Die Leichtathletik-Welt trauert um Kelvin Kiptum (†24). Der Weltrekordhalter im Marathon ist am Sonntagabend bei einem Autounfall in seiner Heimat Kenia ums Leben gekommen.
«Bei ihm ist alles immer sehr schnell gegangen», sagt die Schweizer Marathon-Legende Viktor Röthlin (49) zu Blick. «Es scheint, als hatte er keine Zeit im Leben.»
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Kiptum taucht 2019 aus dem Nichts auf der internationalen Bühne auf. Mit seinen Halbmarathon-Zeiten von unter einer Stunde verblüfft er die Experten. Und dies als Autodidakt ohne richtigen Trainer.
Auf der Marathonstrecke geht der Aufstieg noch rasanter: Bei seiner Premiere 2022 in Valencia läuft Kiptum die viertschnellste Zeit der Geschichte. Schon bei seinem dritten Start über die legendären 42,195 km stellt er am 8. Oktober 2023 in 2:00:35 Stunden in Chicago einen neuen Weltrekord auf. Die alte Bestmarke von Landsmann und Idol Eliud Kipchoge verbessert er um 34 Sekunden.
Kenia im Doping-Sumpf
«Seine Leistungen haben in der Szene für Stirnrunzeln gesorgt», sagt Röthlin. Die Vorbehalte: Kiptum ist weit jünger und unerfahrener als die bisherigen Wunderläufer Kipchoge (39) und Kenenisa Bekele (41). In der Klientenliste seines belgischen Agenten Marc Corstjens sind zahlreiche überführte Betrüger zu finden. Kiptum selbst wurde nie etwas nachgewiesen. Aber Kenias Langstreckenläufer stecken seit Jahren tief im Doping-Sumpf. Auf der Beobachtungsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur steht das Land ganz oben. «Als Läufer hasst man solche Zweifel. Aber in diesem Fall muss man sie einfach ansprechen», sagt Röthlin.
Ob gedopt oder nicht: Röthlin hätte Kiptum die magische Zwei-Stunden-Marke zweifelsohne zugetraut. Nicht zuletzt wegen der neuen Carbonlaufschuhe, die in den letzten Jahren die Bestzeiten purzeln liessen. «Damit kann man einen Marathon um die drei Minuten schneller laufen», schätzt Röthlin.
Den Beweis kann Kiptum nach seinem Tod nicht mehr antreten. So tragisch der Unfalltod ist, so wenig ist Röthlin auf gewisse Weise überrascht. Er kennt die Unglücksstrasse rund um das kenianische Läufer-Mekka Eldoret von zahlreichen Trainingslagern. «Ich habe jedes Mal Blut geschwitzt. Es gab kaum eine Fahrt, bei der ich keinen Unfall sah. Einige fahren dort wie Idioten.»