FCZ-Aufsteigerin Alketa
Tochter von Ex-Nati-Angreifer Milaim Rama stürmt für den Kosovo

Milaim Rama (48) lief als erster Kosovare für die Schweizer Nationalmannschaft auf. Seine Tochter, FCZ-Stürmerin Alketa (21), geht den umgekehrten Weg.
Publiziert: 28.01.2025 um 09:24 Uhr
|
Aktualisiert: 28.01.2025 um 09:27 Uhr
1/8
20 Jahre liegen zwischen den beiden Nationalmannschaftstrikots von Alketa und Milaim Rama.
Foto: Sven Thomann

Auf einen Blick

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
RMS_Portrait_AUTOR_933.JPG
Lucas WerderReporter Fussball

Wer das Wohnzimmer der Familie Rama in der Aargauer Gemeinde Widen betritt, dem stechen sofort die ausgestellten Trophäen ins Auge. Eine davon hat Milaim Rama (48) erhalten, als er 2002 zum besten albanischen Spieler im Ausland gewählt worden ist. Mit einer anderen ist der langjährige Super-League-Stürmer im gleichen Jahr als Spieler des Monats November ausgezeichnet worden. Doch neben dem halben Dutzend grosser Trophäen stehen auf der Wohnzimmer-Kommode auch ganz viele kleine Trophäen. «Hallenturnier 2015 FC Männedorf All Star Team» steht auf einem. Diesen betrachtet Milaim fast noch lieber als die grossen daneben. Denn es ist nicht seiner, sondern der von Tochter Alketa.

Die 21-Jährige gehört seit letztem Sommer zum Kader der FCZ-Frauen. «Ich bin jetzt schon stolzer auf ihre Karriere als auf meine eigene», freut sich Milaim. Und wie ihr Vater hat es Alketa nicht nur in die höchste Schweizer Liga, sondern auch zur Nationalspielerin geschafft. Im September 2022 debütiert sie in der WM-Quali für den Kosovo. «Mein Vater hatte leider nie die Möglichkeit, für sein Heimatland zu spielen. Darum habe ich mir gedacht, ich schlage den umgekehrten Weg ein und versuche ihn auf diese Art stolz zu machen», erzählt Alketa.

Die Stürmerin hatte zuvor auch Nachwuchsländerspiele für die Schweiz absolviert. Vor ihrem Debüt für den Kosovo sei ihr darum auch bewusst gewesen: «Wenn ich jetzt spiele, gibt es danach kein Zurück mehr.» Bereut habe sie ihren Entscheid aber nie. «Mein erstes Spiel war sehr emotional. Es war ein ganz besonderes Gefühl, das erste Mal dieses Trikot zu tragen und hat mich sehr stolz gemacht», erinnert sich Alketa.

«Im Kosovo reden sie heute noch von der EM 2004»

Ihr Vater ging einst den umgekehrten Weg. Mit 17 Jahren flüchtete Milaim aus dem Kosovo in die Schweiz und beginnt beim FC Interlaken in der 5. Liga mit dem Fussball spielen. Von dort arbeitet sich der talentierte Stürmer Schritt für Schritt nach oben, bis er mit 21 beim FC Thun in der Nati B landet. Es ist der Anfang eines kleinen Fussballmärchens: Aufstieg in die Nati A, Aufgebot für die Schweizer Nationalmannschaft, EM-Teilnahme. Mit seiner Geschichte ebnet Milaim Rama den Weg für die zahlreichen anderen Nationalspieler mit kosovarischen Wurzeln wie Xherdan Shaqiri (33), Granit Xhaka (32) oder Andi Zeqiri (25).

«Mein erstes Aufgebot für die Nati hat damals im Kosovo eine Explosion ausgelöst», erzählt der siebenfache Nationalspieler. «Die Leute reden heute noch davon, wie ich es als erster Kosovoalbaner an eine EM geschafft habe.» Darum sieht Milaim zwischen den beiden Ländern auch eine ganz besondere Verbindung, wenn es um den Fussball geht. «Wenn die Schweiz spielt, sind im Kosovo alle Leute für die Nati», sagt er. «Ausser es geht gegen den Kosovo oder Albanien!»

Welchen Status ihr Vater in seiner Heimat noch immer geniest, bekommt auch Alketa regelmässig zu spüren, wenn sie im Kosovo zu Besuch ist. «Die Leute sind sehr stolz auf das, was mein Vater erreicht hat», erzählt sie. Doch während sie früher vor allem als Tochter von Milaim erkannt worden sei, werde sie inzwischen immer häufiger auch als Fussballerin wahrgenommen.

Ärzte raten Alketa zum Karriereende

Alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Denn vor eineinhalb Jahren stand die Karriere von Alketa kurz vor dem Aus. Im August 2023 erleidet sie ein Bandscheibenvorfall, ihr linkes Bein ist plötzlich gelähmt. «Für einen kurzen Augenblick habe ich gedacht, das war es jetzt. Mein Traum ist geplatzt», sagt sie. Auch die Ärzte raten ihr dazu, ihre Karriere zu beenden. «Ich habe zwischenzeitlich am Ende des Tunnels kein Licht mehr gesehen», so die Fussballerin. 

Doch Alketa kämpft sich zurück. Schritt für Schritt. Mit Wassergymnastik und Physiotherapie, mit bis zu sechs Spritzen pro Woche und homöopathischen Alternativen. «Wir haben auch kleine Erfolgserlebnisse gefeiert. Zum Beispiel als Alketa das erste Mal wieder beschwerdefrei laufen konnte», erzählt Milaim. Auch für ihn sei der Leidensweg seiner Tochter sehr schmerzhaft gewesen. «Bei einem Bruch oder einem Bänderriss bis du nach ein paar Monaten wieder fit. Aber eine Rückenverletzung in so jungem Alter ist noch einmal etwas ganz anderes», sagt er.

Traum-Comeback gegen Thun

Umso grösser ist die Erleichterung, als Alketa im vergangenen August im ersten Saisonspiel gegen Thun zu ihrem langersehnten Comeback kommt. Ausgerechnet gegen Thun, die ehemalige Heimat ihres Vaters. Und die Rückkehr könnte nicht besser laufen: Kurz nach ihrer Einwechslung holt die Debütantin erst einen Penalty heraus, erzielt dann selbst einen Treffer und steuert danach noch einen Assist bei. «Das war das Schönste, was passieren konnte. Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen», sagt Milaim.

Neun weitere Kurzeinsätze sind seither dazugekommen. Das Highlight darunter: der 2:1-Auswärtssieg gegen Basel. Vor rund 3000 Fans erzielt Alketa kurz vor Schluss den Siegestreffer. Ihre ganze Familie inklusive Grosseltern bejubelt den Treffer auf der Tribüne des St. Jakob-Parks. Milaim: «Das ist ein Moment, den wir nie vergessen werden.»

Wird auch die Tochter zum Spätzünder?

Ein Tor im Joggeli? Etwas, was die Tochter dem Vater voraushat. Denn trotz insgesamt 54 Super-League-Treffern hat Milaim in seiner Karriere nie im St. Jakob-Park eingenetzt. Nicht das Einzige, worum er seine Tochter auch ein wenig beneidet. «Sie geht noch häufiger auch aus der Distanz in den Abschluss», findet er. Auf der anderen Seite würde sich Alketa gerne eine Scheibe des Kopfballspiels ihres Vaters abschneiden. «Und ich wäre gerne so frech vor dem Tor, wie er es gewesen ist.»

Zumindest wenn es nach Mutter Valdete geht, sind sich Vater und Tochter auf dem Fussballfeld aber gar nicht so unähnlich. «Sie sagt, ich sehe aus wie er – einfach kleiner und in weiblich», sagt Alketa lachend. «Ich hab mir aber auch selbst schon Videos angesehen. Es ist krass, wie viele Ähnlichkeiten, wir in unserem Spielstil haben», erzählt Alketa.

Restlos zufrieden mit ihrer ersten Saison in der AWSL ist sie trotz ihrer beiden Tore nicht ganz. «Natürlich möchte man immer noch mehr spielen und noch mehr Skorerpunkte erzielen. Das ist mein grosses Ziel für die Rückrunde», sagt Alketa. Gross Druck macht sie sich nach ihrer Verletzungspause aber keinen. Schliesslich hat ihr Vater vorgemacht, was im Fussball auch als Spätzünder noch möglich ist. Erst mit 26 debütierte Milaim damals in der Super League. Für zahlreiche Pokale und Auszeichnungen auf der Wohnzimmer-Kommode hat es trotzdem noch gereicht.

Axa Women’s Super League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Servette FC Chenois
Servette FC Chenois
13
21
30
2
FC Basel
FC Basel
12
21
28
3
FC Zürich
FC Zürich
13
10
26
4
BSC Young Boys
BSC Young Boys
13
17
24
5
FC St. Gallen 1879
FC St. Gallen 1879
12
16
23
6
Grasshopper Zürich
Grasshopper Zürich
12
5
18
7
FC Aarau
FC Aarau
12
-9
14
8
FC Luzern
FC Luzern
12
-14
8
9
FC Rapperswil-Jona
FC Rapperswil-Jona
13
-32
4
10
Frauenteam Thun Berner Oberland
Frauenteam Thun Berner Oberland
12
-35
2
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?