Seit sie sich in den Handball verliebt hat, lebt im Kopf von Kerstin Kündig dieser eine Traum: einmal für den dänischen Spitzenklub Viborg HK zu spielen. «Für mich ist Viborg das, was Real oder Juve für einen jungen Fussballfan ist», sagt Kündig.
Genau diesen Traum lebt die 29-Jährige seit diesem Sommer. Nach zwei Saisons beim Bundesligisten Thüringer HC ist Viborg ihre zweite Station im Ausland. «Als Neuzugang muss ich mich hier besonders beweisen», erklärt Kündig. Viborg ist zwar nicht mehr ganz der Klub, der er zur grossen Zeit der Champions-League-Siege zwischen 2006 und 2010 war. Trotzdem hat vor Kündig noch nie eine Schweizer Handballerin für einen Verein auf diesem Niveau gespielt.
Ihre Rolle im Team ist noch kaum definiert. In den ersten fünf Ligaspielen wechselten Kündigs Einsätze von 50 Minuten über nur Angriff bis zu nur Verteidigung. Die Spielmacherin sagt, der Handball in Dänemark sei dynamischer als in Deutschland, dafür weniger von Kraft geprägt. «Und die dänischen Spielerinnen sind technisch top ausgebildet, weil sie schon in jungen Jahren beste Trainingsbedingungen haben.»
Nach leichten Startschwierigkeiten aufgrund der Sprachbarriere fühlt sich Kündig in Dänemark inzwischen richtig wohl. Neben dem Selbststudium nimmt sie Dänisch-Unterricht, doziert einen Onlinekurs an der ETH Zürich und studiert nach ihrem Master in Medizinaltechnik noch Wirtschaft. «Ich spiele besser, wenn ich neben dem Handball meinen Kopf beschäftige», sagt Kündig. In Dänemark kann sie von ihrem Profivertrag zwar gut leben, die Absicherung für die Zeit danach ist aber ihre Ausbildung.
Mit der Nati vor der EM
Letzte Woche bekam Kündig in ihrer neuen Heimat Besuch von ihren Nati-Kolleginnen. Als Vorbereitung auf die in einem Monat beginnende EM testete die Schweiz an einem Vierländerturnier gegen Norwegen, Holland und Dänemark. Gegen die drei Top-Nationen resultierten drei deutliche Niederlagen. Kündig nimmt das Positive mit: «Wir waren den Däninnen eine Halbzeit lang ebenbürtig. Das war vor einigen Jahren noch unvorstellbar. Und was gegen solche Gegner funktioniert, funktioniert auch an der EM.»
Dort trifft die Nati ab dem 4. November in Ljubljana wieder auf Welt- und Europameister Norwegen sowie die leicht schwächer eingestuften Teams aus Ungarn und Kroatien. Die Schweizerinnen wollen an ihrer EM-Premiere Erfahrungen sammeln. Vor allem, weil 2024 mit der Heim-EM ein Ziel bevorsteht, dem auch Kerstin Kündig vieles unterordnet: «Wenn der Körper mitmacht, will ich mindestens bis dann noch als Profi spielen.»