Zu arm, um Maske zu kaufen
Eislauf-Star Wenger über Corona-Elend in Guatemala

Livio Wenger war in Mittelamerika, als Corona ausbrach. Er sagt: «Du siehst, wie in Guatemala die Leute ums Überleben kämpfen. Und hier ärgert man sich, dass man ein paar Wochen nicht ins Restaurant durfte.»
Publiziert: 15.01.2021 um 09:41 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2021 um 09:42 Uhr
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Livio Wenger verbrachte im Sommer drei Monate in Guatemala im Lockdown.
Foto: freshfocus
Emanuel Gisi

Der Schweizer Eisschnellläufer Livio Wenger (27) sitzt die nächsten fünf Wochen fest. In Heerenveen (Niederlande) hat der Weltverband eine Blase eingerichtet und peitscht die Saison durch: Am Wochenende Europameisterschaft, dann zwei Weltcups, zum Ende noch die WM. Alles am selben Ort. Alles, ohne dass die Athleten die Bubble verlassen dürfen.

Der Luzerner beklagt sich nicht. «Das Hotel ist sehr in Ordnung. Ich bin froh, haben wir überhaupt wieder Wettkämpfe», sagt Wenger. «Das Renngefühl hatte ich jetzt fast ein Jahr nicht mehr.»

Eingesperrt in der Millionenstadt

Kommt dazu, dass er 2020 schon Lockdown-Erfahrung gesammelt hat: Er sass nämlich fast drei Monate in Guatemala fest. Seine Freundin, die Inline-Skaterin Dalia Soberanis (24), WM-Bronzegewinnerin von 2019, stammt aus dem mittelamerikanischen Land.

«Eigentlich wollten wir für zweieinhalb Wochen ihre Familie besuchen», erzählt Wenger. «Aber dann kam Corona.» Und mit Corona kam der Lockdown, die Flüge in die Schweiz fielen aus und Wenger durfte das Haus in der Millionenstadt Guatemala-City nicht mehr verlassen. «Fit bleiben war gar nicht so einfach. Man konnte nicht einfach rausgehen und joggen oder Velofahren. Auf die Inlines konnte ich auch nicht.» Ein improvisierter Heim-Fitnessraum half ein bisschen. Und: «Ich sass dann vier Stunden am Tag drin auf dem Hometrainer, eine ziemliche Herausforderung für den Kopf.»

«Manche sind so arm, die können sich keine Maske leisten»

Dabei hatte es der Schweizer aber noch gut. «Es ist Wahnsinn, welchen Einfluss die Pandemie auf den Alltag der Menschen dort hatte. Manche von ihnen sind so arm, sie konnten sich nicht einmal eine Maske leisten. Die Armut zu sehen und ihre Auswirkungen in dieser Situation, das war schon krass.»

Entsprechend froh sei er gewesen, im Juni wieder in die Schweiz zurückzukommen. Und ab und zu dürfte er den Kopf geschüttelt haben über die Klagen, die hierzulande wegen Covid-19 ertönen. «Du siehst, wie in Guatemala die Leute ums Überleben kämpfen, sich stundenlang vor einer Essensausgabe anstellen. Und hier ärgert man sich, dass man ein paar Wochen nicht ins Restaurant durfte.»

Jetzt steckt Wenger also wieder in der Blase fest. Und hofft, dass er Mitte Februar, wenn er da wieder rauskommt, die eine oder andere Spitzenplatzierung in der Tasche hat. Die erste Chance kommt am Samstag, wenn es gleich mit der EM losgeht.

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