Exklusiv! FCB-Boss Burgener über die Chaos-Tage
«Wir sorgten einmal mehr für die Unterhaltung – ich bedauere das»

SonntagsBlick enthüllt, dass Marco Streller am Mittwoch Trainer Marcel Koller freistellte. Hier spricht Basel-Boss Bernhard Burgener (61) – warum er Koller dann doch behielt und Streller daraufhin zurücktrat.
Publiziert: 16.06.2019 um 01:22 Uhr
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Aktualisiert: 17.06.2019 um 10:14 Uhr
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Basel-Präsident Bernhard Burgener nimmt im SonntagsBlick Stellung zum Chaos um seinen Verein.
Foto: TOTO MARTI
Andreas Böni

SonntagsBlick: Herr Burgener, warum tritt Marco Streller zurück?
Bernhard Burgener:
Marco verlässt uns auf eigenen Wunsch. Er hat zwei Jahre lang einen sehr guten Job gemacht. Wir sollten nie vergessen, dass der FC Basel unter ihm die erfolgreichste Champions-League-Saison aller Zeiten spielte – und wir danach mit Spielern wie Manuel Akanji und Mohamed Elyounoussi hohe Ablösesummen generieren konnten. Das ist mitunter sein Verdienst. Und wäre er nicht zurückgetreten, würde er heute noch Sportchef sein. Aber er hat sich anders entschieden.

Es sind turbulente Tage in Basel. Solche, die auch dem BLICK viel Schelte einbringen. «Koller weg – Rahmen steht bereit», titeln wir am Dienstag. Ein Fakt, der am Tag darauf bestätigt werden soll. Es ist jener verhängnisvolle Mittwoch, welcher die jüngste Geschichte über den Haufen werfen wird. Es sind Gespräche im Büro von Bernhard Burgener in Pratteln BL angesagt. Mit Marco Streller, CEO Roland Heri wie auch Marcel Koller und dessen Berater Dino Lamberti. In jenen Stunden kommt es zu grossen Diskussionen. Vorwürfe von der einen an die andere Seite. Die Koller-Partei moniert, dass Streller sowie sein Kaderplaner Remo Gaugler seit Monaten gegen den Trainer arbeiten. Der Basler Sportchef führt eine Reihe von Vorwürfen gegen den Trainer vor.

Herr Burgener, schildern Sie doch mal die Sitzung vom Mittwoch.
Wir analysierten die Saison 2018/2019, blickten voraus und besprachen die neue Saison 2019/2020. Wie man es überall macht. Ebenso war die Zusammenarbeit im Team ein Thema.

Der Plan hiess: Patrick Rahmen sollte neuer Trainer, Marcel Koller entlassen werden.
Die öffentliche Diskussion über unseren Trainer begann leider viel früher. Das war noch im alten Jahr vor den letzten Spielen. Das bedauere ich sehr.

Basel-Präsident Bernhard Burgener nimmt in seinem Büro in Pratteln alle Standpunkte entgegen. Es wird ruhig und kontrovers diskutiert.

Im Verlauf des Gesprächs spricht Marco Streller dann die Freistellung von Marcel Koller aus. Der Trainer – so berichten es Augenzeugen rund um das öffentliche Parkhaus im St. Jakob-Park – geht nach der Sitzung noch ins Stadion. Und verlässt das Parkhaus wieder mit Papierrollen unter dem Arm, sein Berater Dino Lamberti mit einer Tasche in der Hand. Weil Koller scheinbar schon sein Trainer-Büro und seinen Spind geräumt hat.

Lamberti sagt dazu: «Ja, wir waren im Trainer-Büro im St. Jakob-Park. Dies, weil Marcel Koller einige private Dinge holte.»

Herr Burgener, war es mit Ihnen abgesprochen, dass Marco Streller den Trainer entlässt?
Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich zu Internas keine Stellung nehme.

Ein Dementi ist das nicht.
Ich wiederhole: Ich behandle solche Dinge vertraulich.

Koller hatte schon seinen Spind und sein Trainer-Büro geräumt.
Wo Marcel Koller nach unserer Sitzung hinfuhr, wusste ich nicht.

Gut, dann sagen Sie uns, warum Sie am Donnerstagmorgen die Entlassung zurücknahmen.
Ich sage nichts zu Internas. Nur so viel: Wir werden weiterhin mit Marcel Koller zusammenarbeiten und in die neue Saison gehen. Es ist für uns der richtige Entscheid und zwar nicht nur für mich, sondern auch für die verantwortlichen Gremien des Klubs.

Welche Rolle spielte, dass eine Kündigung Kollers viel Geld gekostet hätte?
Das war nie ein Thema.

Sie haben Glück, dass mit Rahmen noch nicht alles unterschrieben war – auch wenn man mit Aarau und dem Trainer schon einig war.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber zu allfälligen, vertraulichen Gesprächen und Behauptungen in den Medien äussere ich mich nicht.

«Koller ist der richtige Entscheid»

War es ein fachliches oder menschliches Problem zwischen Streller und Koller?
Was wir im Team besprechen, ist vertraulich, und daran halte ich mich.

Koller wurden öffentlich veraltete Trainingsmethoden vorgeworfen. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ich habe das auch gelesen. Man darf nicht über die Journalisten verärgert sein. Sondern über diejenigen, die solche Gerüchte streuen. Man liest immer von FCB-internen Personen und anderen anonymen Quellen. Das gehört dazu. Aber das Schwierige ist einfach, dass viele Halbwahrheiten gestreut werden mit dem einzigen Zweck, eigene Interessen zu verfolgen. Und das muss jetzt einfach aufhören.

Der Klub gab öffentlich ein fürchterliches Bild ab. Aber FC Basel als FC Hollywood – das müsste Ihnen als Filme-Unternehmer doch gefallen.
Wir sind jetzt in der Sommer-Pause, in der es für die Journalisten nicht einfach ist. Wir sorgten einmal mehr für die Unterhaltung – ich bedauere das. Apropos Film: In einem guten Film stehen die Hauptdarsteller oft zehn Minuten vor dem Schluss in einer schwierigen Situation. Und dann gibts ein Happy End.

Die «Schweiz am Wochenende» schreibt, Sie seien kritisch gegenüber Rahmen gewesen, weil dieser von Georg Heitz beraten werde.
Das ist wieder so eine Behauptung. Von Bernhard Heusler und Georg Heitz durfte ich diesen tollen Klub übernehmen. Sie werden nie ein schlechtes Wort von mir über sie hören.

So wird dann auch der Freitag turbulent. BLICK verbreitet am Morgen, dass Koller Trainer bleibt – und fragt: «Tritt Streller nun zurück?» Am Nachmittag publizieren wir ein SMS von Streller an die Spieler: «Es bricht mir s’Herz, euch mitzteile, dass ich per sofort als Sportdirektor zruggträtt ... es sind 2-3 Sache passiert, won ich nit chan akzeptiere ... ich dank euch für die letschte zwei joor ihr sind tief in mim Herz. Bitte holet dä Chübel zrugg nach Basel. Ich bin in Gedanke bi euch ... Liebe Gruess.»

Kurz danach kommt das offizielle Communiqué mit dem Rücktritt. Es war klar für Streller, dass es nach seiner Einigung mit Patrick Rahmen kein Zurück mehr gibt.

Ist Streller von der Lohnliste?
Das ist vertraglich geregelt, wir halten alles ein und besprechen es zusammen.

Er schrieb den Spielern vor der offiziellen Verkündigung ein Abschieds-SMS.
Er hätte vielleicht besser gewartet, bis wir offiziell kommunizierten. Ich finde es aber auch unglücklich, wenn Menschen, denen er vertraut, sein Vertrauen missbrauchen und seine Nachricht an die Medien weiterleiten.

Marco Streller wurde immer wieder Kumpanei vorgeworfen. Hatten Sie Angst, dass er mit Rahmen einen weiteren Freund holt?
Ich vertraue Menschen grundsätzlich. Und als ich kam, freute ich mich, dass mit Marco Streller, Alex Frei und Massimo Ceccaroni Menschen im Klub waren, die sich gegenseitig schätzen. Sie verbindet eine unglaublich erfolgreiche Geschichte mit unserem Verein und sie bringen alle grosses Fussballwissen und Fachkompetenz mit. Und eines möchte ich festhalten: Dass wir alle mit Herzblut für unseren Verein, den FCB, arbeiten.

Auch Kaderplaner Remo Gaugler soll vor dem Aus stehen. Ist das korrekt?
Wir haben bisher keinen entlassen. Remo Gaugler gehört zu unserem Sportteam. Dass wir die Sportabteilung analysieren und uns neu aufstellen müssen, liegt auf der Hand.

Vergangenen Dezember empfängt Bernhard Burgener die Spieler bei sich im Büro in Pratteln. Sie beschweren sich über Trainer Koller – bis heute hängt dies wie eine Wolke über dem Verein. Koller habe die Mannschaft nicht mehr hinter sich, sagen viele hinter vorgehaltener Hand.

Herr Burgener, das war schon ganz schön naiv in jenem Moment.
Einen Punkt möchte ich vorab herausheben: Wenn Mitarbeiter mit mir das Gespräch suchen, dann stehe ich zur Verfügung. Das ist für mich selbstverständlich. Die Spieler baten mich um ein Gespräch. Aus zeitlichen Gründen bat ich sie nach Pratteln. Vielleicht war das ein Fehler, aber ich war kurz davor, an den Flughafen zu fahren und war unter terminlichem Druck. Wäre ich turnusmässig ins Joggeli in die Kabine gegangen, hätte es nicht so einen offiziellen Anstrich bekommen.

Inhaltlich hätte es nichts geändert.
Ich habe den rund elf Spielern zugehört und sie gebeten, sie sollen das Gespräch mit dem Trainer suchen und ihre Anmerkungen und Vorschläge direkt mit ihm besprechen. Das passierte auch – anders ist es nicht möglich, in 23 Spielen nur einmal zu verlieren und den Cupsieg zu holen. YB war diese Saison einfach besser, gerade in den Direktduellen.

Kollers Vertrag läuft in einem Jahr aus, nun ist er der starke Mann. Ist es sogar nun ein Thema, mit einer Verlängerung in die neue Saison zu gehen?
Unter gewissen Zielerreichungen verlängert sich der Kontrakt dann automatisch bis 2021.

Was für einen Mann suchen Sie als Streller-Nachfolger?
Wir erstellen ein Anforderungsprofil. Er muss zum Team passen und die sportliche Kompetenz mitbringen. Konkreter kann ich heute noch nicht werden.

Wie soll das gehen, wenn Streller weiter im Verwaltungsrat sitzt?
Einen Mann mit Marcos Geschichte für unseren Verein und seiner Erfahrung möchte ich gerne im Klub halten. Er wird uns weiterhin unterstützen, nicht mehr auf der operativen Ebene, sondern im Verwaltungsrat.

Wie ist die sportliche Zielsetzung für den FCB nun?
Wir wollen in die Gruppenphase eines europäischen Wettbewerbs. Und um den Meistertitel mitspielen. Und zum Schluss des Interviews möchte ich noch mit einem Ammenmärchen aufräumen.

Bitte.
Ich las immer wieder, dass Marco Streller Marcel Koller oder Raphael Wicky gar nicht wollte, dass er schon damals Patrick Rahmen bevorzugt hätte. Das stimmt einfach nicht: Jeden dieser Entscheide haben wir einstimmig gefällt.

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