FCB-Legende Beni Huggel über den Spagat zwischen Europacup und Super League
«Es braucht eine Trotzreaktion»

Drei Tage nach dem haarscharf verpassten Finaleinzug in der Conference League steht der FC Basel in der Liga unter Siegzwang. Klublegende Beni Huggel erklärt, wie der Turnaround in der Super League gelingen kann.
Publiziert: 21.05.2023 um 11:24 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2023 um 12:08 Uhr
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Benjamin Huggel absolvierte 400 Spiele für den FC Basel. Heute berät der 45-jährige Profisportler für die Zeit nach der Karriere und ist Fussballexperte beim SRF.
Foto: PIUS KOLLER
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Sebastian WendelReporter Fussball

Benjamin Huggel, müssen die FCB-Profis zwischen dem Halbfinal-Out gegen Fiorentina und der Rückkehr in den Ligaalltag zum Psychiater?
Benjamin Huggel:
(Lacht.) So weit würde ich nicht gehen. Aber klar: Für alle ist ein grosser Traum geplatzt. Die Chance, in einen Europacup-Final einzuziehen, war für die meisten wohl einmalig. Jetzt müssen sie sich schnell bewusst werden, dass das Tagesgeschäft trotz allem das Wichtigste ist. Dort brauchen sie Punkte, um auch im nächsten Jahr wieder internationale Abende wie in dieser Saison zu erleben.

Ein Sieg am Sonntag im Heimspiel gegen Lugano ist fast schon alternativlos, um die Saison auf einem Europacup-Startplatz zu beenden.
Sehe ich auch so, mit Blick auf die Tabelle sind drei Punkte Pflicht. Doch das wird eine sehr schwere Übung: Lugano ist gut im Strumpf, Basel mental und wohl auch körperlich angeschlagen.

Gretchenfrage: Wie gelingt es, den Schalter umzulegen?
Das ist wie immer nach Europacup-Nächten eine Frage des Willens. Die Beine werden gegen Lugano zu Beginn schwer sein, aber die Müdigkeit kann man rauslaufen. Es braucht im Kopf eine Trotzreaktion – nach dem Motto: jetzt erst recht!

Kann Heiko Vogel als Trainer helfen, die Spieler aufzurichten? Oder macht das jeder mit sich selber aus?
In erster Linie ist das die Aufgabe der Spieler. Enttäuschungen schnell zu verarbeiten und sofort wieder zu funktionieren, gehört zum Job eines Fussballprofis. Heiko kann da eine Hilfe sein, er weiss genau, welche Worte es jetzt braucht.

Für den Laien steht fest: Wer Fiorentina, Nizza und den türkischen Meister besiegt, sollte in den letzten drei Runden gegen Lugano, Servette und GC problemlos neun Punkte holen.
Wenn es so einfach wäre. Ich halte wenig von Vergleichen zwischen Teams und Wettbewerben. In den erfolgreichen FCB-Jahren kam die Frage auf: Kann die Mannschaft auch in der Serie A vorne mithalten? Solche Fragen stellt man sich vielleicht am Stammtisch, aber nicht, wenn man im Fussballgeschäft zu tun hat. Ob Super League oder Conference League – auf diesem Niveau ein Spiel zu gewinnen, ist jedes Mal aufs Neue eine schwierige Aufgabe. Beim FCB sollte man sich zum Beispiel fragen, wieso man zuletzt so viele Gegentore nach Standards kassierte – und wie man das gegen Lugano verhindern kann.

Ist eine Erklärung für die ungenügenden Auftritte in der Liga, dass für die FCB-Talente die Conference League wichtiger war?
Für die Spieler, die vom Ausland träumen, fühlt sich der Europacup eher wie ein Sprungbrett an. Aber auch in der Super League sitzen die Scouts auf der Tribüne. Und die schauen genau hin, wie sich ein Spieler im Ligaalltag verhält.

Zwischen den Fiorentina-Spielen verlor der FCB 1:6 in St. Gallen. Weil Trainer und Spieler im Kopf keinen Platz für die Liga hatten. Fahrlässig oder verständlich?
Eher fahrlässig. Weil man ja trotz Hinspielsieg in Florenz mit dem Ausscheiden rechnen musste. Und jetzt führt der Weg in den Europacup nur über die Liga.

Persönlich: Benjamin Huggel

Benjamin Huggel (45) spielte – mit Ausnahme eines zweijährigen Intermezzos bei Eintracht Frankfurt (2005-2007) – von 1998 bis zu seinem Karriereende 2012 beim FC Basel. Mit dem FCB gewann er sieben Mal den Meistertitel und fünf Mal den Schweizer Cup. In der Nati kam er insgesamt auf 41 Länderspiele (Debüt 2003 unter Köbi Kuhn). Nach seiner Aktiv-Karriere wurde der Familienvater Unternehmer («The Athletes Network»), zudem ist er bei SRF als Fussball-Experte tätig.

Benjamin Huggel (45) spielte – mit Ausnahme eines zweijährigen Intermezzos bei Eintracht Frankfurt (2005-2007) – von 1998 bis zu seinem Karriereende 2012 beim FC Basel. Mit dem FCB gewann er sieben Mal den Meistertitel und fünf Mal den Schweizer Cup. In der Nati kam er insgesamt auf 41 Länderspiele (Debüt 2003 unter Köbi Kuhn). Nach seiner Aktiv-Karriere wurde der Familienvater Unternehmer («The Athletes Network»), zudem ist er bei SRF als Fussball-Experte tätig.

Lassen Sie die Doppelbelastung als Ausrede für das Schwächeln in der Super League gelten?
Natürlich sind drei Spiele pro Woche anstrengend für Kopf und Körper. Gleichzeitig ist es ein Luxus, den man sich als FC Basel ja wünscht. Sich dann über die Anstrengung zu beschweren, ist mir zu einfach.

Angenommen, die Mannschaft bleibt zusammen: Wäre der FCB dann nächste Saison ein ernsthafter Meisterkandidat?
Das hängt stark auch davon ab, welches Kader YB zur Verfügung haben wird. Utopisch ist die Rückkehr ins Meisterrennen nicht. Dafür braucht es aber einen besonderen Effort. Angebracht fände ich Bescheidenheit, sprich erst einmal den nächsten Schritt machen. Und der wäre, bis zum letzten Spieltag Chancen auf den Meistertitel zu haben.

Wahrscheinlicher ist, dass Spieler wie Amdouni, Diouf und Pelmard weiterziehen. Welche Entwicklung trauen Sie dem Trio noch zu?
Amdouni hat international, auch in der Nati, sein riesiges Potenzial bewiesen. Er muss jetzt konstanter werden – in den heimischen Spielen gegen YB zum Beispiel wurde er von Zesiger komplett abgemeldet. Künftig muss er auch in solchen Spielen rausstechen. Diouf hat im Mittelfeld eine unglaubliche Dynamik, ihm traue ich einen steilen Weg nach oben zu. Schwächen hat er noch in der Übersicht und beim strategischen Verhalten, was bei seinem Alter aber nicht verwundert. Und Pelmard hat leider immer wieder unsaubere Abwehraktionen drin, die zu Gegentoren führen. Stellt er das ab, kann auch er es international weit bringen, technisch ist er hervorragend.

Heiko Vogel wird Ende Saison als Trainer zurücktreten, obwohl sich die FCB-Spieler das Gegenteil gewünscht haben. Wie gefährlich ist das für den neuen Trainer Timo Schultz?
Wenn es ihm gelingt, die Spieler hinter sich zu bringen, sehe ich da kein Problem. Wie das am besten klappt? Über die Resultate. Stimmen die nicht, kann man wieder eine Trainerdiskussion beginnen. Ob das etwas bringt, bezweifle ich. Langsam, aber sicher würde man sich dann ja im Kreis drehen.

Eine St.-Pauli-Legende beim FC Basel – passt das?
Wieso nicht? Schultz hat sich in Hamburg ein attraktives Profil als Trainer erarbeitet und hatte Erfolg. Jetzt kann er zeigen, dass ihm das auch in einer fremden Umgebung gelingt.

Zum Schluss nochmals zum Thema zu Beginn: Gewinnt der FC Basel am Sonntag gegen Lugano?
Ich hoffe sehr, aber es wird brutal schwierig.

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