Wer den Stadteingang von Dortmund mit dem Auto passiert, der spürt die Rivalität und Vorfreude schon nach einigen Metern. «Entscheidend ist aufm Platz, nicht auf der Wiesn …» steht auf einem Plakat, das auf den Knüller Dortmund gegen Bayern von diesem Samstag hinweist.
Über 81'000 Fans werden das Westfalenstadion in einen Hexenkessel verwandeln. 25'000 von ihnen, fanatische BVB-Anhänger auf der Südtribüne, wird Gregor Kobel (24) im Rücken spüren. «Ein Wahnsinns-Gefühl», sagt er. Gänsehaut hat er während dem Spiel aber keine: «Dafür ist man zu konzentriert. Die Gänsehaut kommt, wenn man's nachher nochmals sieht.» Es soll gegen die Bayern das erste Spiel des 1,95-Meter-Mannes werden nach vier Wochen Pause wegen eines Muskelfaserrisses.
Der Schweizer Torwart sitzt im Restaurant Vetro in Dortmund-Aplerbeck. Hohe Fensterfronten, gedämpftes Licht, Ledersitze, Wein- und Fleischreifekühlschränke sorgen für Ambiente im Nobel-Italiener.
Gregor Kobel, haben Sie schon Angst vor der nächsten Abreibung?
Sie meinen wegen Bayern?
Sie haben fünf Mal gegen sie gespielt – und fünf Mal verloren.
Ja, das ist so. Ein Fakt, kein schöner. Aber jede Serie reisst irgendwann. Wir werden alles tun, dass es schon diesen Samstag so weit ist. Mit unseren Fans im Rücken. Übrigens habe ich zu unserem Stadion wegen der Nati einen besonderen Bezug.
Inwiefern?
Mit acht Jahren bei der WM 2006 war ich als Fan auf der Tribüne. Bei Schweiz gegen Togo, vor 50'000 Fans, mit Schweiz-Brille, Schal, voller Montur. Und jetzt spiele ich selber da unten … Schon ein kleiner Traum.
Nun am Samstag gegen die Bayern, die noch nicht überzeugten. In welcher Mannschaft steckt mehr Qualität?
Wir müssen uns nicht verstecken. Die Bayern sind vielleicht noch ein Stück eingespielter, wenn man ehrlich ist, weil sie länger zusammen spielen, aber wir haben die Qualität, das Spiel zu gewinnen. Es ist das grösste Spiel in der Bundesliga.
Es wäre langsam an der Zeit, dass Dortmund wieder mal Meister wird.
Auf jeden Fall. Wir haben immer das Ziel, Titel zu holen. Das ist der Anspruch von Borussia Dortmund, wir wollen den maximalen Erfolg.
Nur wird das schwierig, wenn man gegen Werder Bremen bis zur 89. Minute 2:0 führt und dann noch 2:3 verliert.
Ich stand da im Tor und konnte es nicht realisieren erst. Ich fragte mich, ob das jetzt wirklich passiert ist. Als ob es ein Traum gewesen wäre.
In der Schweiz sind die Bundesliga-Fans dank exklusiven Highlight-Videos von SPORT1 auf Blick jederzeit am Ball.
Über die besten Momente sämtlicher Spiele sowie alle Tore der 1. und 2. Bundesliga hinaus gibts zusätzlich nach jedem Spieltag eine eigene Rubrik, in der die Schweizer Bundesliga-Legionäre ganz genau unter die Lupe genommen werden.
Alle Zusammenfassungen stehen nach den Runden jeweils ab Montag um Mitternacht bereit.
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Da – und auch nach dem 2:3 zuletzt in Köln – dachte man wieder: Typisch Dortmund – nicht bereit, wenn die Bayern schwächeln.
Nein. In den Partien, als Bayern unentschieden spielte, gewannen wir. Aber ja, solche Partien wie gegen Bremen und Köln mit diesem Spielverlauf darfst du nicht verlieren. Aber es gehört zum Prozess dazu, sich zu verbessern.
Habt ihr ein mentales Problem?
Nein. Es heisst einfach weiterarbeiten, Fehler minimieren. Wir verteidigen zum Beispiel schon viel besser und holten viele Spiele knapp nach Hause. Ich bin super positiv, was das angeht.
Sie mussten fast vier Wochen pausieren. Wie geht es Ihnen nach Ihrer Verletzung?
Ich spürte im Abschlusstraining etwas und zeigte es dem Arzt. Er erkannte gleich Flüssigkeit im Oberschenkel und einen Muskelfaserriss. Und bei so etwas kannst du halt nicht auf die Zähne beissen, weil es sonst nicht verheilt und immer grösser wird. Aber gegen die Bayern kann ich aller Voraussicht nach wieder spielen.
Was gefällt Ihnen an Bayern München?
Sie haben sehr gute Jahre hinter sich, das muss man anerkennen. Den einen oder anderen Titel würde ich auch nehmen.
Welche Spieler?
Ich bin zufrieden mit den Jungs in meinem Team.
Was hätten Sie gerne von Manuel Neuer?
Schon den einen oder anderen Titel in der Bundesliga. Und da war er noch Weltmeister und Welttorwart. Aber für solche Dinge trainiere ich ja.
Wo sind Sie besser als er?
Ich mag so gar nicht über mich selber reden. Aber er war eine Inspiration und ein Ansporn für mich, immer.
Wo ist er im Torwartspiel besser?
Es gibt nichts, was ich eins zu eins übernehmen möchte, das war nie mein Ding. Aber es ist schon so: Ich schaue mir viele andere Torhüter an, versuche gewisse Dinge im Training und im Spiel zu adaptieren, und schaue dann, ob es zu mir passt. Bei Manuel Neuer war das, wie man als Torwart hoch steht und antizipiert. Wie er sich bewegt und positioniert, super spannend.
Vom Marktwert her haben Sie ihn überflügelt – Sie stehen bei 22 Millionen Euro, während er nur noch deren 15 wert ist.
Natürlich macht es mich ein Stück weit stolz, der wertvollste Torwart der Bundesliga zu sein. Es zeigt einem ja, dass man auf dem richtigen Weg ist. Aber trotzdem bringts dir nicht sonderlich viel. Und Manuel Neuer ist einfach älter, inzwischen 36. Das liegt ja auf der Hand, dass der Marktwert sinkt, das hat aber dann nichts mit der Leistung zu tun.
Welttorwart – ist dies das grösste Ziel oder was würden Sie als dieses bezeichnen?
Wenn man einen einzelnen Titel anstrebt, kommt das nicht gut. Ich will der beste Torhüter werden, der ich sein kann. Da gehört Kopf und Körper dazu – und auch die Mannschaft. Alles spielt rein.
Welche anderen Torhüter inspirierten Sie?
Gigi Buffon, weil er in jedem Alter dazulernen wollte. Und Oliver Kahn, weil die WM 2002 die erste war, an die ich mich erinnere. Seine Präsenz, er als Typ – das faszinierte mich als Kind. Und auch Jens Lehmann, der ja 2006 bei Deutschland im Tor stand. Ich fing als Kind selber an, Goalie zu sein, und beobachtete die beiden.
Lernten Sie sie mal kennen?
Oliver Kahn leider nicht. Jens Lehmann bei Augsburg, wo er für einige Zeit Assistent war. Er gab mir das eine oder andere mit, ich hörte genau zu, wenn so eine Legende etwas sagt. Aber ich schaue mir auch gerne Basketball an, um Dinge zu lernen.
Die NBA?
Ja, seit ein, zwei Jahren. LeBron James fasziniert mich. An den Basketballern fasziniert mich ihre Grösse, ihre Athletik, ihre Sprungkraft, die Beweglichkeit bei solch einer Körpergrösse. Da kann man sich einiges abschauen, wie man sich auch als Torwart bewegt. Und ich spiele heute auch viel, gewann zu Beginn meiner Dortmund-Zeit ein Abendessen.
Wie kam das?
Ich war beim Medizin-Check. Einer meiner Berater sass da, es lag ein Ball herum. Er sagte mir, er zahle mir ein Essen, wenn ich treffe. Der Arzt meinte, ich solle nicht, das verfälsche die Daten. Ich traf aus 14 Metern trotzdem … (lacht) Wir spielen auch viel in der Mannschaft, und ja, meistens schlage ich die Mitspieler.
Was spielt ihr sonst neben dem Fussballplatz?
Ein holländisches Kartenspiel von Donyell Malen, bei dem man bluffen muss. Ich bin übrigens auch ein ganz guter Jasser. Mein Vater und mein Grossvater haben mich von Anfang an erzogen, «Büüter» und «Schieber» zu beherrschen.
Um was jassen Sie?
Um die Ehre.
Sie lesen auch gerne.
Ja, und zwar Bücher, keine E-Books. Ich liebe es, richtige Bücher dabeizuhaben, Technik ist nicht so meins, da sind viele 40-Jährige besser als ich … (lacht) Im Moment sind es viele Biografen, von Kobe Bryant über Roger Federer bis Rafael Nadal, Andre Agassi oder Nike-Gründer Phil Knight.
Was gibt Ihnen sonst Entspannung?
Ich habe seit zehn Monaten einen Dobermann. Ich bin mit Hunden aufgewachsen, er gibt mir sehr viel Freude.
Sie sind in Dortmund seit langem erstmals der einzige Schweizer Torwart. Haben Sie noch Kontakt zu Roman Bürki und Marwin Hitz?
Nein, aber ich kriege immer was mit, was sie gerade machen.
War die Konstellation einfach?
Es war kein Problem. Ich trainierte davor auch ohne Schweizer und jetzt danach auch wieder. Es ist für mich wie immer, normaler Konkurrenzkampf.
In der Champions League starteten Sie mit einem Sieg gegen Kopenhagen, einer Pleite bei Manchester City und einem 4:1 in Sevilla. Ihr Zwischenfazit?
Wir sind voll im Rennen für die Achtelfinals, es ist ordentlich.
Erling Haaland kommt mit Manchester City bald wieder nach Dortmund. Was machen Sie, wenn er alleine auf Sie zukommt?
Ich freue mich natürlich auf ihn. Und wenn er alleine auf mich zukäme, was wir hoffentlich verhindern können, dann wird es interessant: Ich kenne ihn sehr gut, er kennt mich sehr gut. Und ich freute mich schon im Training auf diese Herausforderung, er mag diese genauso wie ich. Er kann null verlieren, bei allem. Total verbissen. Er hört nie auf.
Privat auch?
Privat auch. Immer authentisch, immer voll dran. Er ordnet dem Erfolg alles unter. Darum erstaunen mich auch seine vielen Tore in England nicht. Ein brutaler Spieler. Wir haben manchmal über Snapchat oder Whatsapp bis heute Kontakt.
Waren Sie überrascht von Manuel Akanjis Wechsel zu Manchester City?
Nein, er ist ein überragender Spieler, und ich wünsche ihm nur das Beste. Ausser gegen uns dann.
In der Schweiz sind viele wegen Stéphane Chapuisat Dortmund-Fan geworden. Werden Sie noch auf ihn angesprochen?
Ja, er hat ja unglaublich viele Tore für den BVB geschossen. Ich sah ihn live natürlich nicht mehr spielen, aber die Menschen reden hier immer noch von ihm. Eine Legende. Leider habe ich ihn noch nie getroffen, das will ich gerne nachholen. Es ist halt hier alles eine Religion, alle sprechen nur vom BVB. Ob ich heute Morgen ein Brötchen beim Bäcker holte oder ob ich in den Supermarkt gehe, der eine eigene BVB-Ecke hat. In der Stadt hats überall Plakate, Fahnen und BVB-Aufkleber. Es ist verrückt hier.
Kochen Sie eigentlich selber?
Nein. Ich habe einen Koch, der vorkocht, sodass ich nur noch warm machen muss. Wir haben viele Spiele, sind viel unterwegs.
Ein Koch aus einem Restaurant?
Nein, der ist selbständig. Und kocht abgestimmt mit dem Klub, abgestimmt aufs Trainingsprogramm. Mal mehr oder weniger Kohlehydrate, aber immer gute Qualität. Er kocht für mehrere Spieler. Essen ist mir sehr wichtig, ich bin sogar Investor inzwischen.
Wo denn?
Bei der Schweizer Firma «Be the Change», die nachhaltige Nahrungsergänzungsmittel herstellt. Ich habe die Produkte in meiner täglichen Ernährung eingebaut und wurde dann Geschäftspartner.
Ihre Karriere ist wie am Reissbreit geplant. Erst Abstiegskampf mit Augsburg. Dann zweite Liga mit Stuttgart und dann ein Spitzenklub Dortmund. In Deutschland wäre der nächste Schritt Bayern …
Wir haben uns von Anfang an die Stationen bewusst ausgesucht. Dass es so aufgeht, konnte man nicht wissen. Aber ich bin super happy bei Dortmund. Und Bayern? Jetzt gehts erst mal darum, sie zu besiegen.
Im Ausland wäre es ein Topklub wie bei Manuel Akanji.
Man darf nie an den nächsten Schritt denken, sonst kommt das nicht gut. Man muss sich auf die Leistung konzentrieren. Ein Beispiel: Als ich bei Stuttgart war, kam das Interesse vom BVB. Ich sagte meinem Berater: «Lass mich in Ruhe, ich habe noch einige Spieltage vor mir. Wir sprechen nach dem letzten Spiel.» Sobald du dir Gedanken machst, gehts schief.
Ein wichtiger Ansprechpartner ist Ihr Vater, der selbst Eishockey-Profi bei Davos und dem ZSC war. Besprechen Sie mit ihm Ihre Leistungen?
Nein, nein, nein. Papi darf Papi sein. Er hat mir vieles auf den Weg gegeben, wie man sich als Profi verhalten muss. Das war wichtig. Ich freue mich, dass er mit ein paar Freunden gegen die Bayern im Stadion ist.
Spüren Sie selber eine Entwicklung oder fühlt es sich immer gleich an?
Ein bisschen von beidem. Die Erfahrung spürst du, aber auf dem Platz fühlt es sich immer gleich an. Ihr könnt es von aussen besser beurteilen.
Wo wollen Sie sich neben dem Feld noch verbessern?
Im Golf. Da habe ich gerade erst begonnen, es läuft sehr demütigend.
Reden wir über die Nati. Sind Sie nach der WM 2022 in Katar die neue Nummer 1?
Das kann man nicht sagen, das wäre respektlos gegenüber allen anderen. Ich biete mich im Training an und bringe meine Leistungen beim BVB, den Rest entscheiden die Trainer.
Murat Yakin hat Sie zur Nummer 2 ausgerufen und dann das Rennen hinter Sommer wieder neu lanciert, indem er Jonas Omlin und Sie auf eine Stufe stellte. War das ein harter Schlag für Sie, als im Wembley plötzlich Omlin statt Sie im Tor standen?
Diese Entscheidung musste ich akzeptieren. Das gehört zum Sport.
Was erwarten Sie von der WM?
Dass unsere Jungs ein richtig starkes Turnier spielen.
Haben Sie als Kind schon daran gedacht, dass man als Ersatztorwart ein hartes Los hat?
Nein, da willst du ja rumspringen und Bälle fangen. Und ich machte noch Tennis, Snowboard und so weiter. Und Eishockey, aber mein Vater hatte wohl das Auge, dass ich da nicht allzu talentiert bin.
Was war Ihr grösster Seich, den Sie als Kind gemacht haben?
Wir haben früher im Sommer, wenn die Trams durch Zürich fuhren, mit der Wasserpistole durch die offenen Fenster gespritzt oder Wasserballone geschmissen. Im Winter das Ganze mit Schneebällen gemacht. Aber sonst war ich eigentlich ein braves Kind … (lacht)
Mehr zur Nati
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Bayern München | 10 | 26 | 26 | |
2 | RB Leipzig | 10 | 10 | 21 | |
3 | Eintracht Frankfurt | 10 | 10 | 20 | |
4 | Bayer Leverkusen | 10 | 5 | 17 | |
5 | SC Freiburg | 10 | 2 | 17 | |
6 | Union Berlin | 10 | 1 | 16 | |
7 | Borussia Dortmund | 10 | 0 | 16 | |
8 | Werder Bremen | 10 | -4 | 15 | |
9 | Borussia Mönchengladbach | 10 | 1 | 14 | |
10 | FSV Mainz | 10 | 1 | 13 | |
11 | VfB Stuttgart | 10 | 0 | 13 | |
12 | VfL Wolfsburg | 10 | 1 | 12 | |
13 | FC Augsburg | 10 | -7 | 12 | |
14 | 1. FC Heidenheim 1846 | 10 | -2 | 10 | |
15 | TSG Hoffenheim | 10 | -6 | 9 | |
16 | FC St. Pauli | 10 | -5 | 8 | |
17 | Holstein Kiel | 10 | -13 | 5 | |
18 | VfL Bochum | 10 | -20 | 2 |