Tevez, Oscar, Witsel, El Shaarawy, Pato, Paulinho, Demba Ba, Pellè, Arnautovic, Lavezzi, Dzemaili, Yaya Touré, Hamsik, Hulk, Carrasco oder auch Trainer wie Magath, Benitez und Capello. Sie alle und noch viele mehr sind dem Ruf des Geldes gefolgt und in den letzten Jahren nach China gewechselt.
Illustre Namen, die den Fussball im Reich der Mitte grösser, populärer und vor allem rentabler machen sollten. Dieses Unterfangen scheint nun definitiv gescheitert. Denn mit Jiangsu Suning zieht sich der amtierende Meister der Chinese Super League Knall auf Fall zurück.
China statt Liverpool
Es schliesst sich ein Kreis. Angefangen hat die grosse Aufmerksamkeit ebenfalls bei Jiangsu Suning. Vor ziemlich genau fünf Jahren holt der ambitionierte Klub für kolportierte 50 Millionen Euro den Brasilianer Alex Teixeira von Schachtar Donezk. Berichten zufolge hatte der mittlerweile 31-Jährige damals auch ein Angebot von Liverpool vorliegen. Doch er entschied sich für die Reise nach Fernost.
Ein regelrechter Boom entsteht. Auch weil Staatspräsident Xi Jinping grosser Fussball-Fan ist. Er träumt vom Weltmeister-Titel Chinas, von der «wichtigen Rolle des Fussballs, die Konstitution des Menschen zu stärken und einen unermüdlichen Kampfgeist zu erzeugen». Um dem Präsidenten zu gefallen, öffnen die schwerreichen Unternehmer ihre Portmonees für die Fussballvereine.
Die bereits aufgeführten Starspieler und -trainer werden mit horrenden Lohn-, Handgeld- und Ablösesummen geködert. Die Mittel dafür haben die Klubs einerseits vom Staat, andererseits von grossen Firmen bekommen – wie eben beispielsweise der Suning Commerce Group im Fall von Jiangsu.
Bale-Deal, Meistertitel, Rückzug
2019 in Nanjing, der 8,5-Millionen-Metropole nahe Schanghai im Osten Chinas: Das Dagobert Duck'sche Treiben erreicht einen Höhepunkt, als Jiangsu Suning Gareth Bale locken will. Der bei Real Madrid nicht mehr erwünschte ehemals teuerste Spieler der Welt soll Berichten zufolge 1 Million Pfund verdienen – pro Woche.
Der Deal kommt nicht zustande, Jiangsu verschwindet wieder aus den westlichen Medien. Bis letzten Sonntag. Die Suning Group verkündet kurz nach dem ersten Meistertitel der Klubgeschichte, sich per sofort aus dem Fussball zurückziehen zu wollen, die Firma wolle sich wieder voll und ganz auf den Handel mit Elektrogeräten beschränken.
Kein Geld mehr aus dem Konzern also. Der Jiangsu FC stellt seinen Spielbetrieb ein, Teixeira ist mittlerweile vereinslos. Suning will verkaufen, wird den Klub aber nicht los, weil der neue Besitzer die Schulden von etwa 100 Millionen Franken mittilgen müsste.
Staat verliert die Geduld
Aber nicht nur Jiangsu ist hochverschuldet. Shandong Luneng wurde beispielsweise die Teilnahme an der asiatischen Champions League verwehrt wegen finanzieller Probleme. Das gleiche droht Jiangsu auch. Tianjin Quanjian ist schon bankrott. Unglaubliche elf Mannschaften aus dem chinesischen Profi-Fussball sind letzte Saison wegen finanzieller Schwierigkeiten disqualifiziert worden. Fünf weitere zogen sich freiwillig zurück. Der chinesische Fussball schwimmt nicht mehr im Geld, sondern ums Überleben.
Und auch der Staat scheint keine Lust zu haben, den Rettungsring auswerfen zu wollen. In der Regierung fand Berichten zufolge ein Umdenken statt. So soll den Verantwortlichen klar geworden sein, dass das viele Geld eher kontraproduktiv gewesen sei statt hilfreich. Auch die TV-Quoten und Zuschauerzahlen sind nicht wie gewünscht gestiegen. Die Regierung verlor zudem auch die Geduld, weil die Klubs – absolut abhängig von ihren Besitzern – sich nicht darum scherten, in ihren lokalen Gebieten Wurzeln zu schlagen, mit Fans zu kooperieren und etwas Nachhaltiges aufzubauen.
Was passiert mit Inter Mailand?
Dass sich Suning bei Jiangsu zurückzieht, könnte auch weitreichende Konsequenzen in Europa haben. Denn der Milliarden-Konzern hält auch die Aktien-Mehrheit bei Serie-A-Leader Inter Mailand. Die Nerazzurri sagen aber, der Knall in China werde in Italien nicht wiederholt.
Inter hat trotz sportlichem Erfolg – Conte und sein Team steuern auf den ersten Meistertitel seit 2010 zu – und dem Suning-Engagement grosse finanzielle Schwierigkeiten. In Italien kursieren Gerüchte, dass Suning auch die Mailänder Anteile abstossen will. Es wird aber auch gemunkelt, dass die riesige Alibaba-Group übernehmen könnte, dann wären die Geldsorgen wieder weg. PS: Gründer Jack Ma hält Anteile am von Fabio Cannavaro trainierten Klub Guangzhou Evergrande.
Auch GC gehört Chinesen …
Und wenn wir schon bei Chinesen und europäischen Klubs sind. West-Brom-Besitzer Lai Guochuan will den Premier-League-Klub lieber gestern als heute verlassen und Fosun – ja, das GC-Fosun – schraubt die Stadionbaupläne bei Wolverhampton drastisch zurück.
Der Fussball in China ist nur noch ein Scherbenhaufen. Bleibt aus Schweizer Sicht vor allem für GC und dessen Fans zu hoffen, dass die Chinesen in Europa nicht auch noch die Lust und das Interesse verlieren. Denn dann kommt es auch im Niederhasli zu einem weiteren Erdbeben.