Der Pessimist sagt: So viele so schnelle Frauen gab es im Sprint noch nie. Wie zum Teufel soll mit Mujinga Kambundji (30) ausgerechnet eine Schweizerin über 200 m zu WM-Bronze laufen?
Der Optimist sagt: Vor drei Jahren gab es in Doha schon einmal Platz 3 für die schnellste Frau der Schweiz. Klar, da war das Feld nicht so stark wie jetzt. Aber Kambundji hat ihre Chance gepackt. Warum nicht auch diesmal?
Die Fakten: Das Feld ist schnell, Kambundji auch. Mit 22,05 Sekunden stellte sie im Halbfinal einen neuen Schweizer Rekord auf. Die Bernerin ist in diesen Wochen so rasant unterwegs wie noch nie. «Ich bin in der Form meines Lebens», sagte sie vor der WM in Eugene (USA) zu Blick.
Was für Kambundji spricht
Doch – und das spricht für die Schweizerin – der Weltmeisterschafts-Exploit fehlt auch nach fünf Läufen und Platz 5 im 100 m-Final noch. Mit 10,91 blieb sie über 100 m zwei Hundertstel über ihrem eigenen Schweizer Rekord.
Und auch wenn sie in Eugene ihren 200 m-Landesrekord um mehr als eine Zehntelsekunde verbessert hat, ist das noch gar keine eklatante Steigerung: Mit exakt zwei Metern Rückenwind pro Sekunde erwischte sie perfekte Bedingungen, die Zeit ist darum gar nicht so weit von ihrem vorherigen Bestwert von 22,18 weg.
Die Hallenweltmeisterin von Belgrad weiss, dass es noch schneller geht und dass es auch noch schneller gehen muss, wenn es mit dem Medaillencoup klappen soll. «Ich dachte, ich muss unter 22 Sekunden laufen», sagte sie über die geschaffte Final-Quali bei SRF. «Aber ich freue mich extrem. Es hat sich so viel besser angefühlt als noch im Vorlauf.»
Die Frage nach der Konkurrenz
Stellt sich die Frage nach der Konkurrenz. Der ist sie dicht auf den Fersen. Auf die Amerikanerin Tamara Clark auf Platz 3 fehlte ihr als Siebtschnellste der Halbfinals bloss ein Zehntel. Geht man davon aus, dass die Top-Form sich noch einmal in einem Leistungssprung bemerkbar macht und Kambundji nicht wie im Halbfinal nach der Kurve auf die Nebenbahn gerät, müsste da noch einmal etwas rauszuholen sein. «Es ist okay, ich darf es noch einmal machen», so Kambundji lachend nach ihrem Halbfinal. Eine Finalzeit klar unter 22 Sekunden ist möglich und damit auch eine Medaille – es wäre der ultimative Exploit.
Doch Obacht: Auch die Gegnerinnen werden noch einmal aufdrehen. Die Plätze 1 und 2 dürften bereits an die Jamaikanerinnen Sherricka Jackson und Shelly-Ann Fraser-Pryce vergeben sein.
Um Platz 3 balgen sich Elaine Thompson-Herah (Jam), Clark, Dina Asher-Smith (Gb), Kambundji und eine grosse Unbekannte: Aminatou Seyni (25). Die intersexuelle Athletin war ursprünglich auf 400 m spezialisiert, darf dort aber wegen ihres zu hohen Testosteronwerts nicht antreten. Mittlerweile ist sie auch über 200 m Weltspitze – und könnte den grossen Namen die Show stehlen.
Seit Caster Semenya (31) vor über einem Jahrzehnt zum 800-m-Star wurde, müssen intersexuelle Läuferinnen ihren Testosteronwert unter 5 Nanomol/Liter halten, um an Wettkämpfen zwischen 400 m und einer Meile starten zu dürfen – oder sie müssen ausweichen.
Die Folge dieser Regelung zeigt sich in Eugene. Mit Aminatou Seyni (25) aus Niger stürmt eine Athletin mit männlichen und weiblichen Körpermerkmalen in den WM-Final über 200 m. Gut möglich, dass sie in der Nacht auf Freitag den Sprung aufs Treppchen schafft. Das gelang einer anderen hyperandrogenen Sprinterin bereits: Vor einem Jahr holte in Tokio die Namibierin Chrstine Mboma (18) Olympia-Silber über 200 m. Beide waren ursprünglich 400-m-Läuferinnen – aber da dürfen sie nicht antreten, über 200 m schon.
Es ist offensichtlich: Da kommt die nächste hitzige Debatte auf die Leichtathletik zu. Es scheint sich zu rächen, dass der Weltverband die Testosteron-Grenzwerte nur zwischen 400 m und einer Meile etablierte – um sich des Semenya-Problems zu entledigen, wie böse Zungen unken.
Nun werden die Leichtathleten die Frage, wie mit intersexuellen Sportlern umgegangen werden soll, bald grundlegend klären müssen. Geht es nach Leichtathletik-Boss Sebastian Coe, dürften intersexuelle Sprinterinnen bald Geschichte sein. «Meine Aufgabe ist es, die Integrität des Frauensports zu schützen», sagte er im Juni. «Und ich habe immer klar gesagt: Wenn wir jemals in eine Ecke gedrängt werden, in der wir ein Urteil über Fairness oder Inklusion fällen müssen, werde ich mich immer auf die Seite der Fairness schlagen.»
Seit Caster Semenya (31) vor über einem Jahrzehnt zum 800-m-Star wurde, müssen intersexuelle Läuferinnen ihren Testosteronwert unter 5 Nanomol/Liter halten, um an Wettkämpfen zwischen 400 m und einer Meile starten zu dürfen – oder sie müssen ausweichen.
Die Folge dieser Regelung zeigt sich in Eugene. Mit Aminatou Seyni (25) aus Niger stürmt eine Athletin mit männlichen und weiblichen Körpermerkmalen in den WM-Final über 200 m. Gut möglich, dass sie in der Nacht auf Freitag den Sprung aufs Treppchen schafft. Das gelang einer anderen hyperandrogenen Sprinterin bereits: Vor einem Jahr holte in Tokio die Namibierin Chrstine Mboma (18) Olympia-Silber über 200 m. Beide waren ursprünglich 400-m-Läuferinnen – aber da dürfen sie nicht antreten, über 200 m schon.
Es ist offensichtlich: Da kommt die nächste hitzige Debatte auf die Leichtathletik zu. Es scheint sich zu rächen, dass der Weltverband die Testosteron-Grenzwerte nur zwischen 400 m und einer Meile etablierte – um sich des Semenya-Problems zu entledigen, wie böse Zungen unken.
Nun werden die Leichtathleten die Frage, wie mit intersexuellen Sportlern umgegangen werden soll, bald grundlegend klären müssen. Geht es nach Leichtathletik-Boss Sebastian Coe, dürften intersexuelle Sprinterinnen bald Geschichte sein. «Meine Aufgabe ist es, die Integrität des Frauensports zu schützen», sagte er im Juni. «Und ich habe immer klar gesagt: Wenn wir jemals in eine Ecke gedrängt werden, in der wir ein Urteil über Fairness oder Inklusion fällen müssen, werde ich mich immer auf die Seite der Fairness schlagen.»