«Müssen diszipliniert, aber auch frech auftreten»
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Sforza vor Europa-League-Spiel:«Müssen diszipliniert, aber auch frech auftreten»

Ciriaco Sforza im Interview
«Auch Oliver Kahn hat mir gratuliert»

Die Unruhen und Ränkespiele rund um den FC Basel nehmen kein Ende. Mittendrin: Neutrainer Ciriaco Sforza (50), der kühlen Kopf bewahren muss. Und heute gegen Famagusta vor dem nächsten «Schicksalsspiel» steht.
Publiziert: 24.09.2020 um 01:25 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2020 um 09:17 Uhr
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Ciriaco Sforza hat mit dem FCB Grosses vor.
Foto: TOTO MARTI
Felix Bingesser, Stefan Kreis (Interview) und Toto Marti (Fotos)

BLICK: Ciriaco Sforza, ist es nicht etwas unfair, wenn man als neuer Trainer anheuert und in den ersten 20 Tagen permanent mit den Unruhen rund um den Klub konfrontiert wird?
Ciriaco Sforza: Ich weiss nicht genau, was in der Vergangenheit alles passiert ist. Und ich habe auch keine Lust, mich damit zu beschäftigen. Meine Aufgabe ist es, nach vorne zu schauen.

Aber man hätte als Trainer doch gerne Stabilität und Ruhe im Klub und im Umfeld. Damit man sich voll auf den Sport fokussieren kann?
Das machen wir ja! Ich spüre eine positive Energie und keine Unruhe. Die wird vor allem von aussen an uns herangetragen. Als ich kam, habe ich gelesen, dass alle Spieler den Verein verlassen wollen. Aber intern habe ich das nie so wahrgenommen. Der FCB ist noch immer der FCB. Die Spieler wollen hier bleiben und mit dem Klub Erfolg haben.

Der FCB hat die Verträge von Taulant Xhaka, Valentin Stocker und Ricky van Wolfswinkel verlängert. Alle drei sind Sympathieträger bei den Fans. Haben Sie diese Entscheidungen mitgetragen oder ging es dabei um eine Charme-Offensive der Führung, um die Fans zu beruhigen?
Nein, das waren rein sportliche Entscheide. Ich wollte alle kennen lernen und habe dann meine Empfehlung abgeben. Alle drei sind enorm wichtige Spieler. Der Präsident und der Vorstand haben mir dann in diesen Fragen das letzte Wort gegeben. Das ist eine grosse Verantwortung.

Sind Sie Sportchef und Trainer in Personalunion?
Ich bin der Cheftrainer und ich habe eine Mitverantwortung für die sportliche Entwicklung. Ich muss mir ein Bild machen, mit welchen Spielern und mit welchen Menschen ich in die Zukunft gehen will. Ich finde es richtig, dass ein Trainer solche Kompetenzen hat, denn schlussendlich arbeitet der Trainer jeden Tag mit eben diesen Spielern auf dem Platz.

Ein Trainer muss kurzfristig Erfolg haben, ein Sportchef denkt mittel- und langfristig. Ist das vereinbar?
Auch ein Trainer muss längerfristig denken. Schauen Sie sich die Jungen an. Marchand, Von Moos, Pululu, Bunjaku und viele mehr. Ich arbeite gerne mit Spielern, die langfristige Perspektiven haben.

Als Spieler haben Sie bereits wie ein Trainer gedacht. Und jetzt als Trainer denken Sie bereits wie ein Sportchef?
Ich muss doch schauen, dass ich ein Kader habe, das Perspektiven hat. Der Verein suchte einen Trainer, der mit Jungen arbeitet. Aber ich muss schauen, dass die Mischung stimmt. Wir haben ein Konzept und eine Strategie für die nächsten Jahre und klar, am Ende zählt auch der Erfolg.

Stichwort Erfolg: Gegen Famagusta gehts in der Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League bereits wieder um alles oder nichts. Spüren Sie den Druck?
Natürlich ist ein gewisser Druck da. Aber ich muss ruhig bleiben, von Spiel zu Spiel schauen. Wir hatten keine Vorbereitung, kaum Testspiele. Es ist bloss ein Spiel. Die Tagesform entscheidet.

Die Schweiz ist in der Uefa-Wertung abgerutscht. Rang 17. Hinter Zypern. YB verliert gegen den dänischen Meister. Ist der Schweizer Fussball so schlecht?
Man muss vorsichtig sein. Nehmen wir YB. Die haben Ende August noch den Cupfinal gespielt, der Gegner aber hatte Erholungszeit, eine richtige Vorbereitung. Und er durfte zuhause antreten. Dann hast du bloss ein Spiel und es geht um alles oder nichts. Das finde ich nicht in Ordnung. Die KO-Spiele müssten auf einem neutralen Platz stattfinden.

Unabhängig von diesem Spiel haben Schweizer Klubs in den letzten Jahren international nicht gut ausgesehen.
Der FCB schon. Ich freue mich über jeden Sieg eines Schweizer Klubs. Und ich bin überzeugt, dass die Super League genug Qualität hat um auch international konkurrenzfähig zu bleiben.

Ihr Goalie, Djordje Nikolic, hat sich gegen Vaduz einen groben Bock geleistet. Wird er gegen Famagusta trotzdem spielen?
Ich habe klar gesagt, dass Nikolic meine Nummer 1 ist und Heinz Lindner die 2. Bislang hatte ich zwei Pflichtspiele als FCB-Trainer. Gegen Osijek hat Nikolic sehr konzentriert gespielt. Gegen Vaduz macht er einen groben Fehler, darüber müssen wir nicht diskutieren. Aber ich werde ihm doch deswegen nicht das Vertrauen entziehen.

Haben Sie ein Einzelgespräch mit ihm geführt?
Absolut. Es ist meine Aufgabe, ihn positiv zu unterstützen. Aber es hat nicht lange gedauert. Weil er selber weiss, dass er einen Fehler gemacht hat. Hinten kein Risiko, Ball nach vorne und die Geschichte ist beendet.

Stützen Sie Nikolic auch deshalb, weil es ein fatales Zeichen an andere junge Spieler wäre, wenn man nach einem Fehler gleich auf die Bank muss?
Das ist nicht meine Art. Ich unterstütze jeden Spieler, der mit Leidenschaft dabei ist. Vertrauen ist das Wichtigste.

Wie schätzen Sie Famagusta ein?
Das ist eine erfahrene Mannschaft mit vielen Ausländern. Sie können Fussball spielen und sind stark bei ruhenden Bällen. Die haben grosse Leute drin, aber eigentlich will ich gar nicht gross über den Gegner sprechen sondern mich auf meine Spieler konzentrieren.

Mit Kevin Bua und Noah Okafor hat man Tempo und Dribbelstärke verloren. Jetzt kehrt der spektakuläre Edon Zhegrova zurück. Sind Sie zufrieden mit dem Kader?
Wenn alle fit sind, dann haben wir eine gute und interessante Mannschaft. Mit vielen taktischen Möglichkeiten. Ganz grundsätzlich muss man verschiedene Systeme spielen können. Aber unabhängig vom System ist die Grundeinstellung zentral. Wir wollen früh angreifen und schnell umschalten. Dafür braucht man auch Tempo, vor allem auf den Seiten. Zhegrova bringt das mit.


Haben Sie Angst, noch Schlüsselspieler wie Omar Alderete zu verlieren?
Angst nicht. Vor allem auch, weil der Präsident klipp und klar gesagt hat, dass allfällige Abgänge auch kompensiert werden.

Mit Patrick Rahmen hat der FCB einen neuen Assistenztrainer verpflichtet. War das Ihr Wunsch?
Wir hatten eine Liste mit Namen. Da war Rahmen dabei. Er war mein Wunschkandidat. Ich kenne Patrick schon länger, bin mit der Familie Rahmen befreundet. Ich habe zusammen mit Patricks Bruder Mischa bei GC gespielt und mit ihm zusammen die RS gemacht.

Warum brauchen Sie einen zweiten Assistenztrainer?
Als eine Art Verbindungsglied zwischen der ersten Mannschaft und der Nachwuchsabteilung. Er trainiert zusätzlich mit den Jungen, ist aber jeden Tag mit mir auf dem Platz. An den Spielen wird er nicht auf der Bank sein, sondern auf der Tribüne die Spiele analysieren.

Hat Präsident Bernhard Burgener leer geschluckt, als Sie ihm Rahmen vorgeschlagen haben?
Nein, wieso denn?

Weil Rahmen vor einem Jahr fast FCB-Trainer geworden wäre und nach der Absage der Klubführung Marco Streller als Sportdirektor zurückgetreten ist. Keine Angst, dass ihnen Rahmen jetzt im Nacken sitzt und ihr dereinst ihr Nachfolger wird?
Patrick ist eine loyale, starke Person mit Charakter. Jetzt zu spekulieren, dass Rahmen mein Nachfolger werden könnte, ist nicht fair. Ihm, aber auch mir gegenüber nicht. Angst ist zudem kein guter Berater. Ich will die besten und Leute am richtigen Platz. Patrick hat mir klar gesagt, dass er keine Ambitionen auf den Cheftrainerposten hat.

Sie sagten einmal, dass Sie nur noch Jobs annehmen, wo Sie das totale Vertrauen spüren. Haben sie das in den Gesprächen mit Präsident Burgener gespürt?
Absolut. Er ist mit dem Herzen dabei und gibt alles für den Verein. Ich habe ihn auch eingeladen mit den Spielern zu frühstücken und das hat er gerne gemacht. Er gibt mir Vertrauen und ich spüre seine Freude an der Mannschaft. Und das ist die Basis, um vernünftig und erfolgreich arbeiten zu können.

Marcel Koller hatte ein Millionensalär. Im Gegensatz zu ihm sind Sie eine günstige Lösung.
Eine günstigere Lösung hat nichts mit Qualität zu tun. Mir gehts um den Job, um den Fussball und um die Leidenschaft. Und nicht um Geld.

Haben Sie den Puls der Fussballstadt Basel schon gespürt?
In der Stadt war ich noch nicht gross, aber ich weiss natürlich, was hier abgeht. Obs negative oder positive Schlagzeilen gibt, die Stadt lebt vom Fussball. Das ist vergleichbar mit Kaiserslautern, wo eine ganze Region sich mit dem Verein identifiziert.

Haben Sie Reaktionen aus Deutschland erhalten, als Sie FCB-Trainer geworden sind?
Ich habe von überall Reaktionen bekommen. Oli Kahn hat sich gemeldet und mir gratuliert. Auch Oliver Kreuzer oder Javier Zanetti, mit dem ich bei Inter Mailand gespielt habe. Es gab sehr viele Reaktionen. Der FC Basel ist international eine Nummer.

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