Ein Captain auf Mission
Für Granit Xhaka schliesst sich der Kreis

Granit Xhaka hat eine besondere Beziehung zu England. Im Wembley macht er sein erstes Länderspiel, in London erlebt er während sieben Jahren bei Arsenal Up and Downs. Nun kann er die Nati erstmals in einen EM-Halbfinal führen – ausgerechnet gegen England.
Publiziert: 06.07.2024 um 12:55 Uhr
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Aktualisiert: 06.07.2024 um 14:15 Uhr
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Der Nati-Captain steht vor dem grössten Spiel seines Lebens.
Foto: TOTO MARTI
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Es ist der 4. Juni 2011. Das Wembley-Stadion in London. Nati-Trainer Ottmar Hitzfeld bringt im zentralen Mittelfeld neben Gökhan Inler und Valon Behrami einen 18-Jährigen. Sein Name: Granit Xhaka.

«Als mich Ottmar Hitzfeld in sein Zimmer bat und mich fragte, ob ich bereit sei zu spielen, war meine Antwort: Klar, deshalb bin ich hier», erinnert sich Xhaka Jahre später in einem Interview mit Keystone-SDA. «Den Moment bei der Hymne werde ich mein ganzes Leben lang nie vergessen – ich bin fast zusammengebrochen.» Es ist der Startschuss in eine Nati-Karriere, die voller Dramen, Skandale und Emotionen ist. Und die Stoff für ein ganzes Buch liefert.

Geläutert – im Klub und auch in der Nati

13 Jahre sind vergangen seit jenem sonnigen Tag im Wembley. 128 Länderspiele sind bei Xhaka dazugekommen. Längst ist er Rekordspieler in der Nati. Das Gesicht ist kantiger geworden, einzelne Haare sind ergraut. «Ich habe gerne, wenn es etwas Action gibt», sagt er vor dem Start ins Turnier. Und nach dem Sieg gegen Italien: «Ich war kurz davor, etwas zu machen, habe es dann aber seinlassen.» Den Schalk in den Augen hat er nicht verloren.

Und doch: Xhaka ist geläutert. Der Captain ist auf einer Mission. Denn Xhaka und Endrunden mit der Nati – es ist eine Unvollendete. Im WM-Achtelfinal 2014 gegen Argentinien spielt er auf der ungeliebten Aussenposition und verpasst es, die Nati in Führung zu schiessen. 2016 bedeutet sein verschossener Penalty gegen Polen das Aus. 2018 führen die Nachwehen des Doppeladler-Jubels zum Achtelfinal-Out gegen Schweden. 2021 führt er nach Tattoo-Studio-Besuch und blondierten Haaren die Nati zwar zum glorreichen Sieg gegen Frankreich, verpasst den Viertelfinal gegen Spanien aber wegen einer Gelbsperre wegen Reklamierens. 2022 erleidet das Nati-Boot mit seinem Captain gegen Portugal Schiffbruch.

Auch mit England hat Xhaka eine Rechnung offen. Seine sieben Jahre bei Arsenal sind eine Berg- und Talfahrt. Die Anfänge in London nicht einfach, die Kritik massiv aufgrund unnötiger Gelber und Roter Karten. Am 27. Oktober 2019 folgt das Spiel gegen Crystal Palace, in dem es bei seiner von Pfiffen begleiteten Auswechslung zum Zerwürfnis zwischen ihm und den Fans kommt. Es ist der Tiefpunkt in Xhakas Karriere. Nur der neue Trainer Mikel Arteta kann ihn davon abhalten, den Klub als Gescheiterter zu verlassen. Xhaka erobert sich die Gunst der Fans zurück und verlässt London 2023 durch die grosse Türe. Doch der ganz grosse Wurf, der Titel in der Premier League, bleibt aus. Die Titel-Krönung schafft er erst in Leverkusen.

Aebischer: «Xhaka ist immer da»

Mitspieler Michel Aebischer erklärt das Phänomen Xhaka wie folgt: «Mit ihm zu spielen, ist einfach. Denn, wenn man den Ball hat, ist er immer da. Wenn man unter Druck ist, ist er da. Wenn man nicht unter Druck ist, ist er da. Wenn man 0:3 hinten liegt, ist er da. Wenn man 2:1 führt, ist er da.» Xhakas grösste Qualität sei, dass er immer den Ball haben und einem helfen wolle. «Es ist das, was ein Captain ausmacht. Und deswegen ist er für uns so wichtig.» RSI-Experte und Ex-Nati-Spieler Blerim Dzemaili sagt im Interview mit dem Tages-Anzeiger: «Xhaka ist der beste Nationalspieler aller Zeiten, ganz klar.» 

Im Viertelfinal gegen England schliesst sich für diesen nun der Kreis. Ein Sieg gegen das Mutterland des Fussballs wäre ein historischer Erfolg. Für die Schweiz. Für die Nati. Aber vor allem auch für Xhaka. Den Kopf dieser Generation Schweizer Fussballer, die Grenzen verschoben und Achtelfinals zum Standard gemacht hat, und der Xhaka mit seinem Spiel, aber vor allem seiner Mentalität den Stempel aufgedrückt hat wie kein anderer.

Wer Xhaka kennt, weiss, dass seine Mission aber noch nicht beendet ist. «Ich habe meinen Mädchen gesagt, ich komme erst zurück, wenn etwas Grosses passiert ist.» Am Mittwoch in Dortmund soll die Reise weitergehen.

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