Sie steht im Olympia-Final, im WM-Final, läuft Rekord um Rekord und vor allem ist sie schnell wie der Wind. Wenn es um Mujinga Kambundji (30) geht, werden sehr bald einmal die Superlative knapp. Die schnellste Frau der Schweiz eilt auf der grossen Bühne von Sternstunde zu Sternstunde.
Jüngstes Beispiel: WM in Eugene (USA), Nacht auf Montag, 100 m der Frauen. Zuerst muss Kambundji zwar um den Finaleinzug zittern. Nicht, weil sie schlecht gelaufen wäre. Sondern weil das Feld im Frauen-Sprint derzeit unfassbar schnell ist! In 10,96 Sekunden zieht sie in die Entscheidung um die WM-Medaillen ein, gerade noch so, als letzte der Finalistinnen. Zum Vergleich: Vergangenen Sommer in Tokio legte sie dieselbe Halbfinal-Zeit auf die Bahn, damals reichte das relativ locker. Doch die Frauen werden immer schneller und schneller. Das gilt auch für Kambundji, die im Eugene-Final noch eine Schippe drauf legt: 10,91 Sekunden, zweitschnellste Zeit ihrer Karriere. Platz 5. Historisch. Mal wieder.
Die Jamaikanerinnen sind kaum zu knacken
Kambundjis einziges Pech: Im Sprint der Frauen ist das Niveau derzeit so hoch, dass für eine WM-Medaille extrem viel zusammenpassen müsste. Die Bernerin mag derzeit in der Form ihres Lebens sein. Aber wie sie vor der WM im Blick-Interview erklärte: «Wenn die alle 10,50 laufen, kann ich auch nichts machen.» Das tun die Jamaikanerinnen Shelly-Ann Fraser-Pryce (10,67), Shericka Jackson (10,73) und Elaine Thompson-Herah (10,81) zwar nicht ganz, trotzdem scheinen vor allem die ersten beiden derzeit unschlagbar. Betrachtet man die Leistungsdichte, ist Platz 5 an einer WM wie dieser mehr Wert als eine Goldmedaille in manch einer Sportart.
Aber was kann sie noch rausholen? Was sicher geht: Noch schneller rennen. Das betonte sie schon letzten Sommer immer und immer wieder, als sie an der 10,90er-Marke kratzte. Und auch jetzt ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. «Ich bin noch nicht top, top, top gelaufen», sagte sie vor der WM. «Ich spüre, dass ich sicher noch einmal schneller sein kann als in Zürich.»
Der Rückenwind fehlt noch
Das ist ihr in Eugene noch nicht gelungen. In Zürich lief sie an den Schweizer Meisterschaften Ende Juni in 10,89 Sekunden Schweizer Rekord. Was auffällt: Bei ihren Einsätzen hatte sie in dieser Saison nie das Glück, richtig starken Rückenwind (bis zu 2,0 m/s sind erlaubt) zu erwischen.
Wäre das in Zürich oder in den letzten Tagen in Eugene der Fall gewesen, sie hätte jetzt schon an der nächsten magischen Marke gekratzt. Sowohl die gängigen Sprint-Faustregeln als auch die Formel, die Amsterdamer Forscher vor ein paar Jahren ausklügelten, verraten: die 10,80 Sekunden sind bei einem Windstoss im richtigen Moment jetzt schon realistisch. Und nachdem aus ihrem Umfeld zu vernehmen ist, dass sie im Training so spritzig wie noch nie ist, ist auch eine tiefere 10,70er-Zeit realistisch.
Doch wann bringt sie die gefühlte Form auf die Bahn? Vielleicht ist es ja schon bald so weit: In der Nacht auf Dienstag starten die 200-m-Vorläufe (Final in der Nacht auf Freitag). Da stehen ihre Chancen noch besser.