Es läuft die 95. Minute zwischen England und der Slowakei. Kyle Walker wirft weit ein. Marc Guéhi verlängert per Kopf. Jude Bellingham steigt hoch und drischt den Ball in Ronaldo-Manier per Fallrückzieher ins Tor der Slowaken. Das Stadion bebt. England lebt – wieder, nachdem die Three Lions schon tot geglaubt waren.
Das Tor des englischen Strippenziehers dürfte weit oben sein, wenn es um die Wahl des schönsten Turniertores geht. «Ein unglaubliches Tor. Eines der besten in der Geschichte unserer Nation», schwärmt Harry Kane. Bellingham spricht selbst von einem der «wichtigsten Momente meiner Karriere». Auf die Frage, wer bei den Engländern denn das Drehbuch schreibe, antwortet der erst 21-Jährige keck: «Ich.»
«Bellingham muss aufpassen»
Der Spieler von Real Madrid strotzt vor Selbstvertrauen. «Er ist ein herausragender Spieler», sagt auch Christoph Kramer (33), TV-Experte beim ZDF. Doch der Weltmeister von 2014 warnt Bellingham davor, nicht der Arroganz zu verfallen: «Er muss aufpassen, dass er jetzt nicht anfängt, Allüren zu bekommen in ganz jungem Alter.»
Besonders das Abwinken gegenüber den eigenen Mitspielern gehe gar nicht, so Kramer: «Das finde ich ganz schlimm. Er hatte ein paar Gesten drin.» Aufgrund seiner ersten Saison bei Real Madrid, inklusive Meistertitel und Champions-League-Sieg, fliege der Superstar derzeit sehr hoch, was auch verständlich sei. Dennoch: «Nach dem Turnier in der Sommerpause hoffe ich, dass er sich ein bisschen reflektiert. Ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der sagt, boah, manchmal nervt er.»
«30 Sekunden davor, nach Hause zugehen»
Reflektiert zeigt sich Bellingham unmittelbar nach dem Spiel. Denn, wie nahe England am EM-Aus vorbeigeschlittert ist, ist er sich durchaus bewusst: «Du bist 30 Sekunden davor, nach Hause zu gehen und dir dort all den Müll anzuhören, mit dem Gefühl, dass du ein ganzes Land im Stich gelassen hast.» Doch in eben diesen 30 Sekunden könne sich viel verändern: «Es ist ein Gefühl, dass ich nicht erleben will – doch wenn man es geschafft hat, ist es grossartig.»
Der Einfluss auf das Spiel der Three Lions gegen die Slowakei war für einmal überschaubar. Sowohl bei der Pass- (89,66 Prozent) als auch der Zweikampfstatistik (52,38) ist Bellingham nicht bei den Top-Spielern, genauso bei der Anzahl Ballkontakten. Mit seinen 55 liegt er weit hinter Spitzenreiter und Teamkollege John Stones (139) zurück.
Der Expected Goals Wert (Deutsch: «Erwartete Tore», kurz: xG) wird aufgrund historischer Daten berechnet. Für jeden Torabschluss wird auf dieser Basis die Torwahrscheinlichkeit berechnet. Die Summe der Abschlüsse gibt somit an, wie viele Tore aus den Torabschlüssen – statistisch gesehen – hätten resultieren müssen.
Wichtig: Alle Spieler werden dabei gleich behandelt. Eine Torchance für Kylian Mbappé und eines Spielers, der kaum einmal ein Tor erzielt hat, aus der gleichen Abschlussposition ergeben den identischen xG-Wert.
Der Expected Goals Wert (Deutsch: «Erwartete Tore», kurz: xG) wird aufgrund historischer Daten berechnet. Für jeden Torabschluss wird auf dieser Basis die Torwahrscheinlichkeit berechnet. Die Summe der Abschlüsse gibt somit an, wie viele Tore aus den Torabschlüssen – statistisch gesehen – hätten resultieren müssen.
Wichtig: Alle Spieler werden dabei gleich behandelt. Eine Torchance für Kylian Mbappé und eines Spielers, der kaum einmal ein Tor erzielt hat, aus der gleichen Abschlussposition ergeben den identischen xG-Wert.
Bellingham schenkt Southgate Jubiläumsspiel
Und trotzdem: Die Wichtigkeit des 21-Jährigen auf dem Platz ist unabdingbar. Das weiss auch Trainer Gareth Southgate (53), der gegenüber BBC verrät, dass er den Matchwinner beinahe ausgewechselt hätte: «15 Minuten vor Schluss wirkte er sehr müde. Wir dachten darüber nach, ihn rauszunehmen. Aber er kann für solche Momente sorgen. Deshalb machst du keine Wechsel, auch wenn Leute solche verlangen.»
Southgate muss sich nicht nur aufgrund des Viertelfinal-Einzugs bei seinem Superstar bedanken, sondern auch, weil er nun gegen die Schweiz am Samstag (18 Uhr) sein 100. Spiel als England-Coach absolvieren wird. Wer weiss, ob er noch ein solches Jubiläumsspiel bekommen hätte, wäre England ausgeschieden.