In Österreich naht das Ende einer unfassbaren Ära. Nach zehn Jahren der totalen Dominanz bleibt RB Salzburg in dieser Saison wohl titellos. Der grosse Profiteur? Sturm Graz. Die Schwarz-Weissen können am Sonntag ihren 4. Meistertitel eintüten. Wenige Tage nach dem Cupsieg wäre das Double perfekt. Zum ersten Mal seit 1999.
«Die Leute hier sind extrem euphorisch. In den letzten Wochen hat sich das zugespitzt», erzählt Gregory Wüthrich (29) im Gespräch mit Blick. Der Berner ist der Abwehrchef im Team von Christian Ilzer (46). Beide sind seit knapp vier Jahren in der Steiermark und gehören zu den Hauptverantwortlichen für diesen Erfolg.
«Das ist uns gelungen»
«Es ist kein Zufall, dass wir hier stehen. Wir haben 2020 den Weg eingeschlagen und sind Jahr für Jahr besser geworden. Jetzt können wir es vollenden», sagt Wüthrich. Schon in der Vorsaison war Sturm nah am Titel dran. «Im Sommer sagten wir uns, dass wenn wir die fehlenden Puzzlestücke zusammentun, noch gefährlicher sein können. Das ist aber intern geblieben», gesteht er. Das diesjährige Ziel sei gewesen, bei der Tabellenteilung so nah wie möglich an Salzburg dran zu sein, um dann in der Meisterrunde voll anzugreifen. «Das ist uns gelungen», sagt er mit grosser Freude.
Für Wüthrich persönlich wäre der Titel eine «grosse Genugtuung». Zwar weiss er bereits aus YB-Zeiten, wie sich Meisterpartys anfühlen. Doch diese mit Sturm hätte einen völlig anderen Geschmack. «Es ist etwas komplett anderes, wenn man massgeblich daran beteiligt ist. Es ist dann ein noch viel schöneres Gefühl.»
Australien-Abenteuer als Neustart genutzt
In Wüthrichs Karriere ist nicht immer alles nach Plan gelaufen. In Bern schaffte der schweizerisch-ghanaische Doppelbürger nie den Durchbruch. 2019 wechselte er deshalb nach Australien zu Perth Glory. Er dachte, dass es das mit der grossen Fussballkarriere gewesen sei. Doch wie so oft im Leben, passieren die schönsten Dinge, wenn man am wenigsten daran glaubt. In seinem Fall ist es ein Anruf aus der mittelalterlichen Stadt Graz.
Nach nur einem Jahr in Down Under packt Wüthrich seine Koffer und kehrt nach Europa zurück. Ab dem Corona-Sommer 2020 lanciert er bei Sturm seine Laufbahn neu. «Es ist mein Weg und es ist umso schöner, wenn ich heute im Alter von 29 an dieser Stelle sein kann. Ich wusste immer, was ich kann und habe an mich selber geglaubt. Ich habe es mir selber bewiesen.»
Der Traum von einer Top-Liga lebt
Spätestens in diesem Jahr wird Wüthrich für seinen betriebenen Aufwand vollends entschädigt. Dabei hätte er im letzten Sommer um ein Haar den Klub gewechselt. Doch sein Wechsel zu Augsburg in die Bundesliga platzte in letzter Sekunde. Ob er noch von einem Transfer in eine Top-Liga träumt – zumal sein Vertrag in Graz nur noch ein Jahr läuft und ihm zurzeit kein Verlängerungsangebot vorliegt? Definitiv. Er ist aber genauso offen, um dereinst seine Karriere in Graz zu beenden. «Ich lasse es einfach auf mich zukommen.»
Genauso verhält es sich mit dem Thema Nati. «Für die Schweiz zu spielen, ist ein Traum. Wenns mich brauchen würde, wäre ich da. Allerdings war mein letzter Kontakt mit Murat Yakin vor der WM in Katar», sagt Wüthrich. Er präzisiert gleichzeitig, dass es auch eine Zeit nach der Euro gibt. Zu viele Gedanken will er sich aber nicht machen. Vielmehr geniesst er den Moment. Und der könnte besser nicht sein: «Ich fühle mich so gut wie nie zuvor.»