«Wollen unterhaltsamste Fussball-Liga der Welt sein»
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Saudis haben grosse Ziele:«Wollen unterhaltsamste Fussball-Liga der Welt sein»

Saudi-Arabiens gigantische Pläne im Sport
«Es gibt kein Limit für uns»

Cristiano Ronaldo war nur der Anfang: Saudi-Arabien wirft mit Fantasiebeträgen um sich – und bewegt sich im Zuge seines Wandels auf einer Skala von charmant bis gnadenlos. Ein Besuch im umstrittensten Sportland der Welt.
Publiziert: 08.12.2023 um 00:15 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2023 um 16:27 Uhr
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Über 50'000 Fans machen Lärm beim Riad-Derby zwischen Al-Hilal und Ronaldo-Klub Al-Nassr.
Foto: STEFAN BOHRER

Hotel-Portier Malik grinst verschmitzt und sagt: «Klar, mit Geld ist alles möglich.» Zwar bezieht sich seine Aussage nur auf die Frage, ob der bestellte Taxifahrer womöglich einen Extra-Umweg fahren könnte. Doch als er beim Warten an diesem schwülen Abend in Dschidda locker über den Fussball plaudert – von Cristiano Ronaldo über Arsenal und Granit Xhaka bis hin zu den formstarken Leverkusener –, gibt er rasch zu verstehen: Auch in diesem Geschäft regiert, wer die nötigen Saudi-Riyal auf dem Konto hat.

Saudi-Arabien ist gerade im Begriff, die bisherigen Machtstrukturen im Weltfussball, ja im Weltsport, zu verschieben. Der durch seine Erdölgeschäfte reich gewordene Wüstenstaat investiert gigantische Beträge – und hat noch gigantischere Pläne. Der Topf, aus dem er scheinbar nach Belieben schöpfen kann, heisst Public Investment Fund (PIF). Er ist gemäss öffentlichen Zahlen mit 610 Milliarden Franken gefüllt. Und schon in sechs Jahren soll er 1,75 Billionen Franken schwer sein. Überspitzt gesagt, kaufen die vom Staat unterstützten Unternehmen und Vereine alles und jeden auf, der sich einem verlockendem Saudi-Angebot nicht verwehren kann. Und das sind längst nicht mehr nur alternde Stars wie Ronaldo (38) oder Karim Benzema (35).

Die Saudis haben mit der LIV-Tour bereits den Golfsport revolutioniert, mit Dschidda ein Bein im Formel-1-Business und mit dem übernommenen Traditionsklub Newcastle United Einfluss in der Premier League. All dies ist in den Augen des hochambitionierten Königreichs erst die Initialzündung. Durch ein gewieftes Vergabemanöver der Fifa dürfte es im kommenden Jahr den Zuspruch für die Fussball-WM 2034 erhalten. Mitbewerber gibt es keine.

Eigentlicher Antreiber des Landes ist aber die Vision 2030. Also die Strategie des Königshauses, bis zu jenem Zeitpunkt «in allem zu den besten Ländern der Welt zu gehören», wie es Abdullah Hammad umbeschreibt. Der umtriebige Mann mit kurzem schwarzen Haar und gepflegtem Dreitagebart setzt alles daran, die zwei Blick-Journalisten bei deren Besuch in der Millionenmetropole Dschidda zu treffen. Kurz vor Mitternacht erscheint er zusammen mit seiner Frau in der Hotellobby, nachdem er wenige Stunden zuvor noch in der Hauptstadt Riad war und auch noch einen Umweg über sein Haus in Mekka machen musste.

Hammad ist Leiter der Mahd Academy, des nationalen Sportzentrums in Riad, und er ist Mitglied im Board des Sportministeriums. Bei einem Tee erklärt er: «Wisst ihr, manchmal schlafe ich bloss drei Stunden. Die Vision 2030 ist das, was mich täglich antreibt.» Er, der jahrelang in Dänemark und den Niederlanden studierte und sich bis zum Fussball-Trainer-A-Diplom hocharbeitete, will «dem Land helfen, eine Grösse zu werden».

Es ist eine nette Begegnung – wie ausnahmslos alle in den folgenden Tagen. Hammad freut sich über die Gäste aus der Schweiz. Er weiss um die kritischen Stimmen aus Europa und die Berichte über Menschenrechtsverletzungen. Und er ist froh, dass ihm jemand zuhört: «Wir können die Leute nicht stoppen, uns zu kritisieren. Doch ich sage: Kommt her und seht es euch selbst an. Hier ändert sich gerade Vieles.»

Hammad ist ein Freund von Christian Gross, der insgesamt dreieinhalb Jahre Coach von Spitzenklub Al-Ahli war und als letzter Meistertrainer Legenden-Status innehat. Ein kurzer Telefonanruf nach Basel. Gross nimmt ab und sagt lachend: «Abdullah ist der Beste, den man vor Ort treffen kann.» Dann plaudert er kurz mit seinem früheren Weggefährten und kündigt an, dass er bald für die Klub-WM (ab 12. Dezember) nach Dschidda reisen werde.

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Wandel? Ja, aber nur unter staatlicher Kontrolle

Die Küstenstadt am Roten Meer entwickelt sich immer mehr zu einem wichtigen Schauplatz im Weltsport. Die örtlichen Behörden haben sich gemeinsam mit Agenturen zum Ziel gesetzt, alle möglichen Erfahrungen in der Ausrichtung von Grossanlässen aufzusaugen und zu lernen. Geübt wird beispielsweise auch an den NextGen-Finals, dem Turnier der besten U21-Tennisspieler des Jahres, das gleichzeitig der überhaupt erste ATP-Wettkampf auf saudischem Boden darstellt.

Um auf das riesige, kraterförmige Gelände namens King Abdullah Sports City zu gelangen, bedarf es einer halbstündigen Autofahrt vom Stadtzentrum hinaus in Richtung Wüste. Die Wege im Land, das fast viermal so gross ist wie Frankreich, sind lang. Und die Fahrweise auf den Highways, gelinde gesagt, abenteuerlich. Das Areal umfasst nicht nur die Tennishalle, sondern auch das 62'000 Plätze bietende Fussballstadion, in dem die Top-Klubs Al-Ahli und Al-Ittihad ihre Heimspiele austragen. Ein spontaner Besuch? Ein kurzer Blick ins Foyer, wo wie so oft Bilder der Herrscherfamilie hängen? Unmöglich. Hier wird ein erstes Mal deutlich, dass in diesem Land ohne offizielle Genehmigung oder Vitamin B gar nichts geht. Steht der Name nicht auf der Liste, gibts kein Durchkommen. Die staatliche Kontrolle lässt grüssen.

Im Rahmen der Vision 2030 erfährt Saudi-Arabien derzeit einen – zumindest gegen Aussen propagierten – politischen und kulturellen Wandel. Doch Tempo und Inhalt der Reformen werden von Mohamed Bin Salman (MBS), dem 38-jährigen Kronprinzen und starken Mann der absolutistischen Erbmonarchie, vorgegeben. Seit fünf Jahren dürfen Frauen Autos fahren und mehr Jobs ausüben, Unverheiratete können gemeinsam Kinos oder Cafés besuchen, das Kopftuch ist vielerorts optional respektive Sache des jeweiligen Familienoberhauptes. Vor allem in den Städten werden die Reformen begrüsst und umgesetzt, wenn auch oft noch mit Zurückhaltung.

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Zwischen Öffnung und anhaltender Unterdrückung: Diese zwei Frauen freuen sich über die neue Freiheit, ein Fussballspiel mit ihrem Bruder besuchen zu können.
Foto: STEFAN BOHRER

Todesstrafe oder Gefängnisstrafen machen Angst

Auch an den NextGen-Finals arbeiten einige Frauen mit offenem Haar. Die meisten sind Studentinnen, die beim Empfang oder als Platzzuweiserinnen eingeteilt sind. Offiziell äussern möchte sich aber keine. Angst und Vorsicht sind zu gross. Denn frühere Beispiele von Bürgern, die ihre Meinungen oder Kritik öffentlich kundgetan haben und danach jahrzehntelang weggesperrt oder gar zum Tode verurteilt wurden, schrecken ab. Auch die Teilnehmer. Der Berner Dominic Stricker, der bis in den Halbfinal vorstösst und während jener Tage im Luxus-Hotel Shangri-La untergebracht ist, sagt in einem kleinen Bürokämmerchen: «Der Event ist mega cool gemacht. Sämtliche Erfahrungen mit den Leuten von hier waren sehr positiv.» Und mit Blick auf die Investitionen, die Saudi-Arabien auch im Tennis geplant hat, meint er: «Ich gehe davon aus, dass ich hier in Zukunft noch öfter spielen werde.»

Ein Anruf bei Simon Chadwick, Saudi-Experte und Geopolitik-Professor an der Skema-Schule in Paris, bestätigt den Eindruck der übervorsichtigen Haltung sämtlicher Befragten: «Dem Königshaus geht es um die eigene Sicherheit und um den Erhalt seiner Position. Seine grösste Angst ist ein weiterer arabischer Frühling. Also sagt man den Leuten: Ihr wollt Ronaldo? Ihr kriegt Ronaldo! Aber stellt uns im Gegenzug nicht infrage.»

Die Liste der Kritikpunkte und Befürchtungen, die Amnesty International im Zusammenhang mit Saudi-Arabien aufführt, ist lange. Nebst Meinungsfreiheit, Frauen- und Homosexuellenrechten, die sich irgendwo zwischen gering bis inexistent bewegen, befürchtet die Organisation auch wieder Menschenrechtsverletzungen beim Bau der Infrastruktur für die WM 2034.

Lisa Salza, bei Amnesty Schweiz zuständig für Sport und Menschenrechte, sagt: «Wir fordern von der Fifa, dass sie auf ihren festgeschriebenen Standards beharrt. Und, dass sie von Saudi-Arabien einen klaren Massnahmenplan einfordert, wie vor und während der WM Menschenrechtsverletzungen verhindert werden sollen und dessen Einhaltung eigenständig überwacht.» Als ultimative Konsequenz müsse die Fifa den Entzug der WM als Option offen halten. In Katar habe man diesbezüglich eine gewisse «Laissez-faire-Haltung» seitens der Fifa beobachtet.

Jüngst machten zudem Berichte die Runde, in denen die saudische Aktivistin Lina Al-Hathloul Vertreibungen von Menschen im Rahmen des Bauprojekts «The Line» anprangerte. Für die neue Megacity mitten in der Wüste, die aus zwei schnurgeraden Mauern aus Hochhäusern auf einer Länge von 170 Kilometern (!) bestehen soll, zeige sich der Staat gnadenlos. Gemäss Angaben der Menschenrechtsorganisation ALQST wurde gegen Menschen, die sich weigerten, ihre Häuser zu verlassen, brutal vorgegangen.

«MBS ist für viele junge Leute der Messi der Geopolitik»

Trotzdem: Ein Grossteil der jungen saudischen Bevölkerung mag das Königshaus dennoch – oder sie bekommt die Kritik des Westens gar nicht richtig mit. 70 Prozent der rund 37 Millionen Einwohner sind unter 35 Jahre alt. Sie lieben es, plötzlich mehr Freiheiten zu geniessen. Sie leben im streng muslimischen Land einen, wenn auch kontrollierten, liberalen Aufschwung. Kronprinz MBS holt für sie die besten DJs ins Land, die besten Sportler, die grössten Events. «MBS ist in den Augen vieler jungen Leute der Messi der Geopolitik», sagt Chadwick.

MBS selbst hat kürzlich bei Fox News eines seiner raren Interviews gegeben. Dass seine Strategie in der westlichen Welt als klassisches Sportswashing bezeichnet wird, lässt ihn kalt. Der Vorwurf sei ihm «egal». Angesprochen auf einen konkreten Fall, in dem ein Mann wegen eines Tweets zur Todesstrafe verurteilt wurde, sagte er: «Für so etwas schämen wir uns. Haben wir schlechte Gesetze? Ja. Ändern wir diese? Ja.» Die Anpassungen könnten aber nicht von heute auf morgen passieren, so der Kronprinz. Dafür sei der Arbeitsberg zu hoch.

Milliarden-Business: Schweiz geschäftet fleissig mit den Saudis

Kaum eine Erwähnung von Saudi-Arabien kommt ohne Hinweis auf die fragwürdige Menschenrechtssituation im Königreich aus. Auch in der Schweiz. Dennoch wird bei uns mit den Saudis fleissig gewirtschaftet. Eben auch, weil sich das umstrittene Land wegen seiner «Vision 2030» öffnen will.

Saudi-Arabien läuft im Nahen Osten den Emiraten mit Dubai als Zentrum immer mehr den Rang ab als attraktivste Anlaufstation für Geschäfte. Der wirtschaftliche Austausch zwischen der Schweiz und den Saudis intensiviert sich immer mehr. Im 2020 etwa lag das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern bei 2,2 Milliarden Franken, zwei Jahre darauf betrug es bereits 5,6 Mia.

Saudischer Milliarden-Verlust mit der Credit Suisse

Der wohl prominenteste Fall von Saudi-Investitionen in der Schweiz endete allerdings in einem kolossalen Flop. Die Saudi National Bank hat wenige Monate vor dem Ende der Credit Suisse für rund 1,4 Milliarden Franken ihren Anteil an CS-Aktien von 5 auf 9,9 Prozent erhöht, konnte die Bank aber nicht retten.

Die saudische Staatsbank verlor beim CS-Desaster rund 80 Prozent der Investition, geriet deswegen wegen prallvollen Reserven aber nicht ins Trudeln. Das Königreich sitzt insgesamt auf einem Devisenschatz von rund 460 Milliarden Dollar.

Die CS ist hierzulande aber in guter Gesellschaft. So ist die saudische Petrochemiefirma Sabic mit 31,5 Prozent am Baselbieter Chemiekonzern Clariant beteiligt. Und Sabic wird vom saudischen Ölriesen Aramco kontrolliert, der ebenfalls dem saudischen Königshaus gehört.

Auch bei der Schweizer Apothekenkette Zur Rose hat das saudische Königshaus seine Finger im Spiel. Ursprünglich war die royale Beteiligungsgesellschaft mit einem Anteil von sechs Prozent eingestiegen, inzwischen ist der Anteil unter die meldepflichtige 3-Prozent-Marke gefallen.

«Bei Gelegenheit investieren wir sofort»

Saudische Investoren sind auch in der Schweizer Tourismusbranche willkommen. So kaufte der Unternehmer Sami al-Angari (51) 2018 die Ferienverein-Gruppe, zu der vier Hotels in Wengen BE, Sils-Maria GR, Crans-Montana VS und Arosa GR sowie zwei Betriebe im Ausland gehören.

Dass der Geldstrom abreisst, ist nicht zu erwarten. Der saudische Finanzminister Mohamed Al-Dahaan sagte am WEF zu SRF: «Unser Staatsfonds sucht nach weiteren Möglichkeiten in der Schweiz im Banking und im Tourismus. Auch an der Pharmabranche sind wir sehr interessiert. Wenn es Gelegenheiten gibt, investieren wir sofort.»

Aber es ist eine gegenseitige Beziehung. Auch Schweizer Firmen sind heiss auf saudische Aufträge, über 100 haben bereits einen Sitz im Königsreich. Bei der im Auftrag des Bundes tätigen Exportförderungsorganisation Switzerland Global Enterprise betreffen mittlerweile rund 70 Prozent der Vermittlungsanfragen für den Nahen Osten Saudi-Arabien. Ende des Booms nicht in Sicht. (md/red)

Kaum eine Erwähnung von Saudi-Arabien kommt ohne Hinweis auf die fragwürdige Menschenrechtssituation im Königreich aus. Auch in der Schweiz. Dennoch wird bei uns mit den Saudis fleissig gewirtschaftet. Eben auch, weil sich das umstrittene Land wegen seiner «Vision 2030» öffnen will.

Saudi-Arabien läuft im Nahen Osten den Emiraten mit Dubai als Zentrum immer mehr den Rang ab als attraktivste Anlaufstation für Geschäfte. Der wirtschaftliche Austausch zwischen der Schweiz und den Saudis intensiviert sich immer mehr. Im 2020 etwa lag das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern bei 2,2 Milliarden Franken, zwei Jahre darauf betrug es bereits 5,6 Mia.

Saudischer Milliarden-Verlust mit der Credit Suisse

Der wohl prominenteste Fall von Saudi-Investitionen in der Schweiz endete allerdings in einem kolossalen Flop. Die Saudi National Bank hat wenige Monate vor dem Ende der Credit Suisse für rund 1,4 Milliarden Franken ihren Anteil an CS-Aktien von 5 auf 9,9 Prozent erhöht, konnte die Bank aber nicht retten.

Die saudische Staatsbank verlor beim CS-Desaster rund 80 Prozent der Investition, geriet deswegen wegen prallvollen Reserven aber nicht ins Trudeln. Das Königreich sitzt insgesamt auf einem Devisenschatz von rund 460 Milliarden Dollar.

Die CS ist hierzulande aber in guter Gesellschaft. So ist die saudische Petrochemiefirma Sabic mit 31,5 Prozent am Baselbieter Chemiekonzern Clariant beteiligt. Und Sabic wird vom saudischen Ölriesen Aramco kontrolliert, der ebenfalls dem saudischen Königshaus gehört.

Auch bei der Schweizer Apothekenkette Zur Rose hat das saudische Königshaus seine Finger im Spiel. Ursprünglich war die royale Beteiligungsgesellschaft mit einem Anteil von sechs Prozent eingestiegen, inzwischen ist der Anteil unter die meldepflichtige 3-Prozent-Marke gefallen.

«Bei Gelegenheit investieren wir sofort»

Saudische Investoren sind auch in der Schweizer Tourismusbranche willkommen. So kaufte der Unternehmer Sami al-Angari (51) 2018 die Ferienverein-Gruppe, zu der vier Hotels in Wengen BE, Sils-Maria GR, Crans-Montana VS und Arosa GR sowie zwei Betriebe im Ausland gehören.

Dass der Geldstrom abreisst, ist nicht zu erwarten. Der saudische Finanzminister Mohamed Al-Dahaan sagte am WEF zu SRF: «Unser Staatsfonds sucht nach weiteren Möglichkeiten in der Schweiz im Banking und im Tourismus. Auch an der Pharmabranche sind wir sehr interessiert. Wenn es Gelegenheiten gibt, investieren wir sofort.»

Aber es ist eine gegenseitige Beziehung. Auch Schweizer Firmen sind heiss auf saudische Aufträge, über 100 haben bereits einen Sitz im Königsreich. Bei der im Auftrag des Bundes tätigen Exportförderungsorganisation Switzerland Global Enterprise betreffen mittlerweile rund 70 Prozent der Vermittlungsanfragen für den Nahen Osten Saudi-Arabien. Ende des Booms nicht in Sicht. (md/red)

Zurück nach Dschidda. An der Küste, zehn Autominuten oberhalb der Formel-1-Strecke, finden die Pre-Regatta-Rennen des America’s Cup statt. Die Sonne brennt gnadenlos herunter. 33 Grad und eine Luftfeuchtigkeit, die einem den Schweiss sofort aus den Poren treibt. Ein Saudi beim Empfang nennt das «angenehmer Winter».

Pipifax im Vergleich zu manchmal fast 50 Grad im Hochsommer. Die Schweizer Segel-Equipe Alinghi Red Bull Racing bereitet sich hier für die Titeljagd im nächsten Jahr (in Barcelona) vor. Im Gespräch im klimatisierten Teamzelt lobt Board-Member Hans-Peter Steinacher die «optimalen Bedingungen» in Dschidda. Er verweist darauf, dass die saudischen Strukturen vor ein paar Jahren einen solchen Event in diesen Gewässern noch nicht erlaubt hätten. Er meint: «Man muss den Saudis Zeit geben. Es schaut nach Gigantismus aus – doch sie machen ihre Schritte sehr bedacht. Und auch ich bin der Meinung, dass man die Länder erst besuchen soll, bevor man über sie urteilt.»

Steinacher ist der Überzeugung, dass im Wüstenstaat sehr bald noch mehr Fortschritte erkennbar sein werden. Weitere Pre-Regattas? Ein Deal, damit der America’s Cup nach Dschidda kommt? Beides ist ebenso denkbar, wie weitere Meilensteine in anderen Sportarten. Die Übernahme einer NBA-Franchise? Ein Masters-Turnier im Tennis? Die Ziele sind überall hoch – am höchsten aber im Fussball.

Als Blick Carlo Nohra, den Geschäftsführer der Saudi Pro League (SPL), im überraschend bescheidenen Liga-Hauptbüro in Riad trifft, sagt dieser: «Unser Ziel ist simpel: Wir wollen die unterhaltsamste Liga der Welt.» Koste es, was es wolle: «Es gibt kein Limit für uns.»

«Welcome, welcome!»

Die Entscheidungsträger der Saudi-Projekte machen unisono klar: Das Weltbild, das der Sport bislang kannte, wird sich verändern, wenn es im gleichen Stil weitergeht. Das ist insbesondere für Europas Klubs und Verbände alarmierend, zumal sie immer mehr Stars und Strahlkraft verlieren würden. Für den normalen Fussballfan in Saudi-Arabien klingt dies aber freilich grossartig. Er freut sich über eine nie dagewesene internationale Aufmerksamkeit.

«Welcome to Saudi Arabia, welcome, welcome!», schreit in Riad ein Al-Hilal-Anhänger aus dem Auto, als er auf dem Weg zum Stadt-Derby gegen Al-Nassr ist. Rund ums King Fahd Stadium tummeln sich Tausende Fussballbegeisterte. Im Gegensatz zur Innenstadt ist hier aber nichts prunkvoll. Dreck, Sand, Abfall, unfertige Bauten. Im Hintergrund leuchtet der Fussballtempel, der bald komplett erneuert werden soll.

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Der kleine Ahmad verkauft schon Stunden vor Anpfiff des Riad-Derbys Fan-Artikel.
Foto: STEFAN BOHRER

Der Match ist das Beste, was der saudische Fussball aktuell zu bieten hat. Erster gegen Zweiter. Bei Al-Hilal stehen (der verletzte) Neymar, Aleksandar Mitrovic oder Ruben Neves unter Vertrag. Bei Al-Nassr sind es Ronaldo, Sadio Mané, Talisca, Otavio oder Marcelo Brozovic. Für die 50’000 Fans, die sich ein Ticket zwischen zehn und 60 Franken geleistet haben, sind die Stars eine schöne Zugabe. Die Begeisterung für den Sport war hier aber schon vor dem Transfer-Wahnsinn vorhanden. Chadwick sagt: «Die Fussballkultur ist riesig, das muss man dem Land trotz aller Kritik zugestehen.»

Wechselt sogar der Weltmeister nach Saudi-Arabien?
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Al-Hilal-Fan träumt von Messi:Wechselt sogar der Weltmeister nach Saudi-Arabien?

Der 18-jährige Al-Hilal-Fan Mohammed sagt: «Wenn ich wünschen könnte, hätte ich gerne Lionel Messi bei uns im Team. Das wäre mein Traum. Viel wichtiger ist mir aber, das Al-Hilal heute Abend gewinnt.» Sein Team tut ihm den Gefallen. Es bodigt Ronaldos Al-Nassr mit 3:0. Danach herrscht auf den Strassen Chaos, als wäre Saudi-Arabien Weltmeister geworden. Auch Frauen feiern mit. Hupende Autos, laute Partymusik, wehende Fahnen im Fahrtwind, Pyro-Fackeln.

Die Szenen stehen sinnbildlich für den Wandel im Land. Seine Einwohner kosten jedes kleine bisschen dazugewonnene Freiheit aus. Und gleichwohl sind sie im tiefsten Inneren gespalten: Zwischen ehrlicher Freude und der latenten Angst vor der Staatskontrolle.

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