«Sonst schliessen sie mich aus der Kabine – und das will ich nicht»
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Wicky lässt die Spieler feiern:«Sonst schliessen sie mich aus der Kabine»

Meister-Coach Wicky über das Feiern, Menschenführung und seine Entwicklung
«YB ist nun mal der beste Klub der Schweiz»

YB ist Meister. Für Raphel Wicky bedeutet das den ersten grossen Titel als Trainer. Mit Blick spricht der Walliser über das Feiern, Menschenführung und seine Entwicklung seit seinem Engagement beim FC Basel.
Publiziert: 01.05.2023 um 14:32 Uhr
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YB-Coach Raphael Wicky gibt Juwel Fabian Rieder Anweisungen.
Foto: Pius Koller
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Michael WegmannStv. Fussballchef

Raphael Wicky, herzliche Gratulation zu Ihrem ersten Meistertitel als Trainer. Als Walliser feiern Sie wahrscheinlich lieber mit Wein als mit Bier?
Raphael Wicky: Danke. Ich bin schon eher der Weintrinker. Aber zuerst stosse ich wohl mit einem Glas Champagner an, dann mit einem Glas Wein. Jetzt habe ich schon verschiedene alkoholische Getränke aufgezählt. Dabei liegt meine Toleranzgrenze im Normalfall bei maximal zwei Gläsern.

Tönt nicht, als wären Sie trinkfest …
Ich vertrage nicht viel Alkohol. Ich habe nie viel getrunken.

Nicht einmal, als Sie 1997 als 20-Jähriger mit Sion das Double geholt haben?
Nein. Zu dieser Zeit war ich top seriös und extrem auf meine Karriere fokussiert.

Persönlich: Raphael Wicky

Raphael Wicky kommt am 26. April 1977 in Leuggern AG auf die Welt, wächst aber im Oberwalliser Dorf Steg auf. Schon mit 16 beruft ihn Umberto Barberis von der U18 in die erste Mannschaft des FC Sion. Ein Jahr später ist er Nationalspieler und bringt es auf 75 Länderspiele mit einem Tor: gegen die Färöer. Mit 20 wechselt er in die Bundesliga zu Werder Bremen. Nach vier Saisons gehts für ein Jahr zu Atletico Madrid und dann zum HSV. Insgesamt kommt Wicky auf 218 Bundesliga-Einsätze. Nach einer Rückkehr zum FC Sion und einem Abstecher zu CD Chivas in die MLS beginnt die Trainerkarriere als Coach der U18 und dann der U21 des FCB. Es folgt die erste Mannschaft, wo er nach acht Meisterschaften in Folge den Titel verpasst, aber für die erfolgreichste Champions-League-Saison des FCB aller Zeiten mit dem Erreichen der Achtelfinals sorgt. Nach nur zwei Pflichtspielen in der neuen Saison muss er aber gehen. Er wird U17-Nati-Coach in den USA und dann Trainer bei Chicago Fire, bevor er im Sommer 2022 bei YB anheuert und in seiner ersten Saison gleich Meister wird. Wicky spricht viereinhalb Sprachen.

Raphael Wicky kommt am 26. April 1977 in Leuggern AG auf die Welt, wächst aber im Oberwalliser Dorf Steg auf. Schon mit 16 beruft ihn Umberto Barberis von der U18 in die erste Mannschaft des FC Sion. Ein Jahr später ist er Nationalspieler und bringt es auf 75 Länderspiele mit einem Tor: gegen die Färöer. Mit 20 wechselt er in die Bundesliga zu Werder Bremen. Nach vier Saisons gehts für ein Jahr zu Atletico Madrid und dann zum HSV. Insgesamt kommt Wicky auf 218 Bundesliga-Einsätze. Nach einer Rückkehr zum FC Sion und einem Abstecher zu CD Chivas in die MLS beginnt die Trainerkarriere als Coach der U18 und dann der U21 des FCB. Es folgt die erste Mannschaft, wo er nach acht Meisterschaften in Folge den Titel verpasst, aber für die erfolgreichste Champions-League-Saison des FCB aller Zeiten mit dem Erreichen der Achtelfinals sorgt. Nach nur zwei Pflichtspielen in der neuen Saison muss er aber gehen. Er wird U17-Nati-Coach in den USA und dann Trainer bei Chicago Fire, bevor er im Sommer 2022 bei YB anheuert und in seiner ersten Saison gleich Meister wird. Wicky spricht viereinhalb Sprachen.

Sie wohnen in der Stadt Bern. Wie oft werden Sie von den Bernerinnen und Bernern auf YB angesprochen?
Oft. Man spürt, dass die Leute sehr stolz auf ihren Klub sind. Die Begeisterung für YB ist gross: Überall sieht man Schals, Fahnen und Kappen in Gelb-Schwarz. Und dasselbe gilt auch andersrum: Wir sind sehr stolz auf unsere Fans. Ihre Unterstützung in dieser Saison war fantastisch.

Wie gross war der Druck, Meister werden zu müssen?
Letzte Saison war aus YB-Sicht mit Platz drei und 16 Punkten Rückstand auf den FCZ nicht zufriedenstellend. Klar wollte der Klub wieder an die Spitze zurück. Und ich wollte helfen, dies zu erreichen. Deswegen habe ich mir aber nicht mehr Druck gemacht.

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Hatten Sie vor Ihrem Engagement keine Angst, dass Sie scheitern können?
Nein. Ich habe YB nicht als Drohung gesehen, sondern als grosse Chance. Von aussen betrachtet hat der Klub in den vergangenen Jahren immer den Eindruck eines hervorragend geführten Vereins abgegeben, bei dem ruhig und strukturiert gearbeitet wird. Es wurde stets sehr gut kommuniziert. Da schien alles einen klaren Plan, eine Philosophie zu haben. Ich wusste vor dem ersten Gespräch: Passt es auch menschlich, werde ich das machen, sollte ich die Chance kriegen. Und es hat gepasst.

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«Es war nie das Ziel, alle bei Laune zu halten»
Raphael Wicky, YB-Coach
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Sie starteten mit einem Monster-Kader in die Saison. War das ein Problem?
Nein, es war klar, dass wir mit einem grossen Kader starten, den wir dann bei Bedarf verkleinern würden. Und so ist es auch gekommen: Bis Ende August haben wir Siebatcheu, Kanga und Lefort verkauft. Zudem sind Mambimbi, Jankewitz und Ngamaleu nicht mehr dabei. Im Winter haben wir auch Sierro verkauft. Die Grösse des Kaders war in der Rückrunde optimal.

Das Problem war eher die Qualität. Da sind 18 bis 20 Spieler im Kader, die wohl in allen anderen Klubs in der Super League Stammspieler wären.
Ja, wir haben einen sehr guten Kader mit Doppelbesetzungen auf jeder Position. Und viele haben den Anspruch, Stammspieler zu sein. Aber das ist gewollt.

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War es Ihre grösste Leistung, dass Sie es trotzdem geschafft haben, alle bei Laune zu halten?
Es war nie das Ziel, alle bei Laune zu halten. Aber ein ganz wichtiger Punkt für mich und meinen Staff war, dass wir alle unsere Egos auf die Seite schieben. Das «Wir» kommt vor dem «Ich». Wir wussten, wenn wir als Mannschaft arbeiten und einander helfen, haben wir viel grössere Chancen, unsere Ziele zu erreichen.

Und haben Sie es geschafft?
Wir alle zusammen haben das gut hingekriegt, das Lob gehört den Spielern und dem gesamten Staff. Wenns mal Ausbrecher gab, haben wir diese sehr schnell angesprochen. Das tolerieren wir nicht. Aber es ist klar, dass wir nicht jede Woche eine Stimmung haben wie auf einer Hochzeitsreise.

Verstehen Sie, wenn sich ein Spieler ärgert, wenn er nicht spielt?
Ich verlange sogar, dass er dann nicht zufrieden ist. Aber ich verlange auch, dass er die Situation akzeptiert und dass er sich in eine mentale Verfassung bringen kann, mit der er dem Team helfen kann. Positive Stimmung verbreiten, bereit sein. «Täubelet» ein Spieler, ist er selbst nicht bereit und stört auch alle anderen.

Um Torschützenkönig werden zu können, muss man spielen. Ihre Stürmer Nsame und Itten liegen vorne.
Der Verein, die Mannschaft hat Ziele und jeder Spieler hat auch individuelle Ziele. Für mich als Trainer sind die Ziele des Klubs wichtiger als diejenigen der Spieler. Wir wollen Meister werden. Ob da einer von uns Torschützenkönig wird oder im Team des Jahres ist, ist weniger wichtig. Es ist unsere Aufgabe, den Spielern klarzumachen, dass sie ihre individuellen Ziele besser erreichen, wenn wir als Team erfolgreich sind. Das ist nicht immer einfach. Aber es ist uns gemeinsam gelungen.

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«Ich habe keine enge Beziehung zu meinen Spielern»
Raphael Wicky, YB-Coach
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Sie wirken nach aussen immer ruhig und nett. Können Sie auch laut sein?
Ich kann laut sein. Ich war auch schon laut. Und sollte ich das Gefühl haben, Emotionen schüren zu müssen, werde ich auch wieder laut werden. Immer laut zu sein, bringt aber nichts: Dann bleibt die Wirkung irgendwann aus. Oft sind eher taktische Lösungen gefragt, dann versuche ich diese zu vermitteln.

Tönt, als muss man als Trainer ein guter Schauspieler sein?
Man muss authentisch sein, sich aber auch in eine Stimmung bringen können, damit die Emotionen, die du vermitteln willst, auch richtig rüberkommen. Ich würde das nicht schauspielern nennen. Ich probiere immer, mich selbst zu sein.

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Sie sind erst 45. Sind Sie zu Ihren Spielern mehr der Kumpeltyp?
Ich versuche nicht, einer von ihnen zu sein, wenn Sie das meinen. Ich habe keine enge Beziehung zu meinen Spielern und bin sehr wenig in der Spielerkabine. Das ist ihr Reich. Ich weiss noch gut, wie ruhig es bei uns Spielern früher plötzlich geworden ist, als der Trainer in die Kabine kam. Eine gewisse Distanz ist mir wichtig. Aber gewisse Interessen teile ich natürlich mit den Spielern. Ich versuche deshalb immer, zwischen Spieler und Mensch zu trennen.

Wie meinen Sie das?
Gehts um Fussball, bin ich der Vorgesetzte. Dann ist es direkt und dann wirds manchmal auch lauter. Das alles hat nur mit dem Spieler zu tun. Ich achte stets darauf, welchen Hut ich bei Gesprächen aufhabe. Den des Trainers oder den privaten Hut.

Im Sommer 2017 wurden Sie Trainer beim FC Basel. Wo haben Sie sich seither am stärksten weiterentwickelt?
Hoffentlich als Gesamtpaket. Ich erwarte von mir, dass ich mich in dieser Zeit als Mensch und auch fachlich weiterentwickelt habe. Ich denke, dass ich im Umgang mit dem Staff und den Spielern am meisten Fortschritte gemacht habe. Damals beim FCB bin ich direkt aus dem Nachwuchs gekommen und durfte auf einen Schlag fast 50 Leute führen. Das habe ich im Nachwuchs nicht gelernt. Nun bin ich klarer geworden. Wer hat welche Rolle? Was ist sein Pflichtenheft? Wie will ich kommunizieren? Was sind unsere Werte? Wie gehen wir miteinander um? Da bin ich sicher gewachsen und konsequent.

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Kann man solche Dinge wie Leadership nicht in Trainerkursen lernen?
Schwierig. Ein Trainer wird durch Erfahrung besser. Deshalb gibt es Trainer, die mit 60 oder 65 noch auf allerhöchstem Niveau sind. Roy Hodgson zum Beispiel hat jetzt 75-jährig Crystal Palace wieder auf Kurs gebracht.

Sie haben bei Basel den Sprung von der U21 zum Cheftrainer gewagt. Würden Sie jüngeren Trainern einen Zwischenschritt empfehlen?
Ich glaube nicht, dass eine Trainerkarriere im Detail planbar ist. Fussball ist so schnelllebig. Plötzlich ergibt sich eine Chance und dann musst du für dich selbst wissen, ob du sie wahrnimmst. Damals war Basel der erfolgreichste Klub der Schweiz, man hat mir das Vertrauen gegeben. Für mich war klar, dass ich das machen will.

Sie haben drei Jahre in der MLS in Amerika gearbeitet. Was haben Sie von dort mitgenommen?
Tolle Erfahrungen und Erlebnisse und viele Ideen. Was Datenanalysen und Statistiken betrifft, sind uns die Amerikaner weit voraus. Ich konnte aber vor allem auch meinen Horizont erweitern und eine neue Kultur kennenlernen.

Sind Sie in Amerika lockerer geworden?
Die Sportkultur ist komplett anders als in Europa. In Amerika gibt es eigentlich in keiner Sportart einen Absteiger oder Aufsteiger. Das heisst, dass man bei einer schlechten Saison höchstens die Playoffs verpassen kann. Hier in Europa geht es bei vielen Klubs um Existenzen. Als ich bei Bremen gespielt habe, wussten wir, dass bei einem Abstieg 20 bis 30 Menschen im Verein ihren Job verlieren würden, weil das Budget gekürzt werden muss. Dadurch ist die ganze Fan- und Sportkultur in Amerika weniger emotional als bei uns. Es ist mehr Show, Entertainment, eine unglaubliche Maschinerie. Es war toll und spannend.

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«Logisch, schaut sich der Klub in der Liga um»
Raphael Wicky, YB-Coach
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Was bedeutet das für die Arbeit eines Trainers?
In Amerika ist es üblich, dass man einem Trainer in der Regel zwei Jahre Zeit gibt, um sein Team zusammenzustellen, Transfers zu machen und seine Ideen einzubringen. Das haben wir hier in Europa nicht. Hier ist es viel schnelllebiger. Bei uns werden Trainer schon mal auch nach zwei Monaten entlassen, wenn die Resultate ausbleiben.

Zurück zum frisch gebackenen Meister YB. Werden Sie die restlichen Spiele nun auf die leichte Schulter nehmen?
Nein, Gewinnen fühlt sich besser an als verlieren. Das muss weiter unser Anspruch sein. Der eine oder andere Spieler wird aber sicher mehr Spielminuten bekommen, aber wir haben ja schon die ganze Saison immer wieder rotiert. Wir müssen im Rhythmus bleiben, der Cupfinal steht noch an. Das ist ein weiteres grosses Ziel: das dritte Double der Clubgeschichte zu holen.

Ihre Spieler sind auf dem Markt begehrt. Haben Sie Angst, dass Ihr Meisterteam im Sommer auseinanderfällt?
Nein. Fragen zur Kaderplanung müssen Sie jedoch Sportchef Steve von Bergen stellen. Ich bin zwar auch in der Planung involviert und über mögliche Abgänge informiert, mein Fokus liegt aber auf den nächsten Spielen.

Letzten Sommer hat YB mit Imeri von Servette und Ugrinic von Luzern Schlüsselspieler von Konkurrenten verpflichtet. Hat der Meister dies wieder vor?
Logisch, schaut sich der Klub in der Liga um. Und logisch, ist YB für Spieler, die in anderen Klubs überzeugen konnten, ein Thema. Sie werden sich die Frage stellen: Bin ich schon bereit für einen Auslandtransfer oder gehe ich erst einmal zum besten Klub der Schweiz? Und das ist nun mal YB.

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