FCSG-Profi Costanzo über die Zeit nach Corona
«Fussballer über 30 werden es künftig schwer haben»

Ob Geisterspiele oder Abbruch, der Schweizer Profifussball kämpft um seine Existenz. Profis erzählen, wie sie sich ihr Leben nach der Corona-Pandemie vorstellen, und verraten, was sie zurzeit bewegt.
Publiziert: 04.05.2020 um 14:29 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2020 um 14:56 Uhr
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Mit dem Leben nach der Aktivzeit beschäftigt sich Costanzo bereits jetzt intensiv.
Foto: zVg
Interview: Michael Wegmann

Vor ein paar Jahren galt auch Moreno Costanzo als eines der grössten Talente der Schweiz. Da war er ähnlich unbekümmert wie Von Moos heute. Mittlerweile ist er 32 und trägt als zweifacher Familienvater eine grosse Verantwortung.

Als noch Fussball gespielt wurde, pendelte er beim Überraschungsleader St. Gallen zwischen Bank und Tribüne. In den 23 Runden vor dem Lockdown stand er nie in der Stammformation des FCSG, dabei ist der Mittelfeldspieler mit den feinen Füssen mit seinen 60 Toren hinter den Stürmern Guillaume Hoarau und Raphaël Nuzzolo noch immer der drittbeste aktive Skorer der Super League. Sein Vertrag läuft diesen Sommer aus.

Moreno Costanzo, machen Sie sich Gedanken, wie es für Sie als Fussballer nach der Corona-Zeit weitergeht?
Moreno Costanzo: Ich habe mir schon vor der Corona-Zeit so meine Gedanken gemacht. Ich bin 32, Familienvater, mein Vertrag läuft im Sommer aus, und ich habe praktisch seit einem Jahr nicht mehr von Anfang an gespielt. Ich kann ja auch eins und eins zusammenzählen.

Und auf was sind Sie dabei kommen?
Dass es für den Profifussballer Costanzo in der Zukunft schwierig werden wird, auch wenn ich überzeugt bin, dass ich noch zwei, drei Saisons Super League in den Beinen hätte. Ich gehe davon aus, dass es Fussballer über 30 künftig schwer haben.

Warum?
Wir haben ein gewisses Palmarès, oft eine eigene Familie und deshalb auch gewisse Vorstellungen, was den Lohn betrifft. Doch die Vereine werden nach der Corona-Krise wirtschaftlich zu kämpfen haben. Geisterspiele hätten für Klubs grosse finanzielle Konsequenzen. Sie werden künftig noch mehr versuchen, junge Talente einzubauen. Den Teenagern, die oftmals noch zu Hause wohnen, kann man so eine tolle Plattform und leistungsbezogene Verträge mit einem tieferen Fixum und höheren Prämien offerieren.

Tönt einleuchtend.
Ja, klar. Und es ist daran auch überhaupt nichts Verwerfliches. Wäre ich in der Position eines Sportchefs, würde ich es ja auch genauso machen. Kommt hinzu, dass der Fussball immer athletischer und schneller wird. Heute sind junge Fussballer gefragt, die taktisch gut geschult sind, laufen können und sich nicht auflehnen.

So wie der FC St. Gallen es vor dem Unterbruch zelebrierte?
Viele Schweizer Vereine wollten schon davor das Spielsystem von RB Leipzig adaptieren. Das schnelle Umschalten, das vertikale Spiel, Pressing und Re-Pressing. St. Gallen hat es nun mit einer jungen Mannschaft konsequent und perfekt umgesetzt. Und weil es zudem so erfolgreich war, dürften noch mehr Klubs auf diese Schiene setzen. FCB-Präsident Bernhard Burgener hat ja länger schon öffentlich vom schnellen Umschaltspiel à la Leipzig geträumt.

Ist das nicht mehr Ihr Fussball?
Doch, ich würde mir auch dieses Spiel durchaus zutrauen. Aber die Super League ist eine klassische Ausbildungsliga. Das bedeutet, dass die Klubs junge Talente ausbilden müssen, um diese möglichst teuer verkaufen zu können. Es dürfte das einzige Geschäftsmodell sein, welches funktionieren könnte. Die Corona-Pandemie beschleunigt diese Entwicklung zusätzlich.

Könnte Corona also das Ende einer ganzen Spielergeneration beschleunigen?
Na ja, was weiss ich schon. Aber es könnte zumindest in diese Richtung gehen. Gut möglich, dass den Ü-30-Jährigen nur noch Einjahresverträge zu tieferen Konditionen offeriert werden. So nach dem Motto: «Unterschreib oder lass es!»

Haben Sie Alternativen bereit?
Ich habe schon länger einen Plan B.

Müssen Sie überhaupt noch arbeiten? Sie haben schliesslich jahrelang bei YB gespielt.
Ich habe in meiner Karriere gut verdient. Aber längst nicht so viel, dass ich nicht mehr arbeiten müsste. Das war aber auch nie mein Ziel.

Was ist Ihr Plan B? Fussballtrainer? Sportchef?
Ich kann mir vorstellen, dass ich im Fussballbusiness bleibe. Möglich ist aber auch, dass ich ins im Banken- oder Versicherungsgeschäft einsteige.

Simone Rapp: Lieber spielen als nur kassieren

Der 193 cm grosse Simone Rapp ist die grosse Ausnahme als Leihspieler. Denn normalerweise holen Fussballer in tieferen Ligen Spielpraxis. Doch der Mittelstürmer gehört dem Challenge-Ligisten Lausanne und stürmt für den FC Thun. «Das ist sicher speziell», sagt der Tessiner und lacht.

Noch spezieller ist die aktuelle Situation. Vor dem Lockdown liegt Rapp mit Thun auf dem Abstiegsplatz, Lausanne jedoch steht kurz vor dem Aufstieg. Dass Thun zu einem Meisterschaftsabbruch tendiert und sich Lausanne für Geisterspiele starkmacht, ist kein Geheimnis. Und Rapp? «Ich persönlich würde gerne spielen und alles daran setzen, dass wir mit Thun den Ligaerhalt schaffen. Ich gehe davon aus, dass Lausanne der Aufstieg nicht mehr zu nehmen ist. Aber ich verstehe auch, wenn Klubverantwortliche aus wirtschaftlicher Sicht für einen Abbruch sind. Viele Vereine werden finanzielle Probleme bekommen.»

Wie seine unmittelbare Zukunft nach der Corona-Krise ausschauen wird, könne er nicht sagen, sagt Rapp, zu viele Fragen seien noch offen. Fragen wie: Gehts weiter? Schafft Thun den Ligaerhalt?

Ziehen die Berner Oberländer für Rapp die Kaufoption? Geht er zurück nach Lausanne oder wird er erneut ausgeliehen? «Ich will mir all das gar nicht überlegen. Ich bin einfach sehr glücklich und froh, dass ich noch einen Vertrag bis Sommer 2021 habe. Würde dieser jetzt auslaufen, ich wäre nicht so locker. Denn es wird sicher nicht einfach, in dieser Zeit einen neuen Vertrag zu bekommen. Aber ich kenne Menschen, die grössere Probleme haben als wir Fussballer.»

«Ich liebe es, Fussball zu spielen»

Rapp will nicht Kaffeesatz lesen, er kennt die Unberechenbarkeit des Fussballbusiness schon von vor der Corona-Krise. «Ganz ehrlich, ich mache mir in diesen Tagen nicht die ganz grossen Gedanken. Ich arbeite an meiner Fitness und hoffe einfach, dass es gut kommt. Ich liebe es, Fussball zu spielen.»

Dass es ihm dabei nicht nur ums Geld geht, muss er nicht einmal sagen, das hat er längst bewiesen. Sowohl als Leihspieler bei St. Gallen wie jetzt bei Thun verdient er merklich weniger, als wenn er bei Lausanne geblieben wäre. Doch Rapp wollte lieber spielen als nur abkassieren.

Seit einigen Tagen hat er sein Homeoffice in sein Elternhaus nach Locarno verlegt. Da gibt es zwischendurch auch mal eine Wanderung ins Maggiatal, um den Kopf durchzulüften.

Der 193 cm grosse Simone Rapp ist die grosse Ausnahme als Leihspieler. Denn normalerweise holen Fussballer in tieferen Ligen Spielpraxis. Doch der Mittelstürmer gehört dem Challenge-Ligisten Lausanne und stürmt für den FC Thun. «Das ist sicher speziell», sagt der Tessiner und lacht.

Noch spezieller ist die aktuelle Situation. Vor dem Lockdown liegt Rapp mit Thun auf dem Abstiegsplatz, Lausanne jedoch steht kurz vor dem Aufstieg. Dass Thun zu einem Meisterschaftsabbruch tendiert und sich Lausanne für Geisterspiele starkmacht, ist kein Geheimnis. Und Rapp? «Ich persönlich würde gerne spielen und alles daran setzen, dass wir mit Thun den Ligaerhalt schaffen. Ich gehe davon aus, dass Lausanne der Aufstieg nicht mehr zu nehmen ist. Aber ich verstehe auch, wenn Klubverantwortliche aus wirtschaftlicher Sicht für einen Abbruch sind. Viele Vereine werden finanzielle Probleme bekommen.»

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Ziehen die Berner Oberländer für Rapp die Kaufoption? Geht er zurück nach Lausanne oder wird er erneut ausgeliehen? «Ich will mir all das gar nicht überlegen. Ich bin einfach sehr glücklich und froh, dass ich noch einen Vertrag bis Sommer 2021 habe. Würde dieser jetzt auslaufen, ich wäre nicht so locker. Denn es wird sicher nicht einfach, in dieser Zeit einen neuen Vertrag zu bekommen. Aber ich kenne Menschen, die grössere Probleme haben als wir Fussballer.»

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