Auf einen Blick
- Ailton kritisiert die Entwicklung im modernen Fussball
- Er vergleicht hohe Gehälter für Jugendliche mit der Wirkung von Drogen
- Ailton veröffentlichte ein Buch unter dem Titel «Mein Fussballmärchen»
Mit Werder Bremen feierte Ailton seine grössten Erfolge. 2004 holte der heute 51-jährige Stürmer das Double. In der Schweiz hinterliess der wegen seiner Physis liebevoll als Kugelblitz bezeichnete Brasilianer ein halbes Jahr lang als GC-Spieler seine Spuren.
Anfang November veröffentlichte er seine Biografie unter dem Titel «Mein Fussballmärchen». In einem Interview mit «T-Online» blickt er nochmals auf seine aussergewöhnliche Karriere zurück und rechnet mit den Auswüchsen des modernen Fussballs ab.
Ailton wechselte vor 25 Jahren nach Bremen. Anfangs hatte der Brasilianer Mühe, sich zu integrieren, stand sportlich hinten an. «2024 wäre das unvorstellbar. Kein Brasilianer würde so viel Geduld aufbringen. Ein Brasilianer kommt heute zum Verein und will morgen sofort spielen», gibts einen ersten Seitenhieb gegen die heutige Fussballgeneration.
Der Fussball wird ihm zu unpersönlich
Doch Ailtons Geduld zahlte sich aus, als ihn Fans und Experten für immer bessere Leistungen bejubelten, begann er sich zu öffnen. «Spässe in der Kabine, brasilianische Musik, fünfminütige Verspätungen. Man hat vielleicht auch einen Moment gebraucht, um mich zu verstehen. Aber das war vor 25 Jahren. Der Fussball hat sich meiner Meinung nach grundlegend verändert – und nicht zum Positiven.»
Beispielsweise wurde er immer unpersönlicher: «Der Chefcoach lässt seine Assistenten für sich arbeiten und auch die Kommunikation übernehmen. Was soll das?» Er selbst habe sich mit Bremens Trainerlegende Thomas Schaaf wegen taktischer Anweisungen angelegt: «Er hat mich dann analysiert und ist zum Schluss gekommen: Ailton ist am besten, wenn ich ihn machen lasse.»
Die meisten Trainer würden den Spielern heute aber keine Freiheiten mehr geben, ihnen nicht das Vertrauen schenken, auf dem Platz eigenständige Entscheidungen treffen und so zu Robotern machen. «Aus Angst setzen sie auf sichere, starre Systeme.» Dabei würde doch «gerade der Mut zum Risiko den Reiz» im Fussball ausmachen.
Gehälter für Jugendliche wie Drogen
Der steigende Druck durch die monetäre Entwicklung habe da einen Einfluss. Für Ailton kann das viele Geld denn Fussball aber auch auf andere Weise «lähmen». So fragt er sich, ob die Profis heute aus Leidenschaft spielen würden. «Ich habe in erster Linie aus Lust am Fussball gespielt. Heute? Da ist die erste Motivation nicht mehr die Liebe zum Sport, sondern das Geld.»
Schuld an dieser Entwicklung sind nicht die Spieler, sondern Eltern und Berater: «15-, 16-Jährige wollen spielen, weil sie Freude daran haben.» Das Umfeld frage aber sofort nach dem Lohn. Wechsel würden des Geldes wegen, nicht der Entwicklung wegen angestrebt. «Fatal», nennt er dies und zieht einen extremen Vergleich: «Jugendliche werden schon früh durch die hohen Gehälter angefixt wie mit Drogen.»
Neymar «macht ein Jahr lang Party»
Dass Spieler irgendwann immer mehr Geld wollen, sei die Folge. Wobei der «Kugelblitz» Cristiano Ronaldo trotz dessen Saudi-Wechsel von dieser Kritik ausnimmt. Der Portugiese kassiert zwar einen Gehalt, wie ihn «niemand» erhalten sollte, trage den Fussball aber weiter im Herzen. «Er bleibt Vollprofi, könnte auch anders an die Sache in Saudi-Arabien rangehen, sich mit Wehwehchen immer wieder mal Auszeiten nehmen – sein Gehalt erhält er trotzdem.»
Für Ailton ist Ronaldo damit willkommenes Gegenbeispiel zu seinem Landsmann: «Schauen Sie sich dagegen Neymar an … der hat ein Jahr gefehlt und in der Zwischenzeit in Brasilien nur Partys gefeiert.» Und um Ailtons Punkt zu unterstrichen, ist Neymar kurz nach seinem Comeback bereits wieder verletzt.