Wer Fabian Schär nicht kennt und sich ein Highlight-Video seiner schönsten Tore ansieht, würde nie im Leben drauf kommen, dass da ein Innenverteidiger auf dem Rasen steht. Nein, das muss ein offensiver Mittelfeldspieler sein. Ein schussgewaltiger Spieler. Ein Typ wie Matt Le Tissier.
50 Pflichtspieltore hat Schär in seiner Karriere erzielt. Darunter einige, die zum Tor des Jahres taugen. Sein 25-Meter-Strahl gegen Burnley zum Beispiel. Herrlich. Oder sein Schuss ins Kreuz in der Champions League gegen Paris Saint-Germain. Für den FCB erzielt er gegen YB einen Treffer per Seitfallzieher. Sein spektakulärstes Tor aber markiert der Ostschweizer im Dress seines Herzensvereins, dem FC Wil.
Dreizehn Jahre sind vergangen, seit sich der damals erst 19-jährige Challenge-League-Spieler aus über 60 Metern ein Herz nimmt und Aarau-Goalie Joel Mall düpiert. Bereits den ersten Treffer erzielt Schär per direkt verwandeltem Freistoss. Es ist jener Match, der den Innenverteidiger endgültig auf die Fussball-Landkarte katapultiert.
Jugendtrainer hätte nicht auf Schär gewettet
Dass da einer kommt, der insgesamt 86 Länderspiele absolvieren und zu den spielstärksten Verteidigern der Schweizer Fussballgeschichte werden wird, ist trotzdem nicht abzusehen. Sein Jugendtrainer Philipp Dux sagt, dass er nicht auf Schär gewettet hätte. Der habe zwar gewisse Fähigkeiten gehabt, so Dux. Sei «technisch überdurchschnittlich gut» gewesen. Doch vor allem im physischen Bereich habe er grosse Defizite gehabt. Aus diesem Grund fliegt Schär aus der U16 des FC Wil, muss zurück in den Breitensport, kickt phasenweise in der 3. Liga. Der Profifussball scheint weit weg, die Nati sowieso. Dux sagt: «Vielleicht hats das auch ein wenig gebraucht. Ein Schuss vor den Bug zur richtigen Zeit.»
In der 3. Liga kickt Schär zusammen mit den besten Kumpeln. Er darf im offensiven Mittelfeld ran, hat wieder Spass. Der Rest ist Geschichte. Der Wiler, der zu jenem Zeitpunkt eine Lehre auf der Raiffeisenbank absolviert, startet richtig durch. Via Basel, Hoffenheim und La Coruna gehts im Sommer 2018 zu Newcastle United. Und dort hat sich «Fab», wie die Fans Schär nennen, zum absoluten Publikumsliebling und Leistungsträger entwickelt.
Kein Zwist mit Yakin
Umso überraschender, dass Nati-Coach Murat Yakin sowohl an der WM 2022 als auch in der darauffolgenden EM-Quali nicht auf Schär setzte. Erst an der Euro durfte der Rechtsfuss wieder von Beginn an in die Hosen. Der Wiler zahlts mit starken Leistungen zurück, ist mitverantwortlich für die Viertelfinal-Qualifikation.
Dass Schär in dieser Form auch an der WM 2026 eine Rolle gespielt hätte, ist klar. Trotzdem hört er auf. «Ich will gehen, wenns am schönsten ist», sagt Schär. Und was gibts Schöneres als ein letztes Spiel an einer Euro gegen das Land seiner Premier-League-Gspändli?
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Der Fokus gelte, so Schär, jetzt Newcastle United: «Ich bin ein Spieler, der sehr stark auf seinen Körper hören und schauen muss. Man wird nicht jünger und ich brauche die Zeit in den Nati-Pausen, um weiterhin auf Top-Niveau zu spielen.» Dass es Differenzen mit Murat Yakin gegeben habe, weil dieser vor der EM nicht bedingungslos auf ihn gesetzt habe, verneint Schär. Sein Verhältnis mit dem Nati-Trainer sei top. Und das sei schon immer so gewesen.
Dass Yakin in Schär auch ein bisschen sich selber gesehen hat, dürfte klar sein. Schliesslich war auch der Nati-Coach als Spieler einer der gefährlichsten Innenverteidiger der Schweiz. 60 Pflichtspieltore sprechen für sich. Ob Schär diese Marke noch knacken wird?