«Eigentlich bin ich ein Spinner»
Ein Schweizer trainiert Simbabwes Handball-Nati

Von der Korruption über die Armut bis zur Lebensfreude: Der Schweizer Rolf Haussener (54) hat als Nationaltrainer Simbabwes alle Seiten Afrikas kennengelernt.
Publiziert: 19.11.2020 um 14:43 Uhr
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Aktualisiert: 17.12.2020 um 09:37 Uhr
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Ein Schweizer in Simbabwe: Rolf Haussener posiert mit seinem Team.
Foto: ROLF HAUSSENER
Christian Müller

«Eigentlich bin ich ein Spinner», sagt Rolf Haussener über sich selbst und fügt an: «Zum Glück habe ich eine sehr verständnisvolle Frau.» Alltäglich ist es sicherlich nicht, wie Haussener zweimal jährlich 4000 Franken in die Hand zu nehmen, nach Simbabwe zu reisen und dort als Coach die Trainingslager der Handball-Nationalmannschaft zu leiten.

Doch wie kommt ein ehemaliger Schweizer Nati-Handballer und heutiger Oberstufenlehrer zu so einem Abenteuer? 2004 führt ihn eine persönliche Lebenskrise erstmals als Tourist nach Afrika. Seither ist er verliebt in den Kontinent, bereist ihn mindestens einmal pro Jahr.

Der korrupte Funktionär

Auf einer dieser Reisen lernt Haussener auf dem Karibasee in Simbabwe den Generalsekretär des nationalen Handballverbands kennen. Zurück in der Schweizer schickt er zusammen mit alten Handball-Kollegen Trainingsmaterial nach Simbabwe. Nur landen die Bälle und Leibchen nicht bei den Spielern, sondern im Sportgeschäft des Generalsekretärs. «Der Mann war sowas von korrupt», erinnert sich Haussener. Als er sich beschwert, hetzt ihm der Generalsekretär fünf Schränke von Zivil-Polizisten auf den Hals. «Das ist typisch für einen Polizeistaat wie Simbabwe. In Afrika musst du lernen, den richtigen Mix aus Unterwürfigkeit und Gegenwehr zu finden», sagt der 54-Jährige.

Just als Haussener die Schnauze voll hat, wird der korrupte Funktionär abgesetzt. Dessen Nachfolger nimmt den Kontakt in die Schweiz wieder auf und so entsteht das Projekt «Vision 2024». Es soll ein neues Nationalteam geformt werden, um 2024 an den Afrika-Spielen teilzunehmen – mit dem Schweizer als Trainer. Bis anhin bestand die Nati nämlich nicht aus den besten Spielern des Landes, sondern aus jenen, die die Reisen bezahlen konnten.

Haussener wird oft nach dem spielerischen Niveau in Simbabwe gefragt. «Mit normalen Trainingsbedingungen würden es die Besten bei uns in die Nati B schaffen», antwortet er dann. Nur: Unter normalen Bedingungen trainieren ist in einem der ärmsten Länder des südlichen Afrikas, das über eine einzige Handball-Halle verfügt, unmöglich. 30 Jahre litt die Bevölkerung unter Diktator Robert Mugabe. Viele leben sprichwörtlich von der Hand in den Mund. «Andere Länder der Region wie Sambia oder Malawi blicken von oben herab auf Simbabwe», erklärt Haussener.

Spieler verschwinden

Seine Aufgaben haben oft nur indirekt etwas mit Handball zu tun. «In meinem ersten Trainingslager kam der Captain zu mir und sagte, sie hätten seit zwei Tagen nichts gegessen und getrunken. Ich musste dann eine Köchin organisieren, die für 250 Dollar pro Woche für meine Spieler gesorgt hat.» Oft komme es auch vor, dass Nationalspieler gar nicht erst erscheinen. «Die haben sich dann entweder nach Südafrika abgesetzt oder werden zugedröhnt in der Gosse gefunden.» 2020 hätte mit der IHF Trophy erstmals ein internationales Turnier in Simbabwe stattfinden sollen. Es fiel dem Coronavirus zum Opfer.

Aller Widrigkeiten zum Trotz – Haussener brennt für sein Projekt: «Dieser Elan der Spieler, ihre Freude am Sport, das «fägt» einfach.» Mit dem Schweizer Botschafter Niculin Jäger hat er einen Verbündeten gefunden, der ihm auch finanziell unter die Arme greift. Dank seiner Unterstützung werden die Spieler an den Zusammenzügen in einem Internat untergebracht und müssen nicht mehr auf dem Schulhaus-Boden schlafen.

Wann Haussener das nächste Mal nach Simbabwe fliegt, weiss er aufgrund der Reisebeschränkungen nicht. In der Zwischenzeit werden seine Spieler durch Facebook-Videos und zwei Assistenztrainer vor Ort mit Übungen versorgt. Alles, damit die «Vision 2024» zur Realität wird.

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