Mit über 90 km/h will die Urnerin Heidi Ulrich (40) übers Wasser brettern. 50 Knoten, wenn man es genau nimmt. Und genau nehmen muss man es im Speedsurfen. Wer so schnell sein will wie die America's-Cup-Yacht von Alinghi Red Bull Racing – und das mit nichts als einem 33 Zentimeter breiten Brett unter den Füssen –, muss jedes Detail im Griff haben.
50 Knoten ist so etwas wie eine magische Zahl im Surfen. Nur sehr wenigen Männern gelang das bisher; Frauen gibt es keine, die diese Speedmarke je knacken konnten. Doch Heidi Ulrich setzte sich schon immer grosse Ziele, und mit den Männern mitfahren kann sie schon lange.
Ulrich ist die schnellste Windsurferin der Welt. Sie gewann vor kurzem wieder die Speed-Weltmeisterschaft in Frankreich, konnte dort auch im Männerfeld mitfahren und erreichte den zwölften Platz. Sie sammelt einen Weltrekord nach dem anderen. Nur eines ist ihr bis jetzt noch nicht geglückt: 50 Knoten schnell zu fahren.
Das lange Warten auf den perfekten Wind
Vor zwei Jahren war sie für sechs Wochen in Namibia, mit dem Ziel, einen neuen Weltrekord zu erreichen. Während fünf dieser sechs Wochen hatten sie keinen Wind. «Ich war kaum mehr ansprechbar», sagt Ulrich, zwar im Scherz, ein Funken Wahrheit steckt jedoch dahinter.
«Man muss mental schon extrem ready sein», sagt die Weltmeisterin. «Als es dann an den letzten zwei Tagen endlich Wind gab, hatte ich schon mehrere Weltrekorde gefahren und diese verbessert, bevor die Männer überhaupt ihren Neopren anhatten.» Doch die 50 Knoten bleiben vorerst ein Traum. Im eigens fürs Speedsurfing ausgeschöpften Kanal in Namibia kam Ulrich im Jahr 2022 auf 49,94 Knoten. Knapp vorbei an ihrem hochgesteckten Ziel.
Angetrieben wird sie, seit sie im Jahr 2013 das Windsurfen erstmals ausprobierte, von einem kaum stillbaren Ehrgeiz. «Ich mag es, dass ich mich ans Limit pushen muss, und es auch mal richtig ‹tschäddere lah› kann.» 50 Knoten, umgerechnet 92,6 km/h, ist ein Tempo, das einem Überlebenskampf gleicht, der einen extremen Tunnelblick erfordern wird. Ulrich fühlt sich bereit für diese letzte Challenge.
Sie trägt 20 kg Blei am Körper, um nicht abzuheben
«Jedes Ziel, das ich mir gesetzt habe, habe ich erreicht. Die 50 Knoten wären jetzt einfach noch das Tüpfelchen auf dem i. Doch solche Rekorde werden auch von den Bedingungen gemacht.» Wenn es keinen Wind hat, der Winkel des Windes zum Kanal nicht stimmt, oder gar Ebbe und Flut nicht so mitspielen, wie sie das sollten, wird aus dem Möglichen schnell das Unmögliche.
Zu den äusseren Gegebenheiten kommt Ulrichs körperliche Verfassung hinzu. Das Gewicht und die Fitness müssen stimmen, denn mehr Masse bedeutet mehr Geschwindigkeit. Um sicherzustellen, dass Ulrich nicht einfach abhebt, trägt sie zusätzliche 20 Kilo Blei auf dem Rücken. Die Urnerin ist fest entschlossen. Wenn Wind und Wetter mitspielen, will sie sich diesen letzten Erfolg nicht nehmen lassen. 50 Knoten. Für mindestens zwei Sekunden. Es wäre eine Machtdemonstration.