BLICK: Nach dem Spiel gegen Lugano waren Sie aufgebracht wegen des Penaltys. Schiri-Boss Dani Wermelinger gibt nun zu, dass das Eingreifen des VAR ein Fehler war. Macht Sie das noch wütender?
Peter Zeidler: Nein, überhaupt nicht. Dieser Penaltypfiff bleibt zwar ärgerlich, aber wir begeben uns jetzt nicht in die Opferrolle und haken dieses Spiel ab.
Das Jahr startet also ebenso turbulent wie es aufgehört hat. Vor einem Monat sind Sie noch gemütlich mit Ihrer Familie zusammengesessen. Wie waren Ihre Weihnachtsferien?
Anders als sonst. Zum ersten Mal konnte ich Weihnachten nicht in meinem Elternhaus und zusammen mit meiner Mutter feiern. Das war ungewohnt. Dennoch hatte ich mit meiner Familie eine sehr schöne Zeit. Unsere beiden Töchter, die im Ausland studieren, waren bei uns in der Schweiz.
Fast das gesamte vergangene Jahr war ungewohnt. Was bleibt Ihnen vom 2020 im Rückspiegel hängen?
Sportlich haben wir viel geschafft. Ganz vorne mitzuspielen war ausserordentlich und keine Selbstverständlichkeit.
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Trauern Sie dem verpassten Meistertitel nach?
Nein. Andere Dinge, etwa die Corona-Pandemie, sind viel zu gross, als dass man sich darüber lange aufregen kann. Zudem ist YB verdient Meister geworden. Aber wir müssen jetzt auch nicht rumdiskutieren - wären Zuschauer da gewesen, hätten wir es schaffen können.
Dementsprechend hoch war oder ist die Erwartungshaltung auch für diese Saison. Stresst Sie das?
Nein, als Stress empfinde ich das nicht. Wir haben schon früh betont, dass die vergangene Saison Geschichte ist. Und mittlerweile sind wir soweit, dass wir diese Erfahrung, wie in einem Fotoalbum, das man mit der Familie anschaut, in Erinnerung behalten. Das kann uns keiner mehr nehmen. Inzwischen hat aber ein neuer Abschnitt begonnen. Die Mannschaft von letzter Saison gibt es nicht mehr. Den FC St. Gallen hingegen schon, und der hat jetzt eine neue Mannschaft.
Hätten Sie gedacht, dass diese «neue» Mannschaft gegen Ende der Hinrunde unter den ersten vier steht?
Die Tabelle hat für mich nur eine geringe Aussagekraft. Aus meiner Sicht haben alle Mannschaften zwischen Platz zwei und acht ein ähnliches Niveau, da entscheiden Nuancen. Jetzt schauen wir mal, was in den kommenden 21 Runden noch passieren wird. Wir sind noch «bei den Leuten», wie man so schön sagt. Nicht mehr und nicht weniger. Aber der Alltag wird gerade stark von der Pandemie geprägt, das relativiert vieles. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir diese im Griff hätten, damit wir wieder gesellschaftlich mit anderen zusammenleben und das Leben in allen Facetten geniessen können.
Inwiefern prägt Sie diese Krise privat?
Ich bin nachdenklicher geworden. Ich versuche zu verstehen, was mit uns allen gerade passiert, und gleichzeitig die Hoffnung auf Besserung zu bewahren. Diese Situation wirkt sich auf die Gesellschaft aus. Auf unser Wohlbefinden, unser teilweise labiles Gleichgewicht. Gleichzeitig lässt sie uns viele Dinge noch mehr schätzen. Man wird dankbarer.
Erzählen Sie.
Ich schätze noch mehr, was mir wichtig ist, nämlich die Beziehung zur Familie und zu Freunden. Und ich wünsche mir, mich mit ihnen bald wieder normal treffen zu können. Ich spüre die Vorfreude auf ganz kleine Dinge wieder.
Worauf zum Beispiel?
Einfach in einem Café sitzen, wenn die Sonne lacht, einen ganz normalen Urlaub auf dem Zeltplatz machen oder ans Meer fahren, auf dem warmen Sand liegen … Aus dieser Vorfreude hole ich Motivation, um weiter stark zu bleiben, bis die Normalität irgendwann wieder einkehrt.
Trotz Corona, gab es für Sie und Ihre Frau im Sommer Grund zum Anstossen. Der 25. Hochzeitstag...
(Lacht). Ja das stimmt.
Haben Sie die silberne Hochzeit richtig gefeiert?
Nein, wir sind da nicht so. Wir haben eine schöne Velotour gemacht.
Sprechen Sie mit Ihrer Frau eigentlich auch über Fussball?
Sehr wenig, aber mit meinen Töchtern ab und zu. Es kann vorkommen, dass sie fragen, wieso ein Spieler traurig ist zum Beispiel. Da fühlen sie dann mit und interessieren sich dafür.
Mit Ihrer empathischen Art können Sie die Spieler in so einem Fall auch gut unterstützen.
Wir haben das Glück, dass die meisten unserer Spieler in dieser schwierigen Zeit im Gleichgewicht geblieben sind. Manchmal kann ich Ihnen etwas Hilfestellung geben und die Spieler wissen, dass sie sich immer auf mich verlassen können und dass ich immer für sie bin.
Im Sommer könnte es beim FCSG wieder zu einigen Abgängen kommen - Macht Ihnen das Bauchschmerzen?
Ich setze meine Energie lieber anders ein. Die Freude sollte immer dominieren. Und aktuell freue ich mich, dass wir diese Saison mit der jetzigen Mannschaft zu Ende spielen werden.
In diesem Fall auch mit dem «Best Youngster 2020» Leonidas Stergiou. Sie haben den Titel als bester Coach knapp verpasst. Enttäuscht?
Wenn man auf den zweiten Platz kommt, kann man doch nicht enttäuscht sein.
Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen?
Fussball ist ein Mannschaftssport, da geht es immer um den Teamerfolg. Aber das mit den Auszeichnungen ist halt so eine Spielerei. (lacht). Ich sehe die Nomination als Wertschätzung der Arbeit des ganzen Teams und freue mich für den ganzen FC St.Gallen darüber.
Hand aufs Herz, spielt der FCSG diese Saison um den Meistertitel?
Die Saison ist noch lang, es ist noch nicht einmal die Hinrunde absolviert. Wir geben weiterhin alles, in jedem Spiel. Und dann schauen wir, wo wir am Ende der Saison stehen.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Zürich | 14 | 7 | 26 | |
2 | FC Basel | 14 | 20 | 25 | |
3 | FC Lugano | 14 | 6 | 25 | |
4 | Servette FC | 14 | 2 | 25 | |
5 | FC Luzern | 14 | 4 | 22 | |
6 | FC St. Gallen | 14 | 6 | 20 | |
7 | FC Lausanne-Sport | 14 | 2 | 20 | |
8 | FC Sion | 14 | 0 | 17 | |
9 | BSC Young Boys | 14 | -5 | 16 | |
10 | Yverdon Sport FC | 14 | -10 | 15 | |
11 | FC Winterthur | 14 | -21 | 11 | |
12 | Grasshopper Club Zürich | 14 | -11 | 9 |