Was war das für eine Machtdemonstration, die Karsten Warholm (27) bei den Sommerspielen in Tokio auf die Bahn legte. Der Norweger fetzte im Covid-leeren Stadion brachial über die Hindernisse, jeder Schritt strahlte Wucht, Kraft und Zielstrebigkeit aus. Im Ziel flackerten 45,94 Sekunden auf – als erstem Mensch überhaupt war ihm eine Zeit unter 46 Sekunden gelungen. Der Weltrekord über 400 m Hürden war pulverisiert! Der unbändige Wille zeigte sich auch im Jubel: Wie Comic-Held Hulk riss sich Warholm das Shirt über der Brust entzwei.
Spätestens da war jedem klar, dass im Land der Fjorde, das vielleicht Mittel- und Langstreckenläufer und Kraftsportler hervorzubringen pflegte, aber sicher keine Sprinter, gerade Aussergewöhnliches passierte.
Das ganze Jahr bleibt es intensiv
Aber was steckt hinter Warholms Erfolg? Dem Fachportal Letsrun.com gab er kürzlich Einblicke in seinen Trainingsalltag. Die kurze Zusammenfassung: Von nichts kommt nichts. Warholm trainiert brutal hart. Zusammen mit seinem Coach Leif Olav Alnes (Warholm: «Trainer werden in diesem Sport extrem unterschätzt.») führt er praktisch rund ums Jahr hochintensive Trainings durch.
Dreimal die Woche hat er sogenannte «rote» Tage, das sind die Harten. Da wird von 10 Uhr morgens bis 19 Uhr abends geschuftet, zum Beispiel geht es am Morgen mit 20 oder 30 60-m-Sprintserien los, was mit Pausen zwischen den Läufen locker Stunden dauern kann. Darauf folgt ein Hürdentraining, dann noch Krafteinheiten. Letztere gaben zuletzt zu reden, als in den sozialen Medien Bilder von Warholms Trainingsmethoden auftauchten und sich der eine oder andere selbst ernannte Experte bemüssigt sah, sich darüber lustig zu machen. Coach Alnes ists egal: «Die Leute verstehen nicht, dass wir keine Gewichtheber sind, wir wollen im Sprint konkurrenzfähig sein.»
Warme Säcke helfen, warm zu bleiben
Um mit den tiefen Temperaturen in Norwegen klarzukommen, trainiert Warholm hauptsächlich drin. Auch da sind besondere Massnahmen gefragt: Längere Pausen zwischen Serien verbringt er in einem extrem geheizten Raum, da kommen auch Infrarot-Wärmelampen zum Einsatz, während er auf Säcken sitzt, die mit warmem Wasser gefüllt sind. All das soll helfen, die Muskeln warmzuhalten.
Sogar die Erholungstage haben es in sich: Da verbringt Warholm viel Zeit im Whirlpool. Der steht im Garten seines Coaches. Dessen Frau fiel irgendwann auf, dass der Sprinter tatsächlich unglaublich viel im Wasser verbrachte. So begann sie, die Dauer der Whirlpool-Sessions zu messen. Warholms Rekord: 3 Stunden und 47 Minuten.
Auch da scheint der Norweger also neue Massstäbe zu setzen. Am Mittwochabend will er das wieder tun. Schliesslich hat er an der WM noch eine Rechnung offen: Letztes Jahr musste er sich in Eugene (USA) angeschlagen als Weltmeister entthronen lassen. Seine Rivalen Rai Benjamin (USA) und Alison dos Santos (Bra) sollten sich also warm anziehen.