«Hatte Angst, dass sich Leute von mir abwenden»
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Brunner über neuen Status:«Hatte Angst, dass sich Leute von mir abwenden»

Cédric Brunner und Francisco Rodriguez
Zwei Schweizer Ex-Profis reden über Depressionen

Zwei Schweizer Ex-Fussballer brechen das Tabu psychischer Erkrankungen im Profisport. Cédric Brunner und Francisco Rodriguez teilen ihre persönlichen Kämpfe und Bewältigungsstrategien in einem Bericht des Magazins «11 Freunde».
Publiziert: 29.03.2025 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2025 um 09:28 Uhr
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Cédric Brunner hat in seinem Fussballerleben schwierige Zeiten durchgemacht.
Foto: imago/RHR-Foto

Darum gehts

  • Fussballprofis sprechen über psychische Gesundheit im konservativen Fussballgeschäft
  • Cedric Brunner und Francisco Rodriguez teilen ihre Erfahrungen mit Angstzuständen und Depression
  • Rodriguez erhielt 2019 die Diagnose mittelschwere Depression und wurde in eine Klinik eingewiesen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Carlo Emanuele FrezzaReporter Fussball

«Der Fussball ist voller Machos.» Eine Aussage, die das Potenzial hat, eine heftige Diskussion auszulösen.

Umso mehr, weil sie nicht etwa von einem überzeugten Fussballkritiker stammt. Gesagt hat es Cédric Brunner (31), der ehemalige Rechtsverteidiger des FCZ, von Bielefeld und Schalke 04. Einer, der die Fussballwelt in- und auswendig kennt.

Brunners Intention bei diesen Worten ist aber keineswegs eine knallharte Abrechnung mit seinem langjährigen Berufsfeld. Er äussert sich, um für das Thema psychische Gesundheit zu sensibilisieren.

Allmählich enttabuisiert

Noch immer ist es im Leistungssport – insbesondere im Fussball – schwer, darüber zu sprechen. Vor wenigen Jahren galt es wie im Rest der Gesellschaft noch als ein absolutes Tabuthema. Inzwischen hat sich aber etwas getan. Das ist den vielen Sportlern zu verdanken, die an die Öffentlichkeit gegangen sind, um ihre Geschichte zu erzählen.

So auch jetzt wieder in einem Bericht des Fussballmagazins «11 Freunde». Darin schildern mehrere Fussballer und Fussballerinnen, wie sie mit einer psychischen Erkrankung während ihrer Laufbahn umgegangen sind. Zwei davon sind Schweizer. Einer ist Brunner, der andere Francisco Rodriguez (29).

Bei Rodriguez war es eine «unbekannte Verletzung»

Der jüngste der drei Brüder aus der fussballverrückten Rodriguez-Familie bekam 2019, als er beim FC Lugano unter Vertrag war, die Diagnose «mittelschwere Depression». Als er sich in eine Klinik einwies, sei es ihm hundeelend gegangen, offenbart er heute. «Ich war zwar physisch auf dem Spielfeld, aber ich war nicht wirklich da. Irgendwann verlor ich die Kontrolle über meinen Körper. Ich dachte nur: Das geht nicht. Ich kann nicht krank sein, ich bin doch Fussballprofi. Was soll die Öffentlichkeit denken?»

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Auch deshalb gab der Klub lange an, dass Rodriguez unter einer unbekannten Verletzung leide. Währenddessen bestand seine Reha nicht etwa aus Physiotherapie, sondern aus Gesprächs- und Maltherapien, Antidepressiva und Schlafmitteln.

Als Rodriguez nach einigen Wochen aus der Klinik entlassen wurde, wechselte er den Klub und sprach danach völlig offen in einem TV-Interview über seine Erkrankung. «Für meine sportliche Karriere war es kontraproduktiv. Ich glaube, dass Sportdirektoren es sich nach so einer Nachricht zweimal überlegt haben, ob sie mich verpflichten wollen», meint er.

Wie Brunner seine Angstzustände besiegt hat

Anders als Rodriguez kämpfte Brunner nicht mit Depressionen, dafür mit Angstzuständen. «Ich war vor jedem Spiel so nervös, dass ich Durchfall bekam. Damit war ich bei Weitem nicht der Einzige. Das kann man sich gar nicht vorstellen, was da vor einem Bundesligaspiel für eine Geräuschkulisse aus den Toilettenkabinen kommt», erzählt er.

Schon lange bevor Brunner in Deutschland durchstartete, fing er an, zum Psychotherapeuten zu gehen. Um sein Kopfchaos aufzuräumen, formulierte er vor jedem Spiel konkrete Ziele. «Ich schrieb auf: Ich will in der ersten Halbzeit drei gute Flanken schlagen. Meine ersten vier Pässe sollen ankommen.» Später steckte er sich weitreichende Ziele: «Ich will dieses Jahr 20 Startelfeinsätze haben.»

«Das Geschäft ist konservativ»

Eine Methode, die Brunner geholfen hat, um aus schwierigen Momenten herauszufinden. Auch wenn er im Nachhinein etwas bereut. «Ich bin immer nur zum Psychologen gegangen, wenn es mir schlecht ging. Dabei hätte ich präventiv an meiner inneren Verfassung arbeiten sollen.»

Denn für Brunner ist klar: «Der Fussball ist voller Machos, es geht viel um Männlichkeit und Stärke, im Kern ist das Geschäft total konservativ. Für Menschlichkeit oder vermeintliche Schwäche bleibt wenig Spielraum.» Offenbarungen wie jene von Brunner und Rodriguez helfen aber dabei, dass das Machogehabe im Fussball allmählich an Bedeutung verliert.

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