Heimlicher Meistermacher
Das ist das Erfolgsgeheimnis von YB-Chapuisat

Wenn die Konfuzius-Weisheit, dass in der Ruhe die Kraft liege, im Schweizer Fussball irgendwo zutrifft, dann in Bern. Symbolfigur ist Stéphane Chapuisat, der heimliche YB-Meistermacher.
Publiziert: 18.04.2021 um 09:43 Uhr
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Aktualisiert: 20.04.2021 um 08:56 Uhr
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Er ist YB-Chefscout und der heimliche YB-Meistermacher: Stéphane Chapuisat.
Foto: Valeriano Di Domenico
Alain Kunz

Ganz so versteckt und heimlich geht er natürlich nicht durch, YB-Chefscout Stéphane Chapuisat (51) und 103-facher Nationalspieler und Champions-League-Sieger mit dem BVB, der für viele als bester Schweizer Fussballer aller Zeiten gilt. Ein Millionenpublikum sah ihm im Dezember 2020 zu, als er für die Uefa die Achtelfinal-Paarungen der Champions League zog.

Chappi ist das Auge von YB. Und der Mann, der bei einem potenziellen YB-Zuzug den Daumen rauf- oder runterhält. Dank seinem untrüglichen Auge hat YB ein Kader, bei welchem der Backup für eine Position regelmässig spielt, weil er nur kaum schwächer ist als die Nummer eins. So kann YB auch mal sieben Spieler hinausrotieren – und gewinnt dennoch. Letztes Beispiel: Die (vermeintlich) erste Garde verliert den Cup-Achtelfinal in St. Gallen 1:4. Die zweite schlägt dieselben Ostschweizer drei Tage später 2:0.

«Bei uns ist alles Teamarbeit»

Chappis Bekenntnis war für Spycher eine Grundbedingung, dass er den Job als Sportchef 2016 überhaupt antrat. «Ich fragte Stéphane, ob er das zu hundert Prozent durchziehen wolle. Er bejahte», erinnert sich Spycher. Seither habe der ehemalige BVB-Star bei YB massiv an Bedeutung gewonnen.

Chappis Urteil alleine reicht dennoch nicht. Spycher: «Bei uns ist alles Teamarbeit. Wir lassen Spieler immer von mehreren Leuten anschauen, um ein rundes Bild zu erhalten.» Es ist vor allem das Urteil von zwei weiteren Mitgliedern der YB-Sportkommission, welche in die Meinungsbildung einfliessen. Und beide strahlen ebenso viel Ruhe wie Chappi aus und ebenso viel Weisheit wie Yoda aus «Star Wars»: Ausbildungschef Gérard Castella (67), Ur-Genfer und letzter Servette- Meistertrainer. Und der Winterthurer Ernst Graf (72), Leiter der Sportkommission.

Graf sagte letztes Jahr zum «Berner Bär» etwas Bemerkenswertes über YB: «Neid ist hier ein Fremdwort.» Nicht nur fascht e Familie, die YB-Familie. Und, ja: Die beiden blitzcleveren Rentner sind ebenso Anti-Schwätzer wie Chappi.

Zuerst wird der Spielertyp festgelegt

Zurück zum Auge von YB, dem wegen seiner tiefen Transfer-Fehlerquote mehr unheimlichen als heimlichen Chefscout. Wie macht er das, dass er sich im Abschätzen des Potenzials von Spielern so selten trompiert? Wer da David Copperfieldsche Zaubertricks erwartet, liegt schon mal ganz falsch. Aber beginnen wir ganz vorne.

«Zuerst legen Trainer und Sportchef fest, welche Spielertypen wir suchen», erzählt Chappi. «Dann erstellen wir eine erste Liste, die wir bis auf rund drei Namen herunterkürzen. Den Entscheid, welchen Spieler wir dann verpflichten wollen, fällen wir gemeinsam. Da ist dann auch der Trainer dabei. Und natürlich gilt es die finanziellen Aspekte zu berücksichtigen. Da ist deshalb immer auch VR- Präsident Hanspeter Kienberger involviert.»

Ein fundamentaler Unterschied zum Beispiel zum FC Bayern, wo der Trainer nicht derart stark involviert ist. Geschweige denn zum FC Sion. Dort wird der eine oder andere Wunsch des Trainers zwar eins zu eins erfüllt, wenn es geht. Aber der Präsident stellt dem Coach auch immer wieder ungefragt Spieler hin.

Das Beispiel von Siebatcheu

Machen wir ein YB-Beispiel: Jordan Siebatcheu. Chappi: «Gefunden habe ich ihn, als ich einen anderen Spieler von Reims anschaute. Doch die erste Wahl ist für Schweizer Vereine oft nicht machbar. Auch Siebatcheu war ausserhalb unserer Preiskategorie. Ich behielt ihn weiter im Auge im Wissen, dass wir ihn wohl zuerst ausleihen müssen. Als das absehbar wurde, machte ich den ersten Kontakt. In diesem Fall flog ich nach Frankreich. Nach diesem Erstgespräch versuche ich zu beurteilen, ob das etwas für uns sein könnte. Wenn ja, lassen wir ihn nach Bern kommen. Da fällt dann der finale Entscheid. Es geht immer auch darum, den Menschen hinter dem Spieler zu erkennen und richtig einzuschätzen.»

Doch wie findet Chappi diese Spieler? Wie stellt er seine erste Liste zusammen? «Wir fahren mehrspurig. Für externe Scouts haben wir kein Budget mehr. Das wurde eingespart. In der Schweiz beobachten drei Leute die Spiele. Dann ist da mein Netzwerk. Weiter geben wir das gesuchte Profil an Berater weiter, von denen wir wissen, dass sie unsere Rahmenbedingungen kennen. Und ich tauche tief in die Datenbanken ein, vor allem Wyscout und InStat. Für die Vorauswahl haben diese Scouting-Plattformen massiv an Gewicht zugelegt, weil wir viel seltener in den Stadien sind als früher. Was handkehrum auch eine Risikominimierung mit sich bringt, denn es kam immer wieder vor, dass man wegen eines Spielers irgendwohin flog – und der dann nur die letzten fünf Minuten zum Einsatz kam.»

Das ist das Killerkriterium

Aber, und da werden bei YB keine Abstriche gemacht: «Der erste Kontakt mit dem Spieler findet physisch statt. Dieses persönliche Gespräch zur Beurteilung, ob ein Spieler zu unserer Philosophie passt oder nicht, ist unabdingbar.» Was ist da das Killerkriterium? «Da geht es um den Charakter des Spielers.»

Der Job des Chefscouts ist dann getan, wenn es um Verträge und Zahlen geht. Und dann kann Chappi die Spiele des eigenen Teams an der Seite von Spycher in aller Ruhe von der Tribüne beschauen, wie heute. Denn dieser Moment ist fast schon Entspannung für einen Chefscout.

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