Was wird nicht immer gelästert über die Exzesse im Fussball, über die verwöhnten Millionäre in kurzen Hosen? Laut war die Kritik am aufgeblähten Teilnehmerfeld bei dieser Europameisterschaft. An einer Endrunde in elf verschiedenen Städten.
Und jetzt? Jetzt stehen wir vor dem Ende eines spektakulären Turniers, das weite Teile des Kontinents elektrisiert hat. Die Kraft des Fussballs hat ganz viele Menschen in den Bann gezogen. Und ganz viele Menschen aus ihrer Corona-Depression zurück auf die Strasse geholt. Sie hat ein Stück Lebensfreude und Unbeschwertheit zurückgebracht. Dass es im Überschwang der Gefühle auch zu leichtsinnigem Verhalten gekommen ist, war wohl schwer zu verhindern.
Ohne das zu werten: Diese EM hat auch gezeigt, dass ein Länderturnier weit leidenschaftlicher und emotionaler gelebt wird als beispielsweise die durchgestylte Champions League. Der grosse Sieger ist jetzt schon klar. Es ist die Mannschaft. Der Teamgedanke gewinnt. Nicht die überheblichen und erfolgsverwöhnten französischen Superstars, nicht die glänzenden Individualisten aus Belgien, sondern zwei hungrige Mannschaften stehen im Final.
Die Teams sind enger zusammengerückt
Italien, bei dem Charakterkopf Giorgio Chiellini dem Begriff Leidenschaft ein Gesicht gibt. Und England, das Mutterland des Fussballs. Mit dem Brexit hat man Europa den Rücken gekehrt. Ein EM-Titel wäre jetzt so etwas wie Ironie des Schicksals.
Hätte Thomas Müller das 1:1 gegen England geschossen und wäre das 1:0 der Österreicher gegen Italien nicht aberkannt worden und, und, und ... Dass der Fussball bei aller Wut nach endlosen Analysen und Expertisen auch immer ein Produkt der Fügung und des Zufalls ist, daraus bezieht er einen Grossteil seiner Faszination. Die meisten Spieler dieser EM spielen in einer der fünf grossen Ligen Europas. Was dazu führt, dass alles noch viel enger zusammengerückt ist.
Nati sorgte für spektakulärste EM-Momente
Von einem Moment auf den anderen ist alles anders. Im Fussball, im Leben, bei Christian Eriksen. Schicksal nennt man das. Und wie die Dänen diesen Schicksalsschlag, der ganz Europa durch Mark und Bein gegangen ist, als Mannschaft vom ersten Moment an gemeistert und verarbeitet haben, ist schlicht grossartig. Und die wunderbarste Geschichte des Turniers.
Und die Schweizer? Sie haben den grossen Gesten und vielen Worten Taten folgen lassen. Sie haben mit dem Triumph gegen Frankreich für einen der spektakulärsten Momente dieses Turniers gesorgt. Türkei, Frankreich, Spanien: Drei wunderbare Spiele haben dafür gesorgt, dass sich das Land mit seiner Nationalmannschaft versöhnt hat.
Der Beweis ist erbracht: Es ist die talentierteste Generation in der Geschichte des Schweizer Fussballs.