Schneckenrennen um die Kanone
Darum treffen die Super-League-Stürmer kaum

Zehn Saisontreffer sind bislang das Mass aller Dinge in der Super League. Was ein zweifacher Torschützenkönig sagt. Ob der Negativrekord fallen könnte. Was der SFV plant. Und warum der klassische Neuner noch nicht beerdigt werden darf.
Publiziert: 06.03.2024 um 17:00 Uhr
|
Aktualisiert: 07.03.2024 um 07:14 Uhr
1/8
Bei Servette gehörte Chris Bedia zu den besten Stürmern der Super League.
Foto: Pascal Muller/freshfocus

Chris Bedia, der beste Stürmer der Super League, sieht im Tabellenkeller der Bundesliga kein Land. Bloss 35 von möglichen 720 Einsatzminuten hat der Ex-Servettien seit seinem Wechsel zu Union Berlin absolviert. «Bei Chris ist uns schon klar gewesen, dass er aus der Schweiz kommt und nicht aus der Bundesliga», sagt Unions Sportchef Oliver Ruhnert noch vor Wochen. Oder anders ausgedrückt: Zwischen den beiden Ligen scheinen Welten zu liegen.

Ein Blick auf die aktuell besten Torschützen der Super League untermauert diese These. Bedia führt die Liste noch immer an. Gemeinsam mit Luganos Zan Celar. Und das, obwohl Bedia Mitte Dezember sein letztes Spiel für Servette absolvierte. Zehn Tore hat der Franzose erzielt. Wenig spricht dagegen, dass der Negativrekord in dieser Saison fallen könnte. Diesen hält Albian Ajeti, der in der Saison 2017/18 mit 17 Treffern für den FCB Torschützenkönig wurde.

Alle Torschützenkönige der Super League
  • Saison: 2022/2023 Jean-Pierre Nsame YB, 21 Tore
    Saison: 2021/2022 Jordan Siebatcheu YB, 22 Tore
    Saison: 2020/2021 Jean-Pierre Nsame YB, 19 Tore
    Saison: 2019/2020 Jean-Pierre Nsame YB, 32 Tore
    Saison: 2018/2019 Guillaume Hoarau YB, 24 Tore
    Saison: 2017/2018 Albian Ajeti FCB, 17 Tore
    Saison: 2016/2017 Seydou Doumbia FCB, 20 Tore
    Saison: 2015/2016 Munas Dabbur GC, 19 Tore
    Saison: 2014/2015 Shkelzen Gashi FCB, 22 Tore
    Saison: 2013/2014 Shkelzen Gashi GC, 19 Tore
    Saison: 2012/2013 Oscar Scarione FCSG, 21 Tore
    Saison: 2011/2012 Alex Frei FCB, 24 Tore
    Saison: 2010/2011 Alex Frei FCB, 27 Tore
    Saison: 2009/2010 Seydou Doumbia YB, 30 Tore
    Saison: 2008/2009 Seydou Doumbia YB, 20 Tore
    Saison: 2007/2008 Hakan Yakin YB, 24 Tore
    Saison: 2006/2007 Mladen Petric FCB, 19 Tore
    Saison: 2005/2006 Alhassane Keita FCZ, 20 Tore
    Saison: 2004/2005 Christian Gimenez FCB, 27 Tore
    Saison: 2003/2004 Stéphane Chapuisat YB, 23 Tore
  • Saison: 2022/2023 Jean-Pierre Nsame YB, 21 Tore
    Saison: 2021/2022 Jordan Siebatcheu YB, 22 Tore
    Saison: 2020/2021 Jean-Pierre Nsame YB, 19 Tore
    Saison: 2019/2020 Jean-Pierre Nsame YB, 32 Tore
    Saison: 2018/2019 Guillaume Hoarau YB, 24 Tore
    Saison: 2017/2018 Albian Ajeti FCB, 17 Tore
    Saison: 2016/2017 Seydou Doumbia FCB, 20 Tore
    Saison: 2015/2016 Munas Dabbur GC, 19 Tore
    Saison: 2014/2015 Shkelzen Gashi FCB, 22 Tore
    Saison: 2013/2014 Shkelzen Gashi GC, 19 Tore
    Saison: 2012/2013 Oscar Scarione FCSG, 21 Tore
    Saison: 2011/2012 Alex Frei FCB, 24 Tore
    Saison: 2010/2011 Alex Frei FCB, 27 Tore
    Saison: 2009/2010 Seydou Doumbia YB, 30 Tore
    Saison: 2008/2009 Seydou Doumbia YB, 20 Tore
    Saison: 2007/2008 Hakan Yakin YB, 24 Tore
    Saison: 2006/2007 Mladen Petric FCB, 19 Tore
    Saison: 2005/2006 Alhassane Keita FCZ, 20 Tore
    Saison: 2004/2005 Christian Gimenez FCB, 27 Tore
    Saison: 2003/2004 Stéphane Chapuisat YB, 23 Tore

Blick-Experte und Ex-Stürmer Kubilay Türkyilmaz sagt: «Wenn das in diesem Tempo weitergeht, ist es gut möglich, dass 14, 15 Tore für die Krone reichen. Warum das so ist? Weil immer mehr Trainer ganze vorne auf offensive Mittelfeldspieler setzen. Wie zum Beispiel Marchesano beim FCZ. Und die schiessen naturgemäss weniger Tore als echte Stürmer.» Die echten Neuner würden allgemein rarer und rarer werden, so Kubi. «Itten ist einer, aber der liegt bei bloss sechs Toren. Viel zu wenig. Und Zan Celar, doch der spielt mal und mal wieder nicht. So kommt er nicht in den Rhythmus. Nein, die echten Stürmer gehen uns langsam aus. Das ist die bittere Wahrheit.»

Aleksandrov: «Früher war ein Stürmer Stürmer»

Sieht auch Petar Aleksandrov so. Der wurde sowohl mit Xamax als auch mit dem FCL Torschützenkönig und arbeitet mittlerweile als Stürmertrainer beim FC Aarau. Für den bulgarischen WM-Teilnehmer von 1994 hat sich der Fussball zu Ungunsten des klassischen Strafraumstürmers entwickelt: «Früher war ein Stürmer Stürmer. Heute muss er pressen, zurücklaufen. Der Fussball hat sich verändert. Er ist mehr von Taktik geprägt. Da kannst du nichts dagegen machen. Früher war das Ziel eines Flügelspielers an die Linie runter zu rennen und auf den Stürmer zu flanken. Heute gibt es viel weniger Strafraumszenen.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Zudem sei es schwierig, Automatismen reinzubekommen. Weil ein Stürmer, der in der Schweiz Tore schiesse, sofort interessant für Klubs aus dem Ausland werde. Auch der VAR spiele einem Stürmer nicht in die Karten, so Aleksandrov. «Weil er erst ein wunderbares Tor schiesst, die Schiris dann aber nach fünf Minuten merken, dass er grössere Schuhe anhat als sein Gegenspieler und er deshalb im Abseits steht.»

Torschützenkönige mit den meisten Goals

40 Tore
Leopold Kielholz (†, Servette, 1933/34)

36 Tore
John Eriksen (†, Servette, 1987/88)

33 Tore
Peter Risi (†, Zürich, 1975/76)
Branislav Vukosavljevic (†, GC, 1955/56)

32 Tore
Jacques Fatton (†, Servette, 1949/50)
Seppe Hügi (†, Basel, 1952/53)
Geni Meier (†, YB, 1952/53)
Jean-Pierre Nsame (YB, 2019/20)

Berücksichtigt wurden alle Torschützenkönige seit 1933.

40 Tore
Leopold Kielholz (†, Servette, 1933/34)

36 Tore
John Eriksen (†, Servette, 1987/88)

33 Tore
Peter Risi (†, Zürich, 1975/76)
Branislav Vukosavljevic (†, GC, 1955/56)

32 Tore
Jacques Fatton (†, Servette, 1949/50)
Seppe Hügi (†, Basel, 1952/53)
Geni Meier (†, YB, 1952/53)
Jean-Pierre Nsame (YB, 2019/20)

Berücksichtigt wurden alle Torschützenkönige seit 1933.

Sein Rezept als Stürmertrainer? «Das Wichtigste ist, immer bereit zu sein. Den Glauben zu haben, dass der Ball kommen wird. Wenn man sich Videos von Weltklassestürmern wie Roy Makaay oder Ruud van Nistelrooy anschaut, dann ist es faszinierend zu sehen, wie sie lauern. Und dass der Ball meisten dorthin kommt, wo sie stehen. Auch Alex Frei hatte diese Gabe.» Mit ihm zusammen arbeitet Aleksandrov beim FC Aarau. Top-Torschütze dort mit acht Toren: Valon Fazliu, ein offensiver Mittelfeldspieler. Der traf zuletzt auch beim 2:0-Sieg gegen Xamax doppelt.

Tore bringen Millionen

Der letzte Mittelfeldspieler, der in der Super League Torschützenkönig wurde, heisst Oscar Scarione. Der Argentinier erzielte vor elf Jahren 21 Tore für den FC St.Gallen. Dessen Berater Renato Cedrola sagt, dass Scarione von Beginn an Vertrauen gespürt habe. Scarione sei im Zentrum des Projekts gestanden. Und jener Spieler gewesen, auf den das Offensivspiel ausgerichtet worden sei. «Wir haben mit dem damaligen Trainer Jeff Saibene sogar ein paar Positionskorrekturen vorgenommen, weil er Oscar zuerst auf die Seite stellen wollte.» Weil Scarione aber zuvor bereits beim FC Thun eine Top-Torstatistik hatte, durfte er am Ende doch hinter der Spitze ran. Und kam aus dem Jubeln nicht mehr heraus. «Seine 21 Tore waren entscheidend, dass es danach zum Wechsel in die Türkei zu Kasimpasa gekommen ist. Und ab diesem Jahr hat er dann für den Rest seiner Karriere bloss noch siebenstellig verdient», erzählt Cedrola. Und auch der FCSG kassiere damals kräftig ab, rund drei Millionen flossen in die Klubkassen. Für Chris Bedia, den aktuell besten Stürmer der Super League, überwies Union Berlin rund 2 Millionen nach Genf.

Torschützenkönige mit den wenigsten Goals

15 Tore
Josef Artimovics (†, Grenchen, 1938/39)

16 Tore
Peter Risi (†, Zürich, 1978/79)

17 Tore
Herbert Dimmeler (Winterthur, 1971/72)
Bernd Dörfel (Servette, 1971/72)
Dario Zuffi (YB, 1990/91)
Albian Ajeti (St. Gallen/Basel, 2017/18)

Berücksichtigt wurden alle Torschützenkönige seit 1933.

15 Tore
Josef Artimovics (†, Grenchen, 1938/39)

16 Tore
Peter Risi (†, Zürich, 1978/79)

17 Tore
Herbert Dimmeler (Winterthur, 1971/72)
Bernd Dörfel (Servette, 1971/72)
Dario Zuffi (YB, 1990/91)
Albian Ajeti (St. Gallen/Basel, 2017/18)

Berücksichtigt wurden alle Torschützenkönige seit 1933.

Nichts im Vergleich zu jener Ablöse, die der FCB im Sommer 2018 für Albian Ajeti kassierte. Der wurde mit bloss 17 Treffern Torschützenkönig und wechselte danach für über 12 Millionen zu West Ham. Ex-GC-Stürmer Munas Dabbur, der Torschützenkönig von 2016, wechselte gar für 17 Millionen zu Sevilla. Das Geld floss aber nach Salzburg, weil die Hoppers den Stürmer bloss ausgeliehen hatten. Für Torschützenkönig Seydou Doumbia kassierten die Berner Young Boys 2010 ebenfalls einen zweistelligen Millionenbetrag.

Reibach mit der Nummer 9?

Heisst: Mit klassischen Stürmern konnte man früher noch den grossen Reibach machen. Und heute? Christoph Graf, der Präsident der Schweizer Spielerberater, antwortet mit einer Gegenfrage: «Was hat Bayern für Harry Kane gezahlt, um nicht Meister zu werden? 100 Millionen, oder?» Ein guter Stürmer sei ein guter Stürmer. Und der habe seinen Preis, so Graf. Dass sich die Position der klassischen 2-Meter-Starfraumkobra, die vor dem Tor lauere, verändert habe, will aber auch er nicht verneinen. «Ein solcher Stürmertyp ist zwar nicht mehr gefragt auf dem Markt. Aber grundsätzlich muss die Grösse kein Nachteil sein, wenn du dazu noch ein bisschen modern spielst und dich bewegst.»

Erfüllt ein Angreifer alle Eigenschaften, kanns plötzlich lukrativ werden, so Graf. «Ein Super-League-Stürmer, der in einer Saison 20 Tore schiesst, kann einen zweistelligen Millionenbetrag bringen.» Was dagegen spricht: Jean-Pierre Nsame. Der wurde in den letzten vier Jahren dreimal Torschützenkönig, schoss in einer Saison gar 32 Tore, ist im Ausland aber ein Reinfall. Graf: «Dass so ein Stürmer keinen besseren CV hat, ist für mich ein Rätsel. Drum bleibe ich dabei: Die klassische Nummer 9 werde ich nicht für tot erklären.»

SFV weiss um die Probleme

Und was sagt der SFV? «Wir haben in der Schweiz keine riesige Menge an unglaublich guten Stürmern», meint Patrick Bruggmann, Direktor Fussballentwicklung beim SFV. Der Verband plant darum auf die neue Saison hin die Lancierung eines neuen Stürmer-Konzepts. Das Ziel: Bei den Junioren-Spitzenklubs sollen Offensivtalente gezielter gefördert werden. «Wir wollen das Mindset ändern. Weg vom reinen Teamerfolg hin zu mehr individueller Entwicklung.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

«Wir müssen aufpassen, dass wir im Nachwuchs nicht Spieler aufgrund ihrer biologischen Entwicklung verlieren», sagt Bruggmann. Nati-Stürmer Zeki Amdouni, der als Jugendlicher bei seinem Stammklub Servette ausgemustert wurde, sei ein Paradebeispiel dafür. Auch wenn der internationale Trend wieder hin zum klassischen Mittelstürmer ginge, ist man beim SFV bestrebt, nicht nur einfach eine Art von Spielertyp zu entwickeln.

Damits in Zukunft kein Schneckenrennen mehr um die Torjägerkanone gibt.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?