Irgendwie symptomatisch für dieses Spanien, in dem fast jeder fast jeden ersetzen kann: Es ist Álvaro Morata, der den Pokal in den Berliner Nachthimmel stemmt. Der Captain, der im Schatten der grossen Stars stand und früh ersetzt wird. Durch einen gewissen Mikel Oyarzabal.
Die wahren Stars hatten ihre Pokale schon zuvor gekriegt. Lamine Yamal als bester junger Spieler. Rodri als wertvollster Spieler des Turniers. Und, apropos Rodri. Der musste in der Pause raus, als er einen Kane-Schuss weggrätschte. Zubimendi kommt, aber im Spiel der Iberer gibt es deswegen keinen Bruch – stattdessen ist Spanien plötzlich gefährlich. Williams bucht das 1:0.
Wie eine iberische Grossfamilie
England-Joker Palmer gleicht zwar zwischenzeitlich wieder aus. Doch vier Minuten vor Schluss schiesst Oyarzabal die Roten endgültig in den Fussball-Olymp. Der Mann von Real Sociedad San Sebastian, der die WM in Katar wegen eines Kreuzbandrisses verpasst hatte. «Das war Teil meines Lebens. Nun sind wir aber hier und überglücklich. Wir sind 45 Tage zusammen – und fühlen uns wie eine Familie.»
Das Familien-Oberhaupt, Coach Luis de la Fuente, geht mit dem Pathos sogar einen Schritt weiter. «Es ist ein wunderbarer Tag. Wir sind die Könige Europas! Wir haben uns als Team gekrönt. Ich habe den Jungs jeden Tag gesagt, wie stolz ich auf sie bin. Nach diesem Match bin ich noch stolzer. Ich danke ganz Spanien für den Support. Ich sage es nochmals: Diese Jungs sind die Besten der Welt.»
Spanier haben das Final-Rezept gefunden
Und eben – jeder ist ersetzbar. Pedri, eigentlich der Motor, kann nach dem üblen Foul von Toni Kroos im Viertelfinal nicht mehr mittun. Dani Olmo wird vom Edeljoker zum Fixstarter, der Spiele mitentscheidet. Am Sonntag lässt der Leipziger seine dickste Chance zwar liegen. Aber ebenso wichtig war die Rettung auf der Linie bei der unfassbaren englischen Triple-Kopfballchance in der 90. Minute nach dem Versuch von Marc Guéhi.
Spaniens Fussballer haben nun auf internationaler Ebene 23 Finals in Folge gewonnen. Was machen die bloss richtiger als alle anderen?
An diesem Abend machen sie sicher einiges besser als das England von Gareth Southgate und Harry Kane. Der Captain wirkt geknickt. Auch nach dem zweiten Euro-Finale und einem Jahr bei Bayern München wartet er immer noch auf seinen ersten Titel. Mit nun 30. «Es ist einfach enttäuschend. Wir konnten den Ball zu wenig gut halten und wurden dafür bestraft.»