«Ich laufe wie ein Pinguin»
Schwimm-Held spricht über seinen ersten Marathonlauf

Der Genfer Jérémy Desplanches (30), Olympia-Medaillengewinner im Schwimmen, lief in New York zusammen mit seinem Vater zum ersten Mal einen Marathon. Ein Abenteuer mit schmerzhaften Folgen.
Publiziert: 06.11.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 06.11.2024 um 08:33 Uhr
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Starkes Duo: Jérémy Desplanches und sein Vater überglücklich nach dem sie im Ziel angekommen sind.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Nach Paris trat Jérémy Desplanches vom Schwimmsport zurück
  • Nun lief er in New York seinen ersten Marathon
  • Im Interview berichtet er über seine Erfahrungen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Blick: Jérémy Desplanches, wie fühlt man sich so nach dem ersten Marathon?
Jérémy Desplanches: Meine Waden und Knie sind in keinem guten Zustand. Und die Knöchel sind dreimal so gross wie sonst. Ich laufe wie ein Pinguin. Aber es ist vorbei und geschafft. Ich bin wirklich stolz.

Wie kann man diese Erfahrung beschreiben?
Eigentlich ist es eine sehr lange Anstrengung, zwar schmerzhaft, aber auch sehr inspirierend, weil du siehst, dass viele Menschen einen Marathon nicht nur für sich selber laufen, sondern weil es da eine Sache gibt, die ihnen wichtig ist: ein Mensch, der erkrankt oder gestorben ist beispielsweise.

Was war Ihre Motivation?
Eigentlich war es nur eine Spinnerei aus einer Laune heraus. Eines Tages habe ich meinem Vater, der 60 Jahre alt ist, vorgeschlagen, gemeinsam den Marathon in New York zu laufen. Er war einverstanden.

Wie haben Sie sich vorbereitet?
Ich habe Olivier Baldacchino kontaktiert, den Coach von Tadesse Abraham. Er hat mir ein Programm zusammengestellt. Kaum hatte ich angefangen zu trainieren, habe ich mich am Knie verletzt und musste ziemlich lange aussetzen. Als Schwimmer ist man sich nicht gewohnt, auf festem Boden zu stehen. Die Gelenke reagieren dann sehr sensibel.

Das ist Jérémy Desplanches

Der Genfer Jérémy Desplanches (30) begann erst mit 17 Jahren ernsthaft Wettkämpfe zu bestreiten. Mit 18 zog es ihn nach Südfrankreich, wo er den Grossteil seiner Karriere verbrachte. Seinen ersten internationalen Grosserfolg feierte er im Jahr 2018 mit dem Europameistertitel über 200 Meter Lagen. Im Jahr darauf folgte der Vize-Weltmeistertitel. Die Bronzemedaille an Olympia 2021 war sein sportlicher Höhepunkt. Seit Sommer 2023 ist er mit der französischen Spitzenschwimmerin Charlotte Bonnet verheiratet.

Charlotte Bonnet gratuliert Jérémy Desplanches 2021 zu Olympia-Bronze. Zwei Jahre später haben die beiden geheiratet.
keystone-sda.ch

Der Genfer Jérémy Desplanches (30) begann erst mit 17 Jahren ernsthaft Wettkämpfe zu bestreiten. Mit 18 zog es ihn nach Südfrankreich, wo er den Grossteil seiner Karriere verbrachte. Seinen ersten internationalen Grosserfolg feierte er im Jahr 2018 mit dem Europameistertitel über 200 Meter Lagen. Im Jahr darauf folgte der Vize-Weltmeistertitel. Die Bronzemedaille an Olympia 2021 war sein sportlicher Höhepunkt. Seit Sommer 2023 ist er mit der französischen Spitzenschwimmerin Charlotte Bonnet verheiratet.

Ist das Lauftraining härter als das Schwimmtraining?
Auf keinen Fall. Beim Schwimmen hat es mir richtig wehgetan, jeden Morgen, jeden Nachmittag. Das war ein ganz anderes Niveau. Beim Lauftraining sind wir auch mal spazieren gegangen, wenn wir keine Lust hatten. Beim Schwimmen kann ich jeden Tag ins Wasser gehen und hart trainieren. Beim Laufen ist das nicht möglich. Da die Gelenke nach den Trainings schmerzen, muss ich immer wieder zwei, drei Tage Pause einlegen. 

Wer war schneller, Sie oder Ihr Vater?
Wir haben uns beide erhofft, in weniger als fünf Stunden im Ziel zu sein. Wir sind dann zeitgleich in 4:45,31 über die Linie gelaufen. Ich hätte es alleine auch schneller machen können. Aber ehrlich, die Zeit und der Rang sind völlig nebensächlich. Wir haben es gemeinsam geschafft, das war unser Ziel, haben nie eine Pause gemacht, sind jeden Meter gerannt. Darauf können wir stolz sein.

Welches war der schwierigste Moment?
Im Central Park hatte es so viele Leute, die dich anfeuern, dass du denkst, das Ziel sei gleich da vorne, aber es sind dann immer noch sechs, sieben Kilometer. Und diese waren dann sehr, sehr lang und hart. Die Beine wurden immer schwerer.

Und der schönste?
Der ganze Rest eigentlich. Es war für mich sehr inspirierend, während dem Laufen die Menschen zu beobachten. So viele verschiedene, alle auf demselben Weg. Die einen liefen alleine, die anderen in Gruppen, manche hatten Botschaften auf Schildern dabei. Es gab Blinde, Menschen mit Down-Syndrom oder anderen Handicaps, es gab Schlanke und Übergewichtige. Diese gemeinsame Vielfalt hat mich fasziniert.

Werden Sie es noch einmal tun?
Einen Marathon alleine zu laufen, ist nichts für mich. Vielleicht mit einer Gruppe für einen wohltätigen Zweck. Aber ich denke eher, es bleibt bei dieser einmaligen Erfahrung. Ich muss mir sportlich nichts mehr beweisen.

Fehlt Ihnen das Rampenlicht?
Nein, seit meinem Rücktritt bin ich weitsichtiger geworden, habe erkannt, dass es nicht nur den Spitzensport gibt und sonst nichts. Ich bin viel empfänglicher für karitative Dinge. Ich möchte Gutes tun. Dinge, wie mich für den Kampf gegen Krebs engagieren oder gegen Gewalt in der Familie. Ich weiss noch nicht, wohin dieser Weg führt. Ich gehe im Januar mit meiner Frau Charlotte für sechs Monate auf Reisen. Wir werden uns dabei möglichst von unseren Instinkten leiten lassen, und danach sehen wir weiter.

Was nehmen Sie von dieser Marathonerfahrung mit?
Ich habe viele Läuferinnen und Läufer gesehen, die mit Tränen in den Augen gegen sich selbst gekämpft haben, um dieses Rennen zu beenden. Die einen brauchten vielleicht acht Stunden oder mehr, doch sie haben es gemacht und meinen ganzen Respekt. Wenn du ein Handicap hast, eine Beeinträchtigung, körperliche Nachteile oder Beschwerden, wenn dir etwas schwerfällt und du es trotzdem machst und durchziehst, dann hat das eine ganz andere Dimension, als wenn du unversehrt, fit und durchtrainiert bist.

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