Die Schweiz hält den Atem an. Ruben Vargas, das 22-jährige Nati-Küken, setzt sich im Achtelfinal-Drama gegen Frankreich letzten Montag nach über 120 Minuten den Ball auf den Punkt. Als vierter Schweizer Schütze. Kurz schaut Vargas zum Schiri. Dann läuft er an, schiesst mit rechts. Frankreichs Hugo Lloris ist dran, kann den scharfgetretenen Elfer des Schweizers aber nicht halten. Vargas ballt die Faust. Cool hat er Verantwortung übernommen und versenkt, die Erleichterung ist gross. Die Schweiz jubelt.
Vier Tage später das selbe Szenario. Wieder ist Vargas der vierte Schweizer, der sich den Ball auf den Punkt legt. Dieses Mal gegen Spanien. Im Viertelfinal. Wieder schiesst der Youngster mit rechts. Doch das Glück ist nicht mehr auf seiner Seite. Vargas' Schuss zischt über die Torlatte. Wenig später ist das EM-Aus der Schweizer Tatsache.
Vargas ist untröstlich. Er weint bittere Tränen, die uns mitten ins Herz treffen. Wir leiden mit wie auch Nati-Trainer Vladimir Petkovic und der spanische Gegenspieler Thiago. Sie umarmen den Jungen, trösten ihn. Emotionale Szenen, traurig und wunderschön.
Gläubiger Familienmensch
Ruben Vargas, auf der einen Seite der selbstbewusste Fussballer, der auf dem Rasen gerne Verantwortung übernimmt, der sich weiterentwickeln und Erfahrungen sammeln möchte, der es liebt, am Ball zu zaubern und die Fans zu entzücken.
Aber Ruben Vargas ist auch ein feinfühliger Mensch, der gar nicht so richtig in die Fussball-Welt der Protz-Superstars passt, so anständig, bodenständig, sensibel und zurückhaltend wie er ist. Wenn er ein Interview gibt, wählt er seine Worte mit Bedacht – ja schon fast mit Vorsicht. Er sagt nur das Nötigste, möchte sich nie aufdrängen, nie in den Vordergrund stellen.
Er selbst würde sich als lebensfrohen Burschen bezeichnen, der es gern lustig hat – und der seine Menschen, die ihm lieb sind, um sich braucht. Weil ihm Familie und Freunde wichtiger sind als alles andere. Und Gott. Der spielt im Leben von Vargas ebenfalls eine grosse Rolle. «Con Dios delante», sind jene Worte, die den Nati-Star jeden Tag begleiten – «mit Gott vor Augen». Die Demut dabei sei elementar, sagt Vargas. So dankt er Gott jeweils, indem er nach erzielten Toren zwei Finger in Richtung Himmel streckt.
Golf ist sein Hobby
Mit vollen Namen heisst unser Nati-Juwel Ruben Estephan Vargas Martinez. Aufgewachsen ist er dort, wo auch Ex-Nati-Spieler Stephan Lichtsteiner gross geworden ist – im 5400 Seelendorf Adligenswil in Luzern. Papa Victor kommt aus der Dominikanischen Republik, er arbeitet in der Innerschweiz als Golflehrer. Mama Fabienne ist schweizerisch-italienische Doppelbürgerin und hat früher für die Schweiz an der Trampolin-EM geturnt. «Die Spielfreude, die hab ich vom Papa. Die Ruhe, die kommt von meiner Mutter», beschreibt Vargas seine Eltern.
Mit 10 geht Vargas, der noch einen jüngeren Bruder hat, zum FC Luzern. Schnell ist klar, dass Ruben viel Talent hat. Nur auf die Karte Fussball zu setzen, kommt für ihn aber nie in Frage. Dafür ist er zu schlau, zu vorsichtig, zu weitsichtig. Vargas startet eine Lehre als Maler. Noch als er beim FCL seine Profi-Karriere lanciert, ist er vor den Trainings frühmorgens auf den Bau. Mittlerweile hat er die Lehre erfolgreich abgeschlossen. Er sei immer motiviert gewesen, stets korrekt, sehr anständig und gesellig, so das Fazit seines damaligen Lehrmeisters.
Vier Millionen Franken hat er den Luzernern eingebracht, als er 2019 zu Augsburg gegangen ist. Seine Golftasche hat Vargas mitgenommen. Das Grün ist sein Ausgleich zum stressigen Bundesliga-Alltag. Aber auch dort dürfen Freunde und Familie nicht fehlen. Auf Alkohol hingegen verzichtet Vargas gerne – den mag er nicht.
Der neue Shaqiri?
Seine Ex-Kollegen in Luzern verfolgt der sympathische Lockenkopf heute noch. Wenn immer er kann, ist er in der Swissporarena anzutreffen. Auch das zeigt, dass er keine Allüren hat. Möglich, dass er auch jetzt nach dem EM-Aus in seiner Heimat vorbeischauen wird. Ein paar freie Tage wird er haben, bevors dann bald mit Augsburg in die Vorbereitung geht.
Sein verschossener Penalty gegen die Spanier wird ihn wohl noch etwas beschäftigen. Übel nehmen wird es ihm keiner, im Gegenteil. Die Schweiz ist stolz auf Ruben, der Verantwortung übernommen und uns gegen Frankreich in den Viertelfinal geschossen hat.
Mit ihm steht die Nati vor einer vielversprechenden Zukunft. Er wird in Experten-Kreisen schon als der neue Xherdan Shaqiri gehandelt. Doch auch da winkt Vargas ab. «Alle kennen Xherdan Shaqiri. Auch ich habe ihn immer verfolgt. Von einer solchen Karriere träumt jeder junge Spieler. Ich kann noch viel von ihm lernen», sagt er. Bodenständig wie eh und je.
Eins aber ist klar: Vargas lässt sich nun nicht unterkriegen. «Ich werde nächstes Mal wieder schiessen!», sagt er. «Es geht weiter.» Zu seinem Penalty meint er: «Ich habe mich gemeldet, ich fühlte mich gut. Ich war nicht müde, auch nicht im Kopf.» Warum er gegen die Franzosen im Achtelfinal getroffen, gegen die Spanier den Ball aber nicht einmal aufs Tor gebracht hat, wisse er nicht. «Einen Grund zu finden, ist schwierig», so Vargas.
Eins aber ist klar: Vargas lässt sich nun nicht unterkriegen. «Ich werde nächstes Mal wieder schiessen!», sagt er. «Es geht weiter.» Zu seinem Penalty meint er: «Ich habe mich gemeldet, ich fühlte mich gut. Ich war nicht müde, auch nicht im Kopf.» Warum er gegen die Franzosen im Achtelfinal getroffen, gegen die Spanier den Ball aber nicht einmal aufs Tor gebracht hat, wisse er nicht. «Einen Grund zu finden, ist schwierig», so Vargas.