Alinghi-Skipper Arnaud Psarofaghis
Er gibt das Steuer bei 100 km/h an den Kollegen ab

Im America's Cup teilen sich zwei Steuermänner den Job, um die hochgezüchteten Hightech-Boote zu steuern. Doch Arnaud Psarofaghis ist als Skipper dennoch der Boss auf der Super-Yacht von Alinghi Red Bull. Wie der Genfer tickt.
Publiziert: 31.08.2024 um 15:35 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2024 um 08:46 Uhr
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Arnaud Psarofaghis: Der Genfer ist als Skipper und Steuermann der wichtigste Mann auf dem Boot von Alinghi Red Bull Racing.
Foto: STEFAN BOHRER
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Arnaud Psarofaghis (35) ist auf einen Schlag in die Champions League der Segler katapultiert worden. Der Genfer ist Skipper von Alinghi Red Bull Racing. Also der Mann, der auf dem Boot das Sagen hat, die wichtigste Figur an Bord unter der achtköpfigen Crew.

Psarofaghis ist auch der Mann, der trotz der ernüchternden Ergebnisse in den letzten Tagen noch immer sagt: «Wir gewinnen den Cup. Natürlich gibt es noch Details zu verbessern. Aber wir machen alles dafür, ihn in die Schweiz zurückzubringen!» Im America’s Cup sind eben nicht nur die Budgets (über 100 Mio. Franken) und die Geschwindigkeiten (rund 100 km/h) enorm, auch die Träume. 

Psarofaghis ist als Skipper auch Steuermann – aber nicht alleine. Bei der Konstruktion der fliegenden Yachten namens AC75 hat sich durchgesetzt, dass sich zwei Männer den wichtigsten Job an Bord teilen. Wegen der immer wichtigeren Aerodynamik haben die Segler fixe Cockpits und können nicht mehr auf dem Deck die Seite wechseln wie früher, der Blick auf die andere Seite wird von den Segeln versperrt. 

Die Super-Yachten benötigen zwei Steuermänner

Psarofaghis sagt im Blick-Interview über seinen Co-Steuermann Maxime Bachelin (26): «Je nach Richtung des Boots wechseln wir uns ab, wer steuert.» Der Funk läuft heiss. «Wir müssen viel reden. Über den Wind, über die Performance, über das Trimmen, was der Gegner macht. Wer gerade nicht steuert, wird zu den Augen für den anderen.»

Mit zwei Steuermännern segeln – das gibts nur im America’s Cup mit den hochgezüchteten Hightech-Booten. «Als die Italiener 2021 dieses Konzept erfanden, dachte ich: Das ist sehr seltsam», schildert Psarofaghis. 

Weniger gewöhnungsbedürftig waren für den Alinghi-Skipper die fliegenden Boote. Er hatte mit Yachten auf Foils (Trageflächen, die das Boot aus dem Wasser heben) schon vor dem America’s Cup einige Erfahrungen gesammelt. Fliegend übers Wasser? Psarofaghis sagt, wie sich das anfühlt. «Wenn du abhebst, wirds ganz ruhig, denn der ganze Wellenschlag am Rumpf fällt weg.» Nur noch die Foils berühren das Wasser, deshalb reagieren die Yachten enorm heikel auf kleinste Steuerbewegungen.

Diese Hightech-Schiffe können deshalb nur die absoluten Profis beherrschen. Im America’s Cup besteht Psarofaghis’ Konkurrenz aus der absoluten Crème de la Crème der Super-Skipper. Da ist etwa Grossbritanniens Ben Ainslie (47), der mit vier Olympia-Goldmedaillen und sieben WM-Titeln als erfolgreichster Segler der Welt gilt und sich deshalb «Sir» nennen darf. Auch Neuseelands Peter Burling (33) ist Olympiasieger, Weltmeister und gewann die beiden letzten Austragungen des America’s Cup.

Die Nationenregel brachte Psarofaghis den Skipper-Job

Es ist eine gewaltige Aufgabe für Psarofaghis, bei der Rückkehr von Alinghi zur prestigeträchtigsten Segelregatta als Skipper das fliegende Segelmonster BoatOne vor Barcelona zu steuern. 

«Ich segle schon seit 2016 für Alinghi (in anderen Kategorien, d. Red.). Als dann erstmals davon geredet wurde, dass es eine Rückkehr zum America’s Cup gibt, konnte ich es kaum glauben», sagt Psarofaghis beim Termin diese Woche vor dem Round-Robin-Auftakt. Dann machte Alinghi-Boss Ernesto Bertarelli den Genfer zum wichtigsten Mann auf dem Wasser. 

Dazu muss man wissen: Im Gegensatz zu früher existiert eine Nationenregel, die ganze Boots-Crew muss aus dem Land des Teams stammen. Für die legendären Alinghi-Siege 2003 und 2007 hatte Bertarelli die Top-Neuseeländer Russell Coutts und Brad Butterworth engagiert. Diesmal segeln gezwungenermassen lauter Schweizer. Bertarelli sagt es mit Pathos: «Die Kinder, die vor 20 Jahren in der Nacht aufstanden, weil wir in Neuseeland segelten, sind jetzt auf BoatOne.» 

Sein Sohn wächst in Barcelona auf

Einer davon ist Psarofaghis. Er wächst in Corsier GE ein paar Meter neben dem Genferseeufer auf, sein Onkel ist Bootsbauer, sein Vater leidenschaftlicher Segler. Klein Arnaud sitzt schon als Kleinkind in Nussschalen. Als Alinghi 2003 in Neuseeland sensationell den America’s Cup gewinnt, ist er 14 Jahre alt. Und Feuer und Flamme. «Als sie mit dem Cup nach Genf kamen, herrschte eine unglaubliche Atmosphäre. Es gab ja noch keine Social Media, man hat weniger mitgekriegt als heute. Die ganze grosse Segelwelt schien weit weg von der Schweiz zu sein. Doch plötzlich waren wir mittendrin», erinnert sich Psarofaghis. 

Aus dem Teenager wurde zuerst ein Segel-Designer und dann ein Profisegler – der jetzt um die älteste Sport-Trophäe der Welt segelt. Psarofaghis lebt in Barcelona mit seiner ganzen Familie den grossen America’s-Cup-Traum. Weil seine Lebenspartnerin Coraline Jonet (42) als Projektleiterin des Youth- und Frauenteams von Alinghi Red Bull ebenfalls in Barcelona arbeitet, wächst auch der zweijährige Sohn in Spanien auf. Der Kleine nahm bereits mal im BoatOne Platz, allerdings nur im Hafen. «Er ist noch sehr jung. Aber ich freue mich schon sehr darauf, ihn erstmals richtig zum Segeln mitzunehmen.»

Psarofaghis versichert, dass er auch gerne mal gemütlich auf dem Genfersee herumdümpelt. Doch seine Augen sagen etwas anderes – der gemütliche Segeltörn zum Plausch muss warten, jetzt gehts um die Krone des Segelsports. Mit dem Genfer mittendrin. 

Marco Odermatt wagt sich in neue Gewässer
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