Freitag Abend um 20.27 Uhr. Vladimir Petkovic steht vor der Oper in Bordeaux. «Sieben Jahre lang stresst Du mich», sagt er zum SonntagsBlick-Fotograf, schmunzelnd. Er ist müde, am Morgen vom Tessin nach Zürich gefahren, dann nach Bordeaux geflogen. Vertragsunterschrift, Vorstellung für die französischen Medien, in drei Minuten wartet der Präsident zum Essen. «Also, mach schnell.»
Samstag Morgen um 9.28 Uhr. Petkovic sitzt im Hotel Intercontinental, grüne edle Sessel, hohe Mauern, alte Säulen, überall Weinflaschen hinter gesicherten Scheiben. Mit Bordeaux im Glas will er nicht posieren, «wenn wir mal gewonnen haben vielleicht», sagt er. Und gibt SonntagsBlick dann das erste Exklusiv-Interview seit seinem Abgang als Schweizer Nati-Trainer.
Herr Petkovic, wann war es für Sie klar, dass die Zeit mit der Schweizer Nati vorbei ist?
Vladimir Petkovic: Das war vor neun Tagen. Ein paar Tage vorher hatte sich Bordeaux gemeldet, ich war im Urlaub in Formentera.
Wir sahen die Paparazzi-Fotos.
Ich habe nichts davon gemerkt, dass ich fotografiert wurde … Aber eben, in jenen Tagen kam die Anfrage von Bordeaux und ich spürte, dass ich es machen will.
Sie sagten an der Pressekonferenz, Sie hätten bis dahin kein konkretes Angebot gehabt und hätten dann sofort zugeschlagen. Wollten Sie denn unbedingt weg von der Nati?
Nein. Aber es ist einfach der richtige Zeitpunkt. Eine neue Herausforderung für mich, aber auch neue Inputs für die Spieler und einige rund ums Team. Es ist doch klar, dass einige Dinge nach sieben Jahren eingebrannt sind.
Hatten Sie Verschleisserscheinungen?
Nein, ich war immer noch voller positiver Energie. Ich wäre auch gerne Nati-Trainer geblieben. Man sollte nicht leer sein, wenn man einen solchen Entscheid trifft.
Es gab Gerüchte um Zenit St. Petersburg, die russische Nati, Fenerbahçe.
Ich habe kein konkretes Gespräch geführt, kein einziges.
Wenn kein Angebot gekommen wäre, wären sie heute noch Nati-Trainer?
Ja, sicher. Ich ging in die Ferien mit dem Gedanken, dass ich Nati-Trainer bleibe. Schliesslich hatten die Klubs ja alle schon einen Trainer und waren in der Vorbereitung.
Waren die Ausstiegsverhandlungen mit dem Verband schwierig?
Sagen wir es mal so: Sie waren spannend.
Inwiefern?
Es war ein bisschen unangenehm zwischendurch, aber am Ende versöhnlich. Wir sind alle mit aufgerichtetem Kopf herausgekommen und ich bekam Glückwünsche von den meisten.
Der Verband soll erst einen Millionenbetrag gefordert haben. Dann einigte man sich darauf, dass Prämien fällig werden, wenn Bordeaux international spielt. Hat Ihr Verhältnis zu Nati-Direktor Pierluigi Tami gelitten?
Ich habe ihm von Anfang an gesagt, dass es nie ums persönliche geht. Man muss privat und Geschäft trennen. Wir haben die Türe nicht geschlossen, das mache ich nie. Im Leben weiss man nämlich nie.
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Was hat Ihre Frau gesagt? Schliesslich waren Sie als Nati-Trainer viel zu Hause, nun werden Sie in Bordeaux wohnen.
Meine Frau steht immer hinter mir, egal, was ich mache. Sie hat mir immer die Initiative gelassen. Als ich in Italien trainierte, war sie jede Woche bei mir. In die Türkei ist sie 20 Mal zu mir gekommen. Und sie reist mit meinen beiden Töchtern schon am Dienstag hierher an und bleibt bis nach dem ersten Spiel am Sonntag.
Wann haben Sie die Nati-Spieler informiert?
Als ich grünes Licht bekam, habe ich die meisten versucht anzurufen, einige hatten sich schon vorher gemeldet. Auch Ex-Spieler schrieben mir. Viele Nachrichten haben mich menschlich sehr berührt.
Die WM-Qualifikation in einer Gruppe mit Europameister Italien ist extrem schwer zu schaffen, weil nur der Gruppensieger sicher dabei ist. Spielte das eine Rolle in Ihren Überlegungen?
Nein. Italien war Favorit, ist nach dieser EM noch stärker. Aber jetzt kommen sie gleich zum ersten Spiel nach der EM in die Schweiz. Wir haben damals Europameister Portugal im ersten Spiel nach der EM 2016 2:0 geschlagen – vielleicht gelingt das auch jetzt wieder. Aber es sollte kein Problem sein, mindestens den zweiten Platz in dieser Gruppe zu erreichen und dann WM-Playoffs zu spielen.
Sie waren sieben Jahre lang Nationaltrainer. Kann man sagen, dass Sie lange den Respekt vermisst haben?
Ich bin es gewohnt, dass ich nach meinem Abgang bisweilen mehr Wertschätzung bekomme. Aber in den letzten zwei, drei Jahren habe ich in der Schweiz viel Respekt auf der Strasse gespürt. Es gab ein Erlebnis in Ascona, das mir fast peinlich war. Ich lief mit der Familie über die Piazza, in den Restaurants standen alle auf und klatschten …
Dieser Helden-Sieg gegen Frankreich änderte vieles im Gefühl gegenüber der Nati.
Ja, resultatmässig hat es vieles geändert. Aber ich bin stolz auf die ganzen sieben Jahre, wir haben die Mentalität geändert und auch einen Generationenumbruch geschafft.
Wie war für Sie das Penaltyschiessen gegen Frankreich an der Linie?
Ich hatte ein gutes Magengefühl. Ich spürte, dass es gut kommt. Gegen Spanien war mein Gefühl neutral. Wir hatten viel Kraft gebraucht, um 120 Minuten das 1:1 zu halten. Es war eine Frage der physisch-mentalen Bereitschaft, es fehlten vielleicht fünf Prozent Konzentration. Doch als die Spanier den ersten verschossen … Ich denke heute noch, wir hätten viel mehr erreichen können.
Bordeaux hat Sie mit einem Video zu diesem Spiel vorgestellt, was nicht allen Frankreich-Fans gefiel.
Es war ein bisschen provokativ, aber dahinter steckt auch Strategie. Bordeaux ist sehr modern bezüglich Medien.
Man hat Sie nie so jubeln gesehen wie danach mit Granit Xhaka.
Es brach vieles aus mir heraus. Weil wir uns über so viele Jahre so unterstützten. Die Emotionen übermannten alle im Team, im Staff.
Ihr Verhältnis zu Xhaka ist aber schon speziell. Da Sie so eng mit ihm waren, war es bestimmt auch schwieriger mit Xherdan Shaqiri.
Nein, ich glaube nicht, ich habe mit Xherdan auch lange telefoniert nun nach meinem Wechsel. Ich habe immer wieder probiert, eine Linie zu haben und viel Respekt gegenüber den Spielern zu geben. Aber es ist schon so: Alle sind gleich, jemand ist gleicher. So ist das in einer Mannschaft.
Wenn Sie die sieben Jahre anschauen: Was war die extremste Situation? Der Doppeladler im Spiel gegen Serbien?
Wahrscheinlich schon. Wir haben da viel mentale Energie verloren. Uns war vor Ort in Russland nicht bewusst, was es ausgelöst hat in der Schweiz. Für uns war nur die Fifa-Strafe wichtig, wir realisierten nicht, was da los war. Aber eben, am Ende sind wir nun als Sieger herausgekommen.
Einige behaupten immer wieder, die Nati oder Sie würden aus Rassismus-Gründen negativer beurteilt. Empfanden Sie es selber auch so?
Nein. Das sind Interpretationen, aber am Ende hat es nichts mit Rassismus zu tun, wir sind doch alles aufgeschlossene und offene Menschen. Gerade, wenn man im Fussball mit so vielen Menschen und Nationalitäten arbeitet.
Was reizt Sie am Projekt Bordeaux?
Das Projekt. Es gibt einen neuen Besitzer, es wird vieles geändert. Das Ziel ist es, in drei Jahren europäisch zu spielen. Wir können etwas aufbauen. Gute Resultate würden dabei helfen.
Das Budget soll 112 Millionen Euro betragen.
Ich weiss es nicht. Aber weil in der Zeit vor dem neuen Besitzer der Konkurs drohte, können wir nur kaufen, wenn wir verkaufen.
Nehmen Sie einen Nati-Spieler mit?
Im Moment nicht. Aber ich spreche mit dem Sportchef weniger über Namen, mehr über Profile.
Wie gut ist Ihr Französisch?
Es reicht für die Fussballsprache, für Trainings und für Spiele. Aber nicht für Pressekonferenzen und Gespräche. Darum werde ich Französischkurse nehmen.
Wie gut kennen Sie die Weine?
Ich kenne sie schon, habe in meinem Keller neben spanischen und italienischen Flaschen welche. Aber ich habe hier genug Zeit, sie zu probieren.
Möchten Sie noch ein paar Worte an die Schweizer Fans richten?
Ich möchte mich bedanken bei der ganzen Schweizer Bevölkerung. Dass sie alle so hinter uns standen und auch mir immer wieder Kraft gegeben haben. Ich möchte auf diesem Weg bei allen Wegbegleitern rund um die Mannschaft, bei den Spielern und Funktionären Danke sagen. Es war für mich eine grosse Ehre, Nati-Trainer gewesen zu sein.
Vladimir Petkovic muss los, nach Troyes, hat eine vierstündige Fahrt zum ersten Testspiel vor sich. Aber er hat mehr Energie und Schalk als am Tag zuvor. Er verabschiedet sich mit einem Blick zurück und nach vorne: «Auch mit euch hatte ich zehn Jahre Probleme. Als ich YB-Trainer war, habt ihr immer auf der Dreierkette rumgehackt, die sieben Nati-Jahre danach hatten wir ja auch einige Auseinandersetzungen. Aber es ist schön, wie wir auseinandergehen. Und dies ist das, was zählt.»
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | Paris Saint-Germain | 11 | 23 | 29 | |
2 | AS Monaco | 11 | 10 | 23 | |
3 | Olympique Marseille | 11 | 9 | 20 | |
4 | OSC Lille | 11 | 7 | 19 | |
5 | Olympique Lyon | 11 | 3 | 18 | |
6 | OGC Nizza | 11 | 10 | 17 | |
7 | Stade Reims | 11 | 4 | 17 | |
8 | RC Lens | 11 | 3 | 17 | |
9 | AJ Auxerre | 11 | 1 | 16 | |
10 | Toulouse FC | 11 | 2 | 15 | |
11 | RC Strasbourg Alsace | 11 | -2 | 13 | |
12 | Stade Brestois 29 | 11 | -5 | 13 | |
13 | FC Stade Rennes | 11 | -5 | 11 | |
14 | FC Nantes | 11 | -3 | 10 | |
15 | Angers SCO | 11 | -7 | 10 | |
16 | AS Saint-Étienne | 11 | -15 | 10 | |
17 | Le Havre AC | 11 | -15 | 9 | |
18 | Montpellier HSC | 11 | -20 | 7 |