Eine Träne für den zurückgetretenen Andrés Iniesta
Die Bonbons sind verteilt, die Party ist vorbei

Er war einer der Allergrössten, ein Antistar, ein Ballzauberer, ein Zältli-Verteiler. Nun ist Andrés Iniesta 40-jährig zurückgetreten. Wer ihn spielen gesehen hat, wird ihn nicht vergessen, schreibt Patrick Mäder im Newsletter Steilpass.
Publiziert: 15.10.2024 um 15:35 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2024 um 21:48 Uhr
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Ein Foto, das mehr sagt als alle Worte: Andrés Iniesta wird an der EM 2012 gleich von fünf Italienern umzingelt: Christian Maggio (2), Claudio Marchisio (8), Leonardo Bonucci (19), Giorgio Chiellini (3 ) und Thiago Motta.
Foto: imago/Ulmer
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Nations League, Champions League, Europa League, Conference League, Super League … bei diesem vollgepackten Fussball-Angebot kann man schon mal den Überblick verlieren. Beinahe ist mir da der Rücktritt meines Lieblingsspielers untergegangen. Für manche Medien war dieser bloss eine Randnotiz wert und noch bitterer: manch jüngere Fussballfans kennen ihn gar nicht, haben den Namen Andrés Iniesta noch nie gehört oder kein Bild dazu. Wie kurzlebig Ruhm doch ist.

Dabei war Andrés Iniesta einer der Allergrössten. Einer, der nicht gerne redete, ein Antistar, der am liebsten nur Fussball gespielt hätte, weil er mit den Füssen schon genug sagte. Er streichelte den Ball, er liebkoste ihn. Magisch seine enge Ballführung, genial seine Ideen, mit denen er die Mitspieler erstrahlen liess: Ronaldinho, Messi, Eto'o, Henry … Magistral sein Passspiel, das sein früherer Trainer Frank Rijkaard einst mit diesem wunderschönen Satz beschrieb: «Iniestas Passspiel ist, als würde man jemandem beim Verteilen von Bonbons zuschauen.»

Blick-Redaktion im Taumel

Mit Barcelona gewann er 32 Titel, darunter viermal die Champions League. Er wurde Weltmeister und zweimal Europameister und liess seine Karriere schliesslich in Japan und den Emiraten ausklingen – still, leise, fast unbemerkt. Am Ende hatte er über 1000 Pflichtspiele absolviert, bevor er am 8. Oktober seinen Rücktritt verkündete, was mir hier die Gelegenheit gibt, noch mal zurückzuschauen auf die WM 2010.

Auf der Blick-Sportredaktion waren wir wie stets bei Grossereignissen im Fieber und nach dem Auftaktsieg der Nati gegen die Spanier, den ein kurioser Zufallstreffer von Gelson Fernandes ermöglichte, neigten wir zu übermütigen Wortspielen. «Einfach nur Geilson!», titelten wir über den Triumph und waren überzeugt: «Jetzt können wir alle schlagen». Trainer Hitzfeld nannten wir «Sankt Ottmar» und forderten: «Schenkt ihm den Schweizer Pass!»

Das Tor seines Lebens

Bekanntlich kam dann alles anders. Die Schweiz überstand die Gruppenphase nicht, aus den Helden wurden Versager, Hitzfeld bekam kein Geschenk und Spanien stand am 11. Juli im Final gegen die Niederlande. Bereits Stunden vor dem Spiel bastelten wir wieder an möglichen Schlagzeilen. Eine davon war «Fiesta mit Iniesta», die dann auch gedruckt wurde. Denn tatsächlich traf der spanische Zauberer in der Verlängerung zum entscheidenden 1:0. Es war das Tor seines Lebens.

Am nächsten Tag realisierten wir, dass der Fiesta-Iniesta-Reim nicht exklusiv war, weltweit kamen Zeitungsmacher auf dieselbe Idee, später gab es auch noch einen Song der spanischen Band Ballena: «La fiesta de Iniesta». Nun ist die Party vorbei, die Bonbons sind verteilt. In Tränen aufgelöst gab der bescheidene Spanier am 8. Oktober eine Pressekonferenz und verkündete den Abschied von seiner grossen Liebe: «Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag kommen würde», schluchzte der 40-Jährige. Und Lionel Messi fand für seinen Freund die treffenden Abschiedsworte. «Der Ball wird dich vermissen und wir alle werden es auch.»

Ich wünsche Iniesta das Beste für die Zukunft als Ex-Fussballer und allen eine schöne Woche. Vielleicht liefert uns die Nati heute gegen Dänemark ja wieder einmal Grund für etwas Übermut und Partystimmung.

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