Der Dienstagabend wird zum Desaster für das deutsche Nationalteam. 0:2 verliert der viermalige Weltmeister beim kleinen Nachbarn Österreich. Das nackte Resultat ist eine Schmach. Es ist aber vor allem die Art und Weise, die Fans und Beobachter ratlos zurücklassen.
Fast minütlich nimmt der Frust der deutschen Stars auf dem Rasen des Wiener Ernst-Happel-Stadions zu. Leroy Sané (27), der begnadete Dribbler, der mit Bayern bisher eine so starke Saison spielt, verliert dann als Erster die Nerven. Und wie! Zuerst foult Sané seinen Gegenspieler Phillipp Mwene im Mittelfeld, dann haut er ihm seine Hände ins Gesicht. Schiedsrichter Slavko Vincic bleibt keine andere Wahl, als den Deutschen vom Platz zu stellen.
Rot-Sünder erklärt den Ausraster
Auf dem Platz ist Sané kaum zu beruhigen, muss vom Feld geführt werden. Erst nach dem Schlusspfiff folgt die Reue: «Das war nichts Persönliches gegen den Gegenspieler. Das Spiel geht auf meine Kappe, das darf mir nicht passieren. Keinen Vorwurf an die Jungs, keinen Vorwurf an meinen Gegenspieler. Ich war frustriert über meine eigene Leistung – heute, aber auch schon gegen die Türkei.»
Auch DFB-Captain Ilkay Gündogan (33) ist nach dem Schlusspfiff bedient: «Es ist alles hausgemacht. Die Rote Karte von Leroy fasst alles zusammen: den Frust, die Enttäuschung. So wirst du nicht erfolgreich. Schlechter kann es gerade nicht sein. Vielleicht ist das der einzige positive Aspekt.»
Nagelsmann will deutsche Tugenden
Einer, der eigentlich für die Wiederauferstehung der Deutschen hätte sorgen sollen, ist Julian Nagelsmann. Mit dem 36-Jährigen als neuen Bundestrainer zeigte die DFB-Elf zunächst vielversprechende Auftritte gegen die USA (3:1) und Mexiko (2:2). Die Pleiten zu Hause gegen die Türkei (2:3) und nun gegen Österreich sind aber ein neuer Tiefpunkt. Entsprechend hadert Nagelsmann – und redet nach dem Wien-Debakel Klartext:
«Statt zehn Minuten mussten wir vierzig Minuten verteidigen. Die meisten Spieler kommen nicht aus Klubs, die sich übers Verteidigen definieren: grosser Bayern-Block, grosser Dortmund-Block. Sie sind meistens mit dem Ball gefordert, weniger im Verteidigen.» Gegenwärtig sei es wichtig, im eigenen Ballbesitz mehr Dynamik zu entwickeln, was nur über sehr harte Arbeit und sogenannte deutsche Tugenden gehe.
Schadenfreudige Ösi-Fans
DFB-Sportdirektor Rudi Völler (63) redet nach dem Wien-Debakel ebenfalls Klartext: «Es wird uns nur gelingen, eine gute EM zu spielen und die Menschen wieder auf unsere Seite zu ziehen, wenn wir das machen, was die Türken und die Österreicher gemacht haben: Die fünf Prozent, die wir in den Klubs weniger machen, hier mehr zu machen.»
Den Schaden haben die Deutschen nach den jüngsten Auftritten bereits. Und für den Hohn müssen sie auch nicht mehr sorgen. Den gabs am Dienstag noch lange nach Schlusspfiff von den Stadionrängen. Voller Schadenfreude skandierten die Ösi-Fans «Oh, wie ist das schön» und – mit ganz viel Schmäh: «Der DFB ist so am Oasch». (men)