Mit dem Citius-Meeting in Bern beginnt am Samstag (TC Zoom ab 19 Uhr live) für die Schweizer Leichtathletik-Asse die entscheidende Phase ihrer Vorbereitung für die Welt-Titelkämpfe in Katar (28. September bis 6. Oktober). Erst vier Männer, fünf Frauen und die weibliche 4x400-m-Staffel haben die WM-Limiten bis heute geschafft. Eine Handvoll Athleten mit Erfahrung bei internationalen Grossanlässen wie EM, WM oder Olympia – darunter sogar Medaillen-Gewinner – rennt dem Doha-Ticket noch immer krampfhaft hinterher.
Alex Wilsons Knie
Mit 10,08 Sekunden über 100 m und seinem 19,98er-Sensations-200er war EM-Bronze-Sprinter Alex Wilson in der ersten Saisonhälfte wenigstens einer, der für Highlights gesorgt hat. Am Donnerstag schockt jetzt aber auch der Basler mit einer Hiobs-Botschaft: Eine Knieverletzung zwingt den schnellsten Mann der Schweiz zur Wettkampf- und Trainingspause. Nichts mit den Starts in Bern oder in einer Woche bei der Team-EM im polnischen Bydgoszcz.
Wilsons Zwangspause bedeutet wohl auch das Ende des WM-Traums einer Männer 4x100-m-Staffel. Ohne den Basler sind die Schweizer chancenlos.
Fabienne Schlumpf hat sich verrannt
Bereits vor einer Woche hat Fabienne Schlumpf «den Bettel» für diese WM-Saison hingeworfen. Eine Stressreaktion im Fuss – also ein Ermüdungsbruch, oder zumindest die Vorstufe.
Angefangen haben die Probleme der 2018 in Berlin mit EM-Silber über 3000 m Steeple so erfolgreichen Zürcher Oberländerin Anfang Jahr. Weshalb Schlumpf ausgerechnet vor der WM-Saison ein Marathon-Experiment riskieren wollte, wissen wohl nur sie selbst und ihr Trainer und Lebenspartner Michi Rüegg. Schlumpfs Laufstil – sie ist eine Vorfuss-Läuferin – ist für die 42,195 km schlecht geeignet. Die Premiere beim Rotterdam-Marathon ist wegen Blasen am Fuss schon im April geplatzt. Das frühzeitige Saisonende nimmt Fabienne jetzt auch die Chance, sich im Hinblick auf Olympia 2020 in Tokio der Steeple-Weltspitze weiter zu nähern.
Hussein und Sprunger sind verunsichert
Kariem Hussein, 2014 Europameister über 400 m Hürden, und Lea Sprunger, 2018 EM-Gold-Gewinnerin in der gleichen Disziplin, rätseln, weshalb sie bei den bisherigen Starts ihre Trainingsleistungen nicht mit entsprechenden Wettkampf-Ergebnissen unterstreichen konnten.
Das Langhürden-Duo tut sich schwer, weil ihr gewohntes Trainingsumfeld im Frühjahr komplett auf den Kopf gestellt wurde. Nach dem Abgang ihres Coachs Laurent Meuwly zum holländischen Verband müssen Hussein und Sprunger häufig allein trainieren. Dieses Novum hinterlässt selbst bei den Routiniers Spuren. Mit Meuwlys Abgang tut sich auch 200-m-Spezialistin Sarah Atcho schwer. Auch die Genferin kam noch nicht auf Touren.
Selina Büchel zweifelt an ihrem Weg
«Ich habe auf diese Saison hin einiges geändert», sagte 800-m-Läuferin Selina Büchel Anfang Juli vor Athletissima in Lausanne. Mit Louis Heyer ein neuer Trainer, mehr Trainingslager – erstmals auch in der Höhe. «Qualität steht vor Quantität. Ich trainiere oft mit gleich starken Konkurrentinnen aus dem Ausland. Aber ich weiss nicht mehr, ob das für mich der richtige Weg ist.»
Die zweifache Hallen-Europameisterin zweifelt, kann sich nicht erklären, weshalb sie, die 2015 mit 1:57,95 Minuten in die Weltspitze lief, in den letzten Wochen nicht einmal mehr unter 2:01 Minuten kommt. Nicht zu wissen, weshalb es plötzlich nicht mehr läuft, ist die schwierigste Situation, die einem Athleten wiederfahren kann. Dann weiss man nämlich auch nicht, was man im Training ändern soll.
Noch bleiben acht Wochen
Nun, abgefahren ist der WM-Zug für diese «Sorgenkinder» noch nicht. Aber Hussein, Sprunger oder Büchel wollen Ende September in Doha ja nicht bloss dabei sein, sie wollen glänzen. Das erwarten auch ihre Fans.
Beginnt am Samstag in Bern der Weg zur Besserung? Mit Weltklasse Zürich am 29. August oder zuvor bei den Schweizermeisterschaften in Basel (23./24. August) haben sie weitere Last-Minute-Gelegenheiten, zu zeigen, dass sie wieder die Alten sind.