Er war Profi-Fussballer beim FC Zürich, dem VfL Wolfsburg, bei Arminia Bielefeld, Luzern und Lugano – und dann fällt der jüngste Rodriguez-Bruder aus heiterem Himmel in ein tiefes, dunkles Loch. Depressionen! Und das mit damals erst 24 Jahren.
Am 27. Oktober 2019 trägt Rodriguez bei der 1:3-Heimniederlage gegen St. Gallen zum letzten Mal für lange Zeit das Dress der Bianconeri.
Ein Jahr später spricht der heutige Profi-Fussballer des FC Schaffhausen ein Tabu-Thema. Rodriguez redet in einem ausführlichen Interview mit dem welschen TV-Sender RTS über seine Depressionen.
«Mental war ich kaputt»
«Ich konnte es nicht mehr steuern. Ich habe es zwar eine Woche lang versucht. Gegen St. Gallen habe ich Ende Oktober noch gespielt, aber ich weiss nicht mehr wie. Mental war ich irgendwie kaputt.» In der Woche darauf entlässt Lugano Trainer Fabio Celestini, es folgt Maurizio Jacobacci.
Rodriguez: «Ich habe noch eine Woche unter Jacobacci trainiert, aber ich war damals mental schon fast K.o. Im Abschlusstraining verletzte ich mich. Danach war für mich alles schwarz. Ich konnte nicht mehr, hatte keine Lust und auch keine Motivation mehr. Da hat es eigentlich angefangen. Es ging immer tiefer und tiefer rein. Ja, ich hatte eine mittelschwere Depression.»
«Warum ich?»
Wie ist es zu dieser psychischen Erkrankung gekommen? «Es ist so schwierig zu erklären, man muss es fast selbst erlebt haben», sagt Rodriguez beim Interview auf dem Pausenplatz in Zürich-Schwamendingen, wo er mit seinem Brüdern Ricardo (FC Turin) und Roberto (30, FC Schaffhausen) schon als Dreikäsehoch dem Ball nachgerannt ist. «Es geht so schnell in die Tiefe, es kommt alles rauf, was in den letzten Jahren passiert ist. Ich sagte mir: Warum ich? Ich bin doch Fussballer, ich bin stark.»
Von wegen stark. Der Profi-Fussballer kommt nicht alleine aus dem Loch, er holt sich professionelle Hilfe. Rodriguez: «Dank der Unterstützung von guten Psychologen und auch dank meiner Familie konnte ich mich nach einer Auszeit von einem Monat in einer Psychiatrischen Klinik wieder raus kämpfen. Doch ich hatte acht, neun Monate zu kämpfen.»
Darum spricht «Cico» erst jetzt darüber
Beim Re-Start am 21. Juni gibt auch der wieder genesene Rodriguez beim 1:1 gegen Servette ein Elf-Minuten-Comeback für Lugano. Seit dieser Saison spielt «Cico» erstmals mit seinem ältesten Bruder im selben Team. Beim FC Schaffhausen.
Weshalb spricht Rodriguez jetzt – und nicht erst nach seiner Karriere – derart offen über seine psychische Krankheit? «Cico» auf RTS: «Für mich war es wichtig, diese Message rüberzubringen, vielleicht auch eine Ansprechperson für Leute zu sein, die das haben.»
So geht es ihm heute
Schlussfrage: Wer ist Francisco Rodriguez heute – nach überstandener Krankheit? «Immer noch der Gleiche. Ich habe einfach Vieles erlebt, mit erst 25. Ich hatte viele Verluste im Leben, der Grossvater, die Mutter, jetzt kamen die Depressionen dazu. Aber: Ich bin immer noch da und es geht mir so gut wie nie. Ich habe viel Erfahrung, das macht einen, denke ich, nur stärker. Ich bin freundlich zu allen Menschen. Ich mache das, was ich liebe, ich spiele Fussball.»
Am Dienstagabend gehts für Rodriguez in der Challenge League gegen den FC Wil. Die Torausbeute des linken Mittelfeldspielers lässt sich bisher durchaus sehen: Sechs Assists, ein Tor in zehn Einsätzen.