Badstuber über seine vielen Karriere-Rückschläge
«Ich trage meine Narben davon – nicht nur am Körper»

Seine ungeheure Verletzungshistorie, smartes statt hartes Training, Spassvogel Shaq, Kumpel Schweini und eine verrückte erste Begegnung mit Louis van Gaal: Ex-Bayern-Verteidiger und FCL-Neuzugang Holger Badstuber (32) im grossen Interview.
Publiziert: 15.08.2021 um 12:31 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2021 um 12:35 Uhr
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Neu in der Luzerner Swissporarena heimisch: Ex-Bayern-Star Holger Badstuber.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Marco Pescio

Holger Badstuber, die Kapellbrücke, das Löwendenkmal, das KKL – oder ganz einfach: der Vierwaldstättersee. Sind das bereits Begriffe für Sie?
Holger Badstuber: (Schmunzelt.) Teilweise, ja. Ich werde sicherlich noch dazukommen, ein paar Dinge genauer zu erkunden. Ich finde das wichtig, dass man sich mit dem Verein und mit der Stadt, in der man spielt, auseinandersetzt.

Sie haben auch sehr schnell eine Wohnung im Raum Luzern gefunden.
Ja, das gehört für mich zum Einleben dazu. Ich habe lieber zwei, drei stressige Tage – und dann ist das abgehakt.

Die USA, China oder Saudi-Arabien hätten es ja auch werden können. So mancher Fussballer mit Ihrem Standing wechselt gegen Ende der Karriere gerne mal dorthin. Warum Sie nicht?
Die sprachliche Barriere ist hier nicht so gross. (Lacht.) Ich finde die Schweizer Liga interessant, sie hat viele gute Spieler herausgebracht. Und sie hat einen Spielstil, bei dem ich, so glaube ich, meine Stärken einbringen kann. Es hat sich einfach gut angefühlt, nach Luzern zu kommen.

Geld spielte bei Ihrer Wahl also eine untergeordnete Rolle?
Ich verstehe den Faktor Geld nicht. Für mich steht er definitiv nicht an erster Stelle. Das entspricht nicht mir.

Sie haben zuletzt viel Anerkennung von den VfB-Fans erhalten, dass Sie trotz Rückstufung in die zweite Mannschaft von Stuttgart nicht den Stinkstiefel gespielt, sondern sich voll reingehängt haben.
Nun, ich hatte schon etliche schwierige Situationen in meiner Karriere. Zuletzt hatte man mich in Stuttgart in eine solche manövriert. Aber ich stelle mich den Umständen immer. Wenn ich was beginne, bringe ich es auch zu Ende. Wenn man mich kennt, ist das keine Überraschung, dass ich es so durchgezogen habe. Trotzdem bin ich froh, dass ich jenes Kapitel gut beenden konnte und jetzt eine neue Herausforderung habe.

Drei Spieltage sind durch. Welche Eindrücke haben Sie bislang gewonnen von der Liga?
Sie ist sehr offensiv. Umso wichtiger ist die Defensivarbeit, was dann ja meine Aufgabe wäre.

Sie haben gleich im ersten Spiel gegen YB (3:4) das entscheidende Luftduell mit Jordan Siebatcheu verloren, zuletzt mussten Sie nach dem Spiel gegen den FCZ (1:3) viel Kritik einstecken...
Das Luftduell gegen YB kann ich sicher für mich entscheiden, man muss aber auch sagen, dass es gut gespielt war. Ich brauche sicher noch etwas Zeit, um den Rhythmus zu finden. Und als Mannschaft können wir mit dem Start sicher nicht zufrieden sein.

Wie gehen Sie mit der harschen Kritik an Ihrer Person um?
Kritik nehme ich an, wenn sie konstruktiv ist. Jetzt gilt es einfach, weiter hart zu arbeiten.

Wie schaltet Holger Badstuber nach solch aufreibenden Arbeitstagen ab?
(Deutet auf die Berge in der Ferne.) Natur pur! Spazierengehen, Radfahren, mit meinem Hund Chino rausgehen. Das hilft mir, ein wenig runterzufahren. Ich bin privat ein entspannter Typ.

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Eindrücke aus Holger Badstubers Karriere. Klicken Sie sich durch die Galerie!
Foto: imago/Bernd Müller

Als Bayern-Star dürfte das Entspannen wohl eine grössere Herausforderung gewesen sein, weil der Rummel um Sie gross war.
Ja, die Medienwelt ist immer schnelllebiger geworden. Je grösser der Verein, desto grösser der Rummel. Damit konnte ich aber umgehen. Ich bin meine eigene Linie gefahren. Ich lege viel Wert auf die Privatsphäre. Und das werde ich auch weiterhin tun.

Wenn wir gleich bei jener Zeit bleiben. Zu welchen Bayern-Weggefährten haben Sie heute noch Kontakt?
Zu Jérôme Boateng, ein bisschen zu Thomas Müller. Und natürlich zu Bastian Schweinsteiger, der einer meiner engsten Freunde ist. Wir sehen uns wegen der Distanz leider nicht viel, hören uns aber sehr oft.

Mit Xherdan Shaqiri sollen Sie sich damals auch bestens verstanden haben.
Ja! Er war mein Spind-Nachbar. Ein super Kicker, guter Kollege und vor allem ein lustiger Kerl. Wir sassen täglich nebeneinander. Ab und zu tauschen wir uns noch auf Social Media aus.

Sie haben auch Trainer-Grössen wie Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Carlo Ancelotti, Pep Guardiola – oder Jogi Löw in der Nationalmannschaft – erlebt. Wer hat Sie am meisten geprägt?
Ich denke, das war Louis van Gaal. Er hatte mich damals ins Profi-Fussballersein reingeschmissen. Er vertraute mir. Doch all diese Trainer haben etwas Besonderes, sonst wären sie nicht so grosse Namen geworden.

Mit Van Gaal gibts die Anekdote, dass er sich beim ersten Treffen mit Ihnen – damals waren Sie gerade mal 20 – fünf Zentimeter vor Ihrem Gesicht aufgebäumt und sich vorgestellt hat.
Er ist eine Respektsperson. Autorität pur! Ich glaube, mit der ersten Begegnung wollte er mir das gleich mal darstellen. Aber es war ein Geschenk für mich, mit solch einem tollen Trainer zusammenzuarbeiten. Ich habe in jener Saison über 50 Spiele gemacht.

Eine grosse Zahl im Vergleich mit späteren Jahren, die von schweren Verletzungen und vielen Rückschlägen geprägt waren. Haben Sie sich niemals gefragt: Warum triffts schon wieder mich?
Das wäre vergeudete Zeit gewesen. Klar, jene Phase war lange und intensiv. Ich trage meine Narben davon. Nicht nur am Körper. Aber ich bin da durchgegangen – und bin nun heute eben der Spieler mit dieser Historie. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Das bin ich.

Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, einen Schlussstrich unter Ihre Karriere zu ziehen?
Niemals. Ich habe immer noch viel Leidenschaft für den Fussball in mir und möchte jetzt meine Erfahrung weitergeben. Schmerzen gehören in der Karriere dazu. Heute höre ich noch mehr auf meinen Körper. Ich trainiere smart statt hart.

Sie tun dies nun beim FCL, der in diesem Sommer einige Veränderungen vorgenommen hat. Schlussfrage: Was ist möglich mit diesem Team?
Wir tun gut daran, Stück für Stück zu gehen. Der Trainer fördert und fordert uns. Das tut der Mannschaft sehr gut. Der Cupsieg letzte Saison hat bei den Spielern einen Hunger auf Titel ausgelöst. Ich kenne das. (Lacht.) Damit kann ich mich gut identifizieren. Das Sieger-Gen bringt man nicht mehr aus mir raus.

Das sagt FCL-Legende Schwegler zu Badstuber und Gentner
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So gut sind die Luzern-Oldies:Das sagt FCL-Legende Schwegler zu Badstuber und Gentner
Credit Suisse Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Zürich
FC Zürich
14
7
26
2
FC Basel
FC Basel
14
20
25
3
FC Lugano
FC Lugano
14
6
25
4
Servette FC
Servette FC
14
2
25
5
FC Luzern
FC Luzern
14
4
22
6
FC St. Gallen
FC St. Gallen
14
6
20
7
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
14
2
20
8
FC Sion
FC Sion
14
0
17
9
BSC Young Boys
BSC Young Boys
14
-5
16
10
Yverdon Sport FC
Yverdon Sport FC
14
-10
15
11
FC Winterthur
FC Winterthur
14
-21
11
12
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
14
-11
9
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