Üblicherweise ist es vorbei mit dem Traum vom Ausland, wenn einer, der sich nicht durchgesetzt hat, in die Heimat zurückkehrt. Nicht so im Fall Vincent Sierro (27). Der Walliser geht vor sechs Jahren von Sion zum SC Freiburg. Nach anderthalb Jahren mit nur vier Bundesliga-Einsätzen hat er die Schnauze voll vom Reservistendasein und kehrt zurück in die Schweiz, zum FC St. Gallen, wo er durchstartet und ein Jahr später das Angebot von YB kriegt. In Bern wird er zur Teamstütze und so flattert im Januar jenes von Ligue-1-Klub Toulouse ins Haus.
Von daher kommt das Toulouse-Angebot unpassend. «Ich wollte unbedingt den Meisterumzug mit YB erleben. Ich bin wohl zweimal Meister und einmal Cupsieger geworden. Aber wegen der Pandemie ohne Partys. Es war mir ein Herzenswunsch, das mit den YB-Fans zu erleben», sagt Sierro. «Aber unter dem Strich war das Angebot von Toulouse zu gut, als dass ich es mir entgehen lassen wollte. Es war eine Gelegenheit, die vielleicht nie wieder kommt.»
Sierro seziert den Klub bei den Vertragsverhandlungen
Und so kommt es zu einer Verhandlung zwischen Vertretern des südfranzösischen Klubs und Sierro mit seinem Berater Michel Urscheler, wie es sie garantiert höchst selten gibt in diesem Business. Es ist Sierro, der Toulouse eine fixfertige Analyse des Klubs präsentiert. «Ich wollte YB nur für ein superinteressantes Projekt verlassen, das mich in den Bann zieht. Tatsächlich habe ich Toulouse deshalb genau unter die Lupe genommen. Nach dieser Analyse musste ich feststellen: Toulouse ist dieses Projekt. Da ist nicht nur, wohin der Klub hinwill. Sondern auch auf welche Art und Weise. Das hat man auch im Cupfinal beim 5:1 gegen Nantes gesehen: Das ist ein Team, das immer hinten hinausspielt und immer nach vorne marschiert. Das liebe ich!»
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Präsident Comolli ist ein Datenfreak
Doch natürlich ist es nicht nur der Spielstil. Das wäre dann doch ein bisschen banal. «Da ist auch der Präsident, Damien Comolli, der nach dem Abstieg während der Pandemie kam. Er verfügt über riesige internationale Erfahrung, war bei Arsenal, Tottenham, Liverpool und Fenerbahce tätig. Bei ihm basiert alles auf Daten. Nicht Tore, Penaltys und Assists. Sondern tiefergehende Spielstatistiken. Diese Daten sollen es ermöglichen, Spieler zu finden, die unter dem Radar laufen und deshalb zu einem vorteilhafteren Preis zu haben sind, als sie es aufgrund ihrer Qualität eigentlich sein dürften.»
Comolli ist ohnehin anders. Er hält zum Beispiel gar nichts davon, dass starke Abwehrreihen Meisterschaften gewinnen. Das sei falsch. Die Daten sagten etwas anderes, auch Toulouse sei nur dank des besten Sturms in die Ligue 1 zurückgekehrt. Comollis Credo: Wer nicht versucht, Fussball zu spielen, soll den Job wechseln.
Ehrenrunde im Stade de France mit Walliser Fahne
Mittlerweile hat sich Sierro in diesem speziellen Umfeld durchgesetzt, das irgendwie an den ehemaligen YB-Europacup-Playoff-Gegner aus Dänemark erinnert, den FC Midtjylland. Von den letzten sechs Spielen hat der Mann mit dem Bachelor-Abschluss in Wirtschaft vier begonnen. Nicht aber den Cupfinal im vollen Stade de France, wo sich der FC Toulouse seine erst zweite bedeutende Trophäe gesichert hat. «Unser Captain war verletzt und kam auf den Final hin zurück. Da wusste ich, dass er spielen würde. Aber ich kam als Erster rein.» 32 Familienmitglieder und Freunde hatte Vincent nach Paris eingeladen. Die Ehrenrunde machte er mit der Walliser Fahne. «Weil niemand eine Schweizer Fahne mitgenommen hatte …», sagt er lachend.
Weil dicke Schlitten irgendwie zum Kulturbild des Fussballers gehören, liefert Sierro auch hier den Gegenschnitt. Er hat … kein Auto! «Ich wohne im Stadtzentrum. Da brauche ich kein Auto, ich mache alles zu Fuss», sagt er. «Im Zentrum mit seinen engen Gassen ist es katastrophal, Auto zu fahren. Und dann lädt einer irgendwas ab, du kommst nicht vorbei – und wartest zehn Minuten. Deshalb ist ein E-Scooter die perfekte Lösung. Ich gehe damit auch ins Training. Wie einige weitere aus dem Team.»
Erst mal wird Fleisch geröstet, noch kein Käse
Schweizerisch ist im Leben von Sierro in Südfrankreich vieles. Da ist mal der Ex-Toulouse-Verteidiger François Moubandjé, der bei Sion unter Vertrag steht und derzeit am Knie verletzt ist. Er macht seine Reha in Toulouse. «Mit ihm gehe ich ab und zu essen.» Dann sind da zwei Laib Walliser Raclettekäse, die im Tiefkühler darauf warten, zum Einsatz zu kommen. «Den Racletteofen habe ich schon da. Nun hat mir mein Vater den Käse mitgebracht. Ich habe meine Mannschaftskumpels wohl zu einer Grillparty eingeladen. Aber da wurde nicht Käse geröstet, sondern Fleisch … Das mit dem Käse kommt noch.»
Und, ja, das Hirn soll auch nicht zu kurz kommen. «Jetzt, da ich hier fertig eingerichtet bin, habe ich Zeit, mein Englisch zu vertiefen.» Sierro live.
Und aus der Ferne beobachtet er, was YB macht. Immerhin kann er am 4. Juni vielleicht über seinen dritten Titel jubeln, wenn YB im Cupfinal Lugano schlägt. Den zweiten als Cupsieger in derselben Saison.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Paris Saint-Germain | 11 | 23 | 29 | |
2 | AS Monaco | 11 | 10 | 23 | |
3 | Olympique Marseille | 11 | 9 | 20 | |
4 | OSC Lille | 11 | 7 | 19 | |
5 | Olympique Lyon | 11 | 3 | 18 | |
6 | OGC Nizza | 11 | 10 | 17 | |
7 | Stade Reims | 11 | 4 | 17 | |
8 | RC Lens | 11 | 3 | 17 | |
9 | AJ Auxerre | 11 | 1 | 16 | |
10 | Toulouse FC | 11 | 2 | 15 | |
11 | RC Strasbourg Alsace | 11 | -2 | 13 | |
12 | Stade Brestois 29 | 11 | -5 | 13 | |
13 | FC Stade Rennes | 11 | -5 | 11 | |
14 | FC Nantes | 11 | -3 | 10 | |
15 | Angers SCO | 11 | -7 | 10 | |
16 | AS Saint-Étienne | 11 | -15 | 10 | |
17 | Le Havre AC | 11 | -15 | 9 | |
18 | Montpellier HSC | 11 | -20 | 7 |