«Ich bin wieder hungrig»
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Jean-Kevin Augustin nach Covid:«Ich bin wieder hungrig»

FCB-Stürmer Augustin litt an Long Covid
«Ich wollte nicht mehr Fussball spielen»

Warum Jean-Kevin Augustin (25) fast mit Fussball abgeschlossen hat, wieso er sich unverstanden fühlt. Und mit welchem Trainer der Franzose Probleme hatte.
Publiziert: 26.06.2022 um 00:54 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2022 um 12:30 Uhr
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Nimmt beim FCB einen neuen Anlauf: Jean-Kevin Augustin.
Foto: FC Basel 1893
Stefan Kreis aus Rottach-Egern

Jean-Kevin Augustin, dieser vor Kraft strotzende Muskelprotz, wird nachdenklich, als er im Trainingslager am Tegernsee über die härteste Zeit seines Lebens spricht. Long Covid. Die Karriere scheint zu Ende, bevor sie richtig angefangen hat. «Ich habe über eineinhalb Jahr lang gelitten, konnte nicht richtig rennen, war schnell müde, selbst beim Gehen. Ich war lange Zeit in ärztlicher Behandlung. Ich wollte nicht mehr Fussball spielen, weil ich es nicht mehr konnte. Ich hatte abgeschlossen», erinnert sich der neue FCB-Stürmer zurück. Im Winter vor zwei Jahren geht die Leidenszeit los, nur dank seiner Familie und seinen Freunden kriegt Augustin die Kurve.

Augustin braucht Vertrauen

Nun fühlt sich der 25-Jährige wieder fit. Und bereit, es im Fussballgeschäft noch einmal zu versuchen. Er hatte andere, lukrativere Angebote auf dem Tisch, aber in Basel hatte er von Anfang an ein gutes Gefühl: «Ich habe meine Ferien unterbrochen, um mich mit Alex Frei und David Degen zu treffen. Das ist meiner Meinung nach wichtig. Dass man sich in die Augen sieht, das ist eine andere Energie, als wenn man am Telefon spricht.»

Alex Frei sagt: «Der Hunger ist da bei ihm. Er will allen beweisen, dass er es noch draufhat.» Dass Augustin in den vergangenen zwei Jahren kaum spielte und seit über 30 Monaten auf einen Treffer wartet, bereitet dem FCB-Trainer keine schlaflosen Nächte: «Es wäre dramatischer, wenn er schon 30 wäre, aber er ist erst 25 Jahre alt.» Es gebe viele Spieler, die in ihrer Karriere eine falsche Ausfahrt erwischt hätten, so Frei. «Wichtig ist, dass wir ihm helfen, wieder auf die Strasse zu kommen. Es liegt aber an ihm.» Sein Stürmer sei derzeit noch bei circa 30 Prozent seines Leistungsvermögens. Augustin sagt: «Ich habe Hunger und ich will spielen.» Und er fügt an, dass das Vertrauen das Wichtigste für ihn sei.

Debüt mit Ibrahimovic

Wann immer er einen Trainer hatte, der bedingungslos auf ihn setzte, liefs wie geschmiert. Zu Beginn bei PSG unter Laurent Blanc zum Beispiel, als Augustin mit 17 für die erste Mannschaft debütierte. «Es war der Cup-Halbfinal gegen Saint-Etienne im Parc des Princes und ich sass auf der Bank, als Blanc mich fragte, ob ich Lust hätte, Fussball zu spielen. Ich habe mich fast nicht getraut Ja zu sagen, so schüchtern war ich.» Augustin wird eingewechselt und legt einem gewissen Zlatan Ibrahimovic gleich einen Treffer auf. «Erst wollte ich direkt schiessen, aber Ibra hat dermassen laut gebrüllt, dass ich abspielen soll.»

Nach 31 Pflichtspielen für PSG wechselt Augustin für 16 Millionen zu RB Leipzig, spielt dort unter Ralph Hasenhüttl eine gute erste Saison, ehe er unter dem neuen Trainer Ralf Rangnick Probleme bekommt. Der habe grossen Wert auf Disziplin gelegt, sagt Augustin. Und manchmal übersäuert. Nach einer Niederlage gegen RB Salzburg kriegt Augustin klubintern und medial aufs Dach, weil er vor dem Spiel mit seinem Handy gespielt haben soll. Dass die Meldung an die Medien ging und er hinterher aus dem Kader gestrichen wurde, kann Augustin bis heute nicht verstehen.

Eklat in der U-Nati

Für Schlagzeilen sorgt der Stürmer auch in der Heimat, weil er ein Aufgebot für die U21-Nati nicht wahrnimmt. «Es war eine lange Saison, ich war müde, angeschlagen und mein Klub, RB Leipzig, wollte nicht, dass ich zur Nationalmannschaft fahre.» Augustin fügt sich und kriegt hinterher Ärger mit dem Trainer der U21-Nati. Weil er nach Frankreich hätte fahren sollen, um sich dort medizinisch checken zu lassen, statt in Leipzig zu bleiben. «Das war alles ein grosses Missverständnis», sagt Augustin. Journalisten schreiben, er habe sich geweigert, für Frankreich zu spielen, dabei sei die Equipe Tricolore eine Herzensangelegenheit. «Dieses Trikot zu tragen, erfüllt mich mit Stolz. Frankreich ist mein Land, meine Heimat.»

Aufgewachsen ist Augustin in Paris, 16. Arrondissement, am rechten Seine-Ufer. Zusammen mit zwei Schwestern und einem Bruder. Die Eltern aber haben nicht viel mit Fussball am Hut, umso bemerkenswerter, was für einen Weg der Jüngste der Familie geht. Mit sieben tritt er dem FO Plaisir bei, zwei Jahre später gehts zur AC de Boulogne-Billancourt, mit zwölf zu Top-Klub PSG.

Als Teenager steht er vor der Wahl, die Schule abzubrechen und alles auf die Karte Fussball zu setzen. «Das hat meinen Eltern natürlich am Anfang nicht gefallen, es war schwierig, kompliziert, aber am Ende haben sie gesagt, ich solle meinem Traum folgen.»

Der führt ihn bis in die Champions League. Von da ist der 25-Jährige derzeit aber gleich weit entfernt wie der FCB. Entsprechend demütig gibt sich der einstige Top-Star nach seinem langen Ausfall: «Ich bin nicht als Retter zum FCB gekommen. Sondern, um der Mannschaft zu helfen.»

Die Qualität dazu ist zweifellos vorhanden.

Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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