Sommer 2004. Ottmar Hitzfeld beendet sein erstes von zwei Engagements als Bayern-Trainer. Der Berg an Titeln und Trophäen, die er in München, aber auch schon zuvor in Dortmund, bei GC oder Aarau angehäuft hat, ist riesig. Zweifacher Champions-League-Sieger! Der Mann gehört zur Crème de la Crème im europäischen Fussballzirkus. Und doch ist er in jenem Sommer an einem persönlichen Tiefpunkt angelangt. Physisch und besonders psychisch.
Die Signale, die sein Körper nach den äusserst intensiven, von enormem Druck geprägten Jahren aussendet, sind heftig. Im Buch «Am Limit – Wie Sportstars Krisen meistern» spricht er ausführlich und offen über seine dunkelsten Stunden. Jene vor 17 Jahren.
«Im Auto hatte ich plötzlich Platzangst. Ich kurbelte das Fenster runter, aber fühlte mich trotzdem eingeengt», sagt er in einem SWR-Beitrag über besagtes Buch. Der Lörracher, der schon früh in seiner Karriere unter Heimweh litt, berichtet von Rückenschmerzen und Schlafstörungen. Er habe als Trainer nie wirklich abschalten können.
«Ich war depressiv»
Hitzfeld erzählt: «Ich war unglücklich, konnte mich nicht mehr freuen. Das war das Schlimmste.» Ein gemütliches Glas Wein mit seiner Frau Beatrix, für die der Gemütszustand ihres Ehemannes ebenfalls eine grosse Belastung war, lag nicht mehr drin. «Ich war depressiv in dieser Zeit», so der heute 72-Jährige.
Aufgrund seines damals labilen Zustands habe er auch das reizvolle Angebot, Bundestrainer zu werden, nicht annehmen können. In Engelberg OW, wo die Familie einen Zweitwohnsitz hat, versucht sich Hitzfeld ins Leben zurückzukämpfen: «Ich lag oft im Bett und hätte am liebsten die Decke über den Kopf gezogen. Ich dachte, ich kann nicht aufstehen. So verzweifelt war ich.» Erst durch Antidepressiva wird er allmählich ruhiger. Und dank sozialer Abschottung, viel Ruhe und einzelnen Gesprächen mit einem Psychiater.
Als er sich vom Burnout erholt hat, nach zwei Jahren, springt er noch einmal als Bayern-Trainer ein, ehe er als Nati-Coach anheuert und die Schweiz an zwei Weltmeisterschaften führt.
Mit 65 beendet der bis heute erfolgreichste Vereinstrainer Deutschlands endgültig seine Karriere. Rückblickend sagt er dazu: «Das war eine der besten Entscheidungen, die ich getroffen habe.» (mpe)