Ex-Inter-Star Adriano wohnt in einer Favela
«Ich wurde nicht entführt, ich habe mich versteckt»

Ex-Inter-Stürmer Adriano spricht über sein Leben in der Favela. Der 42-Jährige erklärt, warum er den Luxus in Europa gegen das harte Leben in Rio eingetauscht hat. «Hier werde ich respektiert», sagt er.
Publiziert: 14.11.2024 um 19:48 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2024 um 22:54 Uhr
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Adriano erzählt in «The Players Tribune» seine Lebensgeschichte und erklärt, wieso er zurück in die Favelas von Rio wollte.
Foto: AP

Auf einen Blick

  • Adriano verliess den Luxus Europas für die Favelas von Rio de Janeiro
  • Heimweh und Alkohol prägten seine Zeit bei Inter
  • Tod seines Vaters prägte sein Leben
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Cédric HeebRedaktor Sport

Vier italienische Meistertitel, zwei Coppa-Siege und zwei Supercup-Erfolge verzeichnete der brasilianische Stürmer Adriano zwischen 2006 und 2009 mit Inter (177 Spiele). Doch dann wollte der bullige Knipser nicht mehr.

Von der «Flucht nach Brasilien» war damals die Rede. «Niemand hat verstanden, warum ich in die Favelas zurückging. Man glaubte, ich wurde entführt – dabei habe ich mich versteckt», erzählt der mittlerweile 42-Jährige in «The Players Tribune».

Heute lebt er in Vila Cruzeiro, einem Stadtteil von Rio de Janeiro, wo Drogenbosse das Sagen haben und eigene Gesetze herrschen. Doch es war ein bewusster Entscheid, zurückzukehren.

«Ich habe im Nobelteil von Rio gelebt.» Aber seine Wurzeln seien in Favela vergraben, so der Copa-América-Sieger von 2004. Vila Cruzeiro sei nicht der beste Ort der Welt: «Eher das Gegenteil. Es ist gefährlich, das Leben hart und die Menschen leiden.» Doch die Lebensfreude, die in den Strassen herrsche, sei einzigartig. «In Europa ist alles ruhig, die Menschen grüssen sich nicht, jeder geht seinen Weg.»

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«Habe meinen Arsch mit Wodka gefüllt»

Adriano, der sich in seiner Geschichte selbst als «Verschwendung» bezeichnet, nimmt den Leser mit auf eine Tour durch die Gegend, erzählt von Jugendfreunden, seinem Vater, dem Fussballspielen in der Nachbarschaft. Wie man sich Brasilien eben vorstellt.

Er spricht über seinen Vater, der in der Gemeinschaft ein hohes Ansehen genoss. 2006 wurde er, wie der Ex-Fussballer erzählt, brutal erschossen. Adriano: «Der Tod meines Vaters hat mein Leben verändert.» Bis heute habe er ihn nicht verarbeitet.

Während seiner Zeit bei Inter (total 74 Tore) habe er starkes Heimweh verspürt. Adriano erzählt, wie er einst bei seinem Teamkollegen und «guten Freund» Clarence Seedorf (48) Weihnachten verbringen durfte: «Es war elegant, alles war wunderschön, aber um ehrlich zu sein: Ich wollte in Rio sein.» Sein Heimweh ertränkte er im Alkohol, dem er ohnehin nie abgeneigt war: «Ich habe meinen Arsch mit Wodka gefüllt. Ich weinte die ganze Nacht.»

Adrianos Karriere-Stationen

Januar 2000 bis August 2001: Flamengo (10 Spiele)

August 2001 bis Januar 2002: Inter (14 Spiele)

Januar 2002 bis Juni 2002: Fiorentina (15 Spiele)

Juli 2002 bis Januar 2004: Parma (45 Spiele)

Januar 2004 bis Januar 2008: Inter (123 Spiele)

Januar 2008 bis Juni 2008: Sao Paulo (28 Spiele)

Juni 2008 bis Mai 2009: Inter (19 Spiele)

Mai 2009 bis Juli 2010: Flamengo (38 Spiele)

Juli 2010 bis März 2011: AS Roma (8 Spiele)

März 2011 bis März 2012: Corinthians (7 Spiele)

August 2012 bis November 2012: (keine Spiele)

Januar 2014 bis April 2014: Athletico Paranaense (3 Spiele)

Januar 2016 bis Mai 2016: Miami United (keine Spiele)

Quelle: transfermarkt.ch

Januar 2000 bis August 2001: Flamengo (10 Spiele)

August 2001 bis Januar 2002: Inter (14 Spiele)

Januar 2002 bis Juni 2002: Fiorentina (15 Spiele)

Juli 2002 bis Januar 2004: Parma (45 Spiele)

Januar 2004 bis Januar 2008: Inter (123 Spiele)

Januar 2008 bis Juni 2008: Sao Paulo (28 Spiele)

Juni 2008 bis Mai 2009: Inter (19 Spiele)

Mai 2009 bis Juli 2010: Flamengo (38 Spiele)

Juli 2010 bis März 2011: AS Roma (8 Spiele)

März 2011 bis März 2012: Corinthians (7 Spiele)

August 2012 bis November 2012: (keine Spiele)

Januar 2014 bis April 2014: Athletico Paranaense (3 Spiele)

Januar 2016 bis Mai 2016: Miami United (keine Spiele)

Quelle: transfermarkt.ch

Adriano wollte Frieden und hat ihn gefunden

Heute lebt er dort, wo er Adriano Leite Ribeiro sein kann, der Junge aus der Favela. «Hier gibt es keine Ratten, hier verrät mich keiner.» Er habe die Freiheit gebraucht: «Ich wollte Frieden. Ich wollte leben. Ich wollte wieder Mensch sein.» In seiner Heimat könne er barfuss und ohne T-Shirt herumlaufen, auf dem Randstein sitzen, an seine Kindheit zurückdenken und mit Freunden die Zeit geniessen.

Die abschliessende Frage: «Was will ich noch mehr? Hier werde ich respektiert. Hier habe ich gelernt, was Gemeinschaft bedeutet.» Und eben: «Vila Cruzeiro ist nicht der beste Ort der Welt – aber er ist mein Ort.»

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