Back- und Frontflip haben wir zusammen gelernt», erzählt «Fäbu». In dieser Zeit meisterten sie zudem in der Turnhalle in Emmetten die spektakulärsten Sprung-Parcours (Video oben). Alex Singenberger, damals Trainer im Nidwaldner Skiverband, erinnert sich: «Fabian und Marco haben sich gegenseitig zu grandiosen koordinativen Leistungen gepusht. Bösch hat die beeindruckenden Tricks kreiert, Odermatt hat sie kopiert.»
Und die Geschicklichkeit, die er sich in diesen Parcours angeeignet hat, ist Marco im Olympia-Riesenslalom nach ungefähr 17 Fahrsekunden besonders zugute gekommen, als er sich nach einem heftigen Ausrutscher auf einer Eisplatte in akrobatischer Manier gerettet hat. «Jeder andere Athlet in diesem Riesenslalom-Feld wäre hier wohl ausgeschieden. Aber Marcos Körperbeherrschung ist eben einzigartig», schwärmt Swiss Ski-Riesenslalom-Cheftrainer Helmut Krug.
Und vielleicht hatte der Weltcup-Spitzenreiter mit 6 Saisonsiegen ja nun auch das nötige Olympia-Glück, weil dieser Riesenslalom am Sonntag, den 13. gestartet wurde. Das die 13 seine Glückszahl ist, hat Odermatt bereits vor den Olympischen Spielen verraten.
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