Der Tag, an dem Sofa-Meister YB gefühlt Meister wurde, dieser Sonntag, ist ein völlig verrückter. Er beginnt morgens um zehn Uhr, als sich ein paar Nachtgespenster im Stade de Suisse einfinden zwecks Fahrt zum Spiel nach Zürich. Geschlafen haben einige nicht wirklich viel.
Ob es denn eine kurze Nacht gewesen sei, wird Jean-Pierre Nsame später gefragt. «Kurz? Nein lang natürlich! Mit wenig Schlaf...» Zumindest eine Pyro war im Spiel gewesen. Aber kaum Alkohol. Dazu sind die Jungs zu professionell.
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YB-Spieler wie Heringe in einer Räucherkammer
Das zeigt sich dann im hoch seriösen Herangehen ans Spiel im Letzigrund, der fest in Berner Hand ist. 16 372 Fans sind im Stadion. Die Hälfte wohl aus Bern. «Das hat es in der Geschichte des Schweizer Fussballs wohl noch nie gegeben, so viele Auswärtsfans an einem Spiel», wird Christian Fassnacht später in einem Anflug von Pathos sagen.
Die YB-Fans glänzen mit einer tollen Orchestrierung und einem 97-minütigen Gesangsvortrag. Weniger glanzvoll sind die Dutzenden Pyros, zahllosen Raketen und der schwarze und gelbe Rauch, der die Spieler nachvollziehen lässt, wie sich Heringe in einer Räucherkammer fühlen würden, so sie denn noch am Leben wären... Nach der zweiten schwarzen Wand muss Ref Fähndrich das Spiel gar für ein paar Minuten unterbrechen.
Nsame wie schon 2018 der Matchwinner
Doch die Unausgeschlafenen wirken keineswegs verschlafen. Sie siegen 1:0, obwohl sie zahlreiche Chancen liegenlassen. Abstinenzler Roger Assalé zum Beispiel. Oder Pyro-Fassnacht. Und das Tor fällt in der YB-Viertelstunde, durch den letztjährigen Meisterschützen Nsame, der damit auch im gefühlten Meistermatch 2019 der Matchwinner ist.
«Dieses Tor in den letzten 15 Minuten reflektiert die Saison irgendwie», sagt Trainer Gerry Seoane. Und weiter: «Das Team hat gezeigt, dass es sich verschiedenen Herausforderungen anpassen kann.» Zum Beispiel jener mit wenig Schlaf eine Topleistung zu erbringen, wird er wohl gemeint haben. «Wir sind auch dann die beste Mannschaft, wenn wir feiern», benennt es Thorsten Schick staubtrocken.
«Fassnacht ist ein Musterprofi»
Von Beginn weg dabei ist Fassnacht, der Pyro-Sünder. Es wurde zwar bei YB diskutiert, ihn zu suspendieren. Doch man hat sich dagegen entschieden. «Weil wir das Sportliche vom Nicht-Sportlichen trennen. Und weil Fassnacht ein Musterprofi ist», so Seoane. Einer, der sich in seinen zwei YB-Jahren nie auch nur das geringste hat zuschulden kommen lassen. Ausser vielleicht das Tor aus sieben Metern nicht zu treffen, wie am Sonntag.
Rihs gerät in die Schaumwein-Mühle
Nach 97 Minuten ist Schluss. Es beginnt die Feier mit den Fans im Stadion. Danach gibts die üblichen Champagnerduschen in der Garderobe. Auch Klubbesitzer Jöggi Rihs gerät in die Schaumwein-Mühle.
Er hatte nie Zweifel an einer starken Leistung seines Teams trotz Schlafmangel: «Das ist doch Ehrensache. Dann erst recht!» Er selber blieb mit seiner Familie in Zürich. «Wir müssen uns ja kräftemässig vorbereiten, dass wir am 25. Mai bei der Pokalübergabe voll da sind.»
7000 Fans empfangen die YB-Stars
Anders das Team. Die fuhren nach Bern. Mit dem Car direkt ins Stade de Suisse. 7000 Fans sind dort. Wohl jene 3300, die schon beim Public Viewing im Wankdorf waren. Dann die Hardcore-Fans, die aus Zürich zurückkamen. Und viele weitere, die eigens an einem Sonntagabend für den Empfang ihrer Heroen ins Stadion gepilgert sind. Als erster steigt Captain Steve von Bergen aus dem Car.
Emotionsgeschüttelt. Auch, weil er Ende Saison seine Aktivkarriere beendet. Dann bald Seoane, der wild mit einer Champagnerflasche um sich spritzt. Das ist dann für den Kontrollfreak schon fast ein Contenanceverlust, solche Ausgelassenheit.
In die Mayo-Tube läuft er mit Rollköfferchen ein. Inhalt? «Vier Hemden. Dass man nach jeder Champagnerdusche wieder trocken ist. Schliesslich weiss man als alter Hase, wie das läuft», sagt er später in der Valiant-Lounge zu BLICK.
Assalé ist soeben Vater geworden
Viele Stories werden in der Berner Affenkälte erzählt, als alle Meisterhelden einzeln vorgestellt werden. So jene, dass Roger Assalé auf der Rückfahrt seinen Kollegen eröffnet hat, dass er eben Vater eines Mädchens geworden ist. Was er – wie Kollege Moumi Ngamaleu – mit einem stilechten Flikflak feiert.
Oder wie der Streit um den DJ-Job beinahe eskaliert. Fraktionen: Nord- gegen Südländer. Rädelsführer der Nordisten: Ösi Schick, sekundiert von Michel Aebischer. «Manchmal übergibt mir Gui das Telefon und dann kann ich die alten Ballermann-Hits laufenlassen. Pflicht ist dabei Andreas Gabaliers Hulapalu», sagt Schick. Immerhin hielten sich Hoarau und Co. bei Schicks Gesangskostprobe des Ösi-Hits nicht die Ohren zu. «Denn die mit afrikanischen Wurzeln finden unseren Sound nicht so lustig», ergänzt Aebischer.
Die YB-Songs dominieren
Doch an jenem Abend dominieren eh die YB-Songs: «Gäubschwarz». «We love you». Etc. Und der natürliche Zeremonienmeister ist der lange Franzose, der mit einem Velo ins Stadion eingefahren ist. «Gesponsert von BMC und nicht etwa in der Meisternacht geklaut», wird Mediensprecher Albert Staudenmann, zu dessen Ehren ein Happy Birthday angestimmt wird, später in der Lounge sagen.
Spieler zu müde zum feiern
Da sind dann schon ganz viele Spieler nicht mehr dabei. Schlicht zu müde, um noch weiter Party zu machen. Für die Festnudeln Von Ballmoos, Mbabu, Wölfli (an der Präsentation wie schon in der Garderobe stilecht mit links Zigarre und rechts Champagnerflasche in der Hand), Hoarau und Co. hingegen könnte es eine zweite lange Nacht gegeben haben. Und es ist nicht die letzte im Meisterjahr Nummer zwei von YB.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Lugano | 18 | 6 | 31 | |
2 | FC Basel | 18 | 21 | 30 | |
3 | FC Lausanne-Sport | 18 | 9 | 30 | |
4 | FC Luzern | 18 | 3 | 29 | |
5 | Servette FC | 18 | 2 | 29 | |
6 | FC Zürich | 18 | -1 | 27 | |
7 | FC Sion | 18 | 4 | 26 | |
8 | FC St. Gallen | 18 | 6 | 25 | |
9 | BSC Young Boys | 18 | -4 | 23 | |
10 | Yverdon Sport FC | 18 | -12 | 17 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 18 | -10 | 15 | |
12 | FC Winterthur | 18 | -24 | 13 |