«Ich bin ein brutal schlechter Koch»
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Xhaka im Speed-Interview:«Ich bin ein brutal schlechter Koch»

Nati-Captain Xhaka im grossen WM-Interview
«Ich hatte zwei Blackouts in meiner Karriere»

Exklusiv-Besuch in London: Granit Xhaka (30) erzählt, wie er bei Arsenal vom Buhmann zum Helden wurde. Warum er sich eine WM ohne Skandale und ohne blonde Haare wünscht. Und was er zu einer FCB-Rückkehr meint.
Publiziert: 13.11.2022 um 01:10 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2022 um 17:54 Uhr
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Granit Xhaka in den Strassen Londons.
Foto: Sven Thomann

Restaurant «Storia», im Londoner Vorort Radlett, nur 15 Minuten vom Arsenal-Campus entfernt. Granit Xhakas Stammlokal. Nach dem gewonnenen Stadtderby gegen Chelsea kommt der Schweizer im schwarzen Arsenal-Trainingsanzug angerauscht. Nach dem eben gewonnenen Stadtderby gegen Chelsea trägt sich dieser besonders gut. Im Lokal wird getuschelt und manch einer kann sich ein «Good job, Gunners!» nicht verkneifen. Xhaka, der neue Publikumsliebling, strahlt.

Sie und Arsenal – das ist eine unfassbare Story. Sie sassen schon auf gepackten Koffern und wollten zu Hertha. Jetzt lieben die Fans Sie.
Granit Xhaka: Ja, diese Geschichte ist wirklich verrückt. Das war vor drei Jahren, als die Fans mich ausgepfiffen haben. Ich war am Boden, für mich war klar – wenn man mich hier nicht mehr haben will, liegt hier nicht meine Zukunft.

Wir erinnern uns. In dieser Phase konnten Sie den Arsenal-Fans nichts recht machen.
Das war genau der Punkt. Ich spielte gar nicht so schlecht. Aber nichts war gut genug. Es hat mich zermürbt. Stell dir vor, du machst ein gutes Spiel, machst ein Tor, hoffst, dass alles gut wird, dass die Fans da draussen zufrieden sind. Und dann wirst du einfach wieder beleidigt. Die sagen dann einfach: Hau ab, wir wollen dich nicht mehr. Das schmerzt.

Wo sagten die Fans das? Wie kam das zu Ihnen?
Auf den sozialen Medien.

Sie lesen das?
Ja, irgendwie geht es nicht anders. Ich bekomme das immer mit.

Auch der berühmte britische Moderator Piers Morgan hat Sie damals in der Luft zerfetzt, sich über Sie lustig gemacht.
Ich respektiere ihn, mehr nicht. Ich versuche, den Leuten, die mich beschimpfen, ohne mich zu kennen, das Gegenteil zu beweisen. Das ist die stärkste Reaktion, die ich geben kann. Aber mit ihm einen Kaffee trinken? Nein.

Das Ende war also nahe bei Arsenal – und dann kam Mikel Arteta.
Er stiess damals neu zu Arsenal. In unserem ersten Gespräch habe ich ihm eröffnet, dass ich gehen werde. Er meinte nur: «Bleib, ich werde dafür sorgen, dass du Topleistungen abliefern wirst. Bitte gib mir ein halbes Jahr Zeit.» Er hat mir seine Ideen und seine Philosophie erzählt.

Wie genau hat er Sie überzeugt?
Ich wusste einfach, mit ihm wird es klappen. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben eine Entscheidung ganz alleine gefällt. Ohne Familie, ohne Berater. Ich habe José (Noguera, Xhakas Berater, Anm. d. Red.) angerufen und ihm eröffnet: José, ich habe gerade mit Arteta geredet und ihm gesagt, dass wir bleiben. Punkt.

Erklären Sie uns, wie Mikel Arteta arbeitet. Was beeindruckt Sie?
Wissen Sie was? Ich musste 27 werden, um den Fussball richtig zu verstehen, das ist sein Verdienst. Mikel hat mir den Fussball neu gezeigt. Er erklärt dir das Spiel, die Taktik, den Gegner so, dass du nur noch rausgehen und gewinnen kannst. Er ist ein Wahnsinnstyp.

Das tönt nach einem Erweckungserlebnis. Das Fussballgeschäft ist schnelllebig. Haben Sie keine Angst, dass Arteta irgendwann nicht mehr Arsenal-Trainer ist?
Das Fussballgeschäft ist ganz sicher schnelllebig, aber aktuell sehe ich hier überhaupt keine Gefahr, dass Mikel den Verein verlässt.

Der Chef des Ristorante Storia kommt mit der Vorspeise an den Tisch, Calamari für Granit, und spricht mit ihm ein paar Sätze auf Albanisch. Uns begrüsst er mit einem herzlichen «Grüeziwohl!». Er habe in den 90er-Jahren in Frauenfeld gelebt und gearbeitet. Tolle Jahre seien das gewesen. Die Schweiz sei ein wunderbarer Ort. Granit Xhaka wird die Schweiz in wenigen Tagen als Captain zur WM führen.

Sie sagten ja offenbar Murat Yakin, dass diese Mannschaft reif für einen Titel sei.
(Lacht.) Das war bei unserem ersten Gespräch nach seiner Ernennung zum Nati-Coach, als er mich fragte, ob die Mannschaft nach dem Erfolg an der WM satt sei und wie ich das Potenzial sehe. Das ist meine Meinung. Wir haben uns enorm weiterentwickelt, seit ich vor elf Jahren zum ersten Mal aufgelaufen bin für die A-Nati.

Das heisst, Sie sagen es wieder?
Was?

Das, was Sie immer sagen vor einem Turnier. Schon 2009 vor dem U17-Weltmeistertitel.
Aha, dass ich genug Kleider mitnehme bis zum Final. Ja, klar. Wir müssen Visionen haben und gross denken.

Sie werden genug Kleider bis zum Final mitnehmen. Was sonst darf denn in Ihrer Reisetasche nicht fehlen?
Mein «Erholungs-Package». Ich bin nicht mehr zwanzig. Ich muss meinen Körper pflegen.

Was gehört in dieses Paket?
Ein Schlafanzug, der die Regeneration fördert. Eine Brille, die man aufsetzen kann, um runterzukommen. Solche Dinge. All diese Sachen haben sie uns hier bei Arsenal gezeigt.

Zurück zum Turnier in Katar: Werden wir die beste Nati aller Zeiten sehen?
Das hoffe ich, auch wenn Vergleiche zwischen Generationen sehr schwierig sind. Wir haben Spieler, die in starken Ligen, in guten Mannschaften eine wichtige Rolle spielen.

Erklären Sie mal Ihr Verhältnis zu Murat Yakin. Eine Weile schien es explosiv.
Finden Sie?

Ja. Ihre Aussage über die Position, auf der Yakin Sie spielen lässt, liess tief blicken. Und an der Auswechslung im Kosovo-Spiel hatten Sie auch keine Freude.
Das stimmt. Ich hätte in meinem 100. Spiel gerne durchgespielt. Abgesehen davon habe ich grossen Respekt für die Arbeit von Murat. Ich war Balljunge, als er noch gespielt hat. Er hat mich damals schon fasziniert. Mit seinem Auftritt, mit seinem Charisma. Wir sind beide sehr direkt und haben eine klare Meinung. Aber wir haben kein Problem miteinander.

Eigentlich waren Sie bisher bei jedem Turnier in den Schlagzeilen. 2014 spielten Sie auf der falschen Position an der WM in Brasilien. 2016 verschossen Sie an der EM in Frankreich den entscheidenden Elfmeter im Penaltyschiessen gegen Polen. 2018 das Serbien-Spiel und dann die fehlende Emotionalität gegen Schweden im Achtelfinal von Russland …
Ja, ich habe euch immer gute Geschichten geliefert (lacht). Im Serbien-Spiel lief eigentlich alles gut. Bis auf den Doppeladler. Das hätte ich nicht machen sollen.

Waren Sie überfordert mit der aufgeladenen Stimmung und mit dem Hass, der Ihnen entgegenschlug?
Wissen Sie, ich hatte in meiner Karriere zwei Blackouts. Einer im Spiel mit Arsenal in Crystal Palace, als ich ausgepfiffen wurde, und eben in diesem Spiel gegen Serbien, als ich diese Geste machte.

Ihre Emotionalität ist erklärbar. Ihr Vater war drei Jahre in serbischer Gefangenschaft.
Was mein Vater erlebt hat, wünscht man niemandem. Ich weiss bis heute nur die Hälfte dieser schlimmen Geschichte. Als ich zwanzig war, wollte ich jedes Detail wissen. Ich habe gefragt und gefragt, bis mein Vater jeweils einfach davonlief, weil er nicht mehr konnte. Heute weiss ich, dass ich sachte vorgehen muss. Das war für ihn eine schlimme Zeit.

Jetzt spielen Sie bei der WM wieder gegen Serbien. Wird Ihr Vater Ragip im Stadion sein?
Nein, er bleibt zu Hause. Meine ganze Familie wird nicht dort sein.

Was haben Sie bei der Auslosung gedacht?
Ehrlich? Das war der Gegner, den ich mir zuletzt gewünscht hatte. Aber ich hoffe, dass wir zum Zeitpunkt des Matches eh schon weiter sind, dank zwei Siegen. Dann können wir das Spiel ohne Druck angehen.

Die Gruppe G ist kompliziert. Von Kamerun weiss man wenig und Brasilien ist nominell extrem stark.
Oh ja. Gabriel Jesus, der mit mir bei Arsenal spielt, ein Top-Mann, ist ja nun im Kader, darüber habe ich mich extrem gefreut, aber wohl eher als Ergänzungsspieler. Er spielt unfassbar gut, ich sehe ihn jeden Tag. Das sagt wohl alles: Die können drei Top-Teams aufstellen.

Und dennoch haben Sie Grosses vor gegen Brasilien. Blicken wir nochmals zurück: Auch 2021 haben Sie den Medien Schlagzeilen geliefert: Zuerst gingen Sie vor dem Turnier ohne Maske zum Tätowierer und dann das Blondieren der Haare …
Wir standen in der Kritik. Alle Medien haben schlecht über uns geschrieben, da wollten Manuel Akanji und ich ein bisschen für Ablenkung sorgen … (Lacht.) Spass bei Seite. Das war unüberlegt und hat unnötig für Trubel gesorgt. Also eins ist klar: kein Tattoo vor der WM. Kein Haarefärben in Katar. Wobei, deine Farbe, Steffi, müsste ich schon mal noch ausprobieren.

Eine ältere Frau am Nebentisch beugt sich zu Granit Xhaka rüber: «Ich habe gerade erfahren, dass Sie Schweizer sind. Ich war neulich in der Schweiz! In Zürich und Luzern.» Xhaka: «Schön, dass Ihnen die Schweiz gefällt. Zürich und Luzern sind aber nicht so mein Ding. Meine Stadt ist Basel!» – «Oh, Basel, kenne ich nicht. Aber wenn Sie meinen, dann gehe ich nächstes Mal nach Basel.»

Basel. Gutes Stichwort: Sie haben neulich einen Tweet zum FC Basel gemacht und darin David Degen kritisiert.
Nein, halt, ich habe Dave nicht kritisiert. Er weiss, dass ich so etwas nicht über die Öffentlichkeit machen würde, da würde ich ihn direkt anrufen. Ich habe mich in diesem Spiel gegen den FCZ einfach genervt über die Leistung der Mannschaft.

Ihr Bruder Taulant war nicht in der Aufstellung.
Das hat mit Tauli nichts zu tun. Ich schaue jedes Spiel des FCB, ob mein Bruder dabei ist oder nicht. Ausser heute gegen Sion gerade kann ich nicht schauen, weil ich mit euch hier sitze. Wie viel stehts?

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Okay.

Werden Sie je zu Basel zurückkehren?
Das ist schwer zu sagen. Eigentlich würde ich gerne mal noch mit meinem Bruder beim FC Basel spielen. Es wäre schön. Aber ich habe noch zwei Jahre Vertrag mit Arsenal und fühle mich noch sehr gut. Ich kann mir auch vorstellen, dass es hier zu Ende geht. London ist nach sieben Jahren zu einer Art zweiten Heimat geworden.

Wer hätte das vor drei Jahren gedacht? Der Chef kommt zum Tisch, es gibt zum Dessert kleine Cheesecake-Stücke für alle. Er sagt entschuldigend, er gebe wirklich sein Bestes, die Fans von unserem Tisch fernzuhalten. Aber … Hinter ihm steht ein schüchterner Junge und fragt Granit Xhaka nach einem Foto. «Sure!», sagt dieser zufrieden lächelnd.

Anmerkung: Im letzten Spiel vor der WM-Pause muss Granit Xhaka nach einer Viertelstunde ausgewechselt werden. Mehr dazu findest du hier.

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