Russin verliess Heimat wegen Krieg
Darum spielt Schach-Star Kosteniuk jetzt für die Schweiz

Alexandra Kosteniuk ist eine von unzähligen russischen Athletinnen, die ihrem Staat den Rücken gekehrt haben. Mit der Schweizer Flagge auf der Brust will sie das Spiel hierzulande vorantreiben.
Publiziert: 23.02.2024 um 20:00 Uhr
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Aktualisiert: 23.02.2024 um 20:45 Uhr
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In jüngeren Jahren vermarktete sich die Grossmeisterin als Chess Queen (Schachkönigin) und modelte nebenbei.
Foto: z.V.g.
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Nina KöpferRedaktorin Sport

Genau zwei Jahre ist es her, seit Putins Streitkräfte in die Ukraine einmarschiert sind. Zwei Jahre voller Angst, Verwüstung und Tod für die ukrainische Bevölkerung. Für russische Sportler zwei Jahre voller Ungewissheit. Viele von ihnen haben ihrem Heimatland den Rücken gekehrt und damit ihr Entsetzen gegenüber dem Angriffskrieg demonstriert.

Zu ihnen gehört auch die russische Schachgrossmeisterin Alexandra Kosteniuk (39). Sie tritt seit Herbst für die Schweiz an. Und das, obwohl sie noch nie in der Schweiz lebte. Wer ist der neue Star in der Schach-Nati?

Kosteniuk wuchs in Russland in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihre Familie opferte fast alles, um ihre Karriere voranzutreiben. Mit Erfolg. Als Zwölfjährige gewann sie die WM in ihrer Alterskategorie. Mit zwanzig verdiente sie sich den Titel der Grossmeisterin, der höchsten Auszeichnung im Schach. Vier Jahre später folgte der WM-Titel bei den Frauen. Mit dem russischen Nationalteam gewann sie zehnmal Gold, dreimal bei Schacholympia.

Eine Welt bricht zusammen

Als Putin vor zwei Jahren die Invasion der Ukraine anordnete, brach für die Weltmeisterin eine Welt zusammen. «Es schmerzte so sehr. Ich verstand nicht, was vor sich geht», sagt sie zu Blick. Dass russische Sportlerinnen plötzlich gesperrt wurden, fand sie nicht fair. Millionen von Russen seien wie sie gegen den Krieg, erklärt Kosteniuk. Doch entsprechende Äusserungen seien heikel. Die Situation in Russland sei beängstigend gewesen. Sie wünscht sich, dass jede Person unabhängig von ihrem Pass und unabhängig von den Befehlen des Regimes Entscheidungen treffen darf.

Kurz nach Kriegsausbruch und kurz vor ihrem 20-Jahr-Jubiläum im Nationalteam wechselte sie auf die neutrale Flagge des Internationalen Schachverbands FIDE. Ein Nationenwechsel schien damals noch fern, da dieser im Normalfall 10’000 Euro kostete. Weil sich der russische Verband aber plötzlich zu Asien und nicht mehr Europa zählte, durften Spielerinnen während sechs Monaten kostenlos Verband wechseln. Und weil Kosteniuks Ex-Ehemann ein Schweizer ist, fand ihre Premiere mit der Schweizerflagge auf der Brust früher als erwartet statt. Im November bestritt sie mit der Schach-Nati die EM. Es resultierte ein Top-Ten-Ergebnis. «Ein historischer Erfolg für die Schweizer Frauen», sagt sie stolz.

Die Schweiz und Schach haben viel gemeinsam

Kosteniuk kann sich gut vorstellen, ihren momentanen Wohnsitz Frankreich für die Schweiz einzutauschen, falls sich die Gelegenheit ergibt. Sie möchte das Spiel der Könige hierzulande gerne bekannter machen. Obschon es nicht so wirkt, sei die Schweiz durch und durch ein Schach-Land. «Viele historische Turniere fanden hier statt. Und Schach passt als Sport ideal zur Schweiz.» Was Kosteniuk damit meint? «Klassisches Schach ist ein sehr langsames, konservatives Spiel. Man muss innehalten, sich fokussieren. Diese Eigenschaften werden in der Schweiz geschätzt.»

Und noch etwas imponiert der Schweizer Schachgrossmeisterin: die Schweizer Nationalhymne. «Da wird die Schönheit der Schweizer Alpen gepriesen. Es ist eine friedliche Hymne.» Ganz im Gegensatz zu vielen anderen Hymnen, die oft die gewonnenen Kriege und die eigenen Taten in den Vordergrund stellen, findet Alexandra Kosteniuk. Und ergänzt: «Ein Land wird nicht dadurch grossartig, alles zu erobern. Sondern durch Meinungsfreiheit. Einer Regierung, die Kritik annimmt. Ein guter Lebensstandard. Kultur und Natur, die geschützt wird. All das findet man meiner Meinung nach in der Schweiz.»

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