Die lange Reise der Frauen-Nati an der EM ist vorbei – mit 24:40 gegen Weltklasseteam Norwegen geht auch das vierte Hauptrundenspiel der Schweiz verloren, die Halbfinals finden wie erwartet ohne die Nati statt. Das Turnier mit der Gruppenphase in Basel und den Spielen in Wien ist dennoch denkwürdig, denn alleine die Quali für Wien war ein historischer Erfolg. Blick zieht die grosse Bilanz aus Schweizer Sicht.
Die Marathon-Frau der EM
Wäre Mia Emmenegger (19) nicht bereits bei Champions-League-Sieger Vipers Kristiansand unter Vertrag, würden sich spätestens jetzt alle Topklubs um den Nati-Flügel reissen. Emmeneggers EM im Kurzdurchlauf? Viel Speed, viele Kilometer und viele Tore. Mit 29,05 km/h ist sie die zweitschnellste Sprinterin des Turniers. Dazu hat die Marathon-Frau als einzige die ganze Vorrunde ohne eine Sekunde auf der Ersatzbank durchgespielt. Dazu kommen 30 Tore in sieben Partien.
Die Goalgetterin der EM
Wie stark Tabea Schmid (21) an diesem Turnier war, zeigt alleine der Fakt, dass sie als Kreisläuferin mit 44 Toren Schweizer Topskorerin ist. Nicht nur das: Die Ostschweizerin ist sogar europaweit top: Im Goalgetter-Ranking der EM nach der Hauptrunde liegt sie an vierter Stelle.
Das Lächeln der EM
Nati-Coach Knut Ove Joa verzieht kaum jemals eine Miene. Doch jetzt kennt die Schweiz Joa auch lächelnd. An seinem 48. Geburtstag qualifiziert sich sein Team in Basel für die Zwischenrunde, ein Meilenstein im Schweizer Frauen-Handball.
Die Paraden der EM
Wie wichtig die Rückkehr ins Tor von Lea Schüpbach (27) nach ihrer Knieverletzung war, zeigte die Torhüterin an dieser EM überzeugend. Die grösste Paraden-Serie liefert sie im entscheidenden Gruppenspiel gegen Kroatien ab: Schüpbach wehrt zu Beginn die ersten drei Schüsse allesamt ab, es ist der Anfang vom Ende der Kroatinnen.
Die Party der EM
Mit Österreich, Ungarn und der Schweiz sind drei Länder EM-Gastgeber. Die grösste Handball-Party steigt bei uns, Basel wird zum Fan-Hotspot der Euro. Die 5423 Fans in der St. Jakobshalle im Nati-Spiel gegen Dänemark ist die höchste Zuschauerzahl der ganzen bisherigen EM. Und als die Nati gegen Kroatien weiterkommt, ist die Halle ein Tollhaus. Ebenfalls ein Faktor in Basel: Die Hunderte Anhänger der Färöer, die selbst am Basler Bahnhof in den weissen Trikots nicht zu übersehen waren.
Der Lapsus der EM
Erstmals zur Heim-EM aufzulaufen, löst bei der Nati dann doch eine gewisse Nervosität aus. Im Startspiel gegen die Färöer lassen die Spielerinnen beim Betreten des Feldes gleich reihenweise das Einlaufspalier links liegen. Die Kinder warten vergebens auf den geplanten Handschlag.
Die Tränen der EM
Goalie Manuela Brütsch (40) ist eine Ausnahmeerscheinung. Als sie mit Handball begann, war die Nati noch eine reine Hobby-Veranstaltung. Brütsch erlebt die rasante Entwicklung als Aktivspielerin mit, spielt heute mit teils 20 Jahre jüngeren Teamkolleginnen unter viel professionelleren Bedingungen als einst. Als sie im Kroatien-Spiel realisiert, dass es fürs historische Weiterkommen reicht und sie das als Aktive miterlebt, hat sie noch vor der Schlusssirene nasse Augen.
Die bitterste Pille der EM
Im Hauptrunden-Spiel gegen Slowenien kassiert Lisa Frey einen Platzverweis, doch die Rote Karte wegen angeblicher Tätlichkeit ist ein Witz. Frey geriet bei einer gewöhnlichen Abwehraktion mit ihrer Hand ins Gesicht der Gegenspielerin. Sie trottet mit wässrigen Augen davon, denn es war ihr 100. Länderspiel – und ihre erste Rote Karte der Karriere.
Die kürzeste Nacht der EM
Bis das Adrenalin des Kroatien-Spiels vor 4000 lauten Fans in Basel bei den erfolgreichen Schweizerinnen abgebaut ist und sie nach dem ganzen Wirbel endlich schlafen können, dauert es Stunden. Doch der Zeitplan ist getaktet, bereits um 11 Uhr am nächsten Morgen hebt der Flieger nach Wien ab. Nudelfertig kommt das Team in Wien an und bestreitet am Tag darauf gegen Deutschland das allererste Hauptrundenspiel an einem grossen Turnier in der Geschichte des Schweizer Frauenhandballs.
Die Klatsche der EM
Erstmals übersteht die Schweiz an einer EM die Gruppenphase. Dass sie danach in der Hauptrunde in Wien gegen Deutschland, Slowenien, Holland und am Mittwoch gegen Norwegen alles verliert, war angesichts der Stärkeverhältnisse erwartbar. Vor allem die 24:40-Klatsche gegen Olympiasieger Norwegen. Es ist ein Lehrstück – für eine womöglich glänzende Zukunft. Mit der international erfolgreichen U16-Nati kommt im Frauen-Handball Vielversprechendes nach.