Viel wurde geredet vor diesem Spiel. Über die Verbindungen zwischen dem Kosovo und der Schweiz. Über den Fakt, dass in der Schweizer Nati Spieler mit Wurzeln im Kosovo spielen. Viel wurde geredet. Aber ums Sportliche gings im Vorfeld nur am Rande. Nati-Coach Murat Yakin appellierte am Vortag an seine Mannschaft, Fans und Medien: «Lasst uns davor und danach Freunde sein. Aber auf dem Platz geht es wie in jedem Spiel um drei Punkte.»
Die Ausgangslage vor dem Anpfiff ist klar: Die Schweiz ist klarer Favorit, von ihr wird wie in jedem Spiel der EM-Qualigruppe I ein Sieg erwartet. Und für die Kosovaren ist es das Spiel der letzten Chance. Nominell ist das jüngste europäische Nationalteam (seit 2016 anerkannt) für viele Beobachter das zweitstärkste der Gruppe, hinter der Nati. Im Kosovo war die Hoffnung auf die erstmalige EM-Teilnahme so gross wie noch nie. Doch mit nur drei Punkten aus vier Spielen ging der Start gründlich in die Hose. Mit der Folge, dass im Sommer Trainer Alain Giresse entlassen und durch den Slowenen Rimoz Gliha ersetzt wurde. «Wir müssen Lösungen finden, statt Tränen über die Vergangenheit zu vergiessen», forderte Pliha.
Flanke Fernandes, Volleytor Freuler
Lange siehts jedoch aus, als seien die Ideen des neuen Trainers noch nicht bis in die Köpfe seiner Spieler durchgedrungen. Offensiv kommt bis auf eine Szene, in der die Kosovaren mit frenetischer Unterstützung des Publikums einen Penalty fordern, in der ersten Halbzeit nicht viel vom Heimteam. Das gilt im Grundsatz auch für die Schweizer – und doch führen sie beim Pausenpfiff durch den dänischen Schiri Johan Kehlet mit 1:0. Flanke Edimilson Fernandes, Volleyabnahme Remo Freuler. Fussball kann so einfach sein – und dennoch schön anzuschauen.
Als hätte es die 45-minütige Aufwärmphase gebraucht, kommt nach dem Seitenwechsel Leben in die Bude. Die schon in der ersten Halbzeit spürbaren Mängel im Auftritt der Schweizer kommen erst jetzt zum Vorschein, weil die Kosovaren nun die Handbremse gelöst haben. Angeführt vom früheren FCB-Superdribbler Edon Zhegrova rollt nach dem Wiederanpfiff ein Angriff nach dem anderen auf Nati-Goalie Yann Sommer. Und in der 65. Minute ists dann passiert: Vedat Muriqi köpft ein zum 1:1. Mit freundlicher Unterstützung von Fabian Schär, der nur zuschaut, statt eingreift. Ausgerechnet Schär, der im Abwehrzentrum – nach Yakins Aussagen am Vortag – überraschend den Vorzug vor Nico Elvedi erhält. Kurz darauf sieht Schär schon wieder schlecht aus, hat aber Glück, dass sein Fehlpass ohne Folgen bleibt.
Shaqiri und Xhaka blass
Apropos Glück: Dieser Auftritt der Nati im Kosovo ist alles andere als ein Heuler – aber zum Glück gibts Remo Freuler. Anders als die blassen Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka kann der Neo-Bologna-Profi sich vor dem Spiel nur aufs Sportliche konzentrieren. Und hat in der 79. Minute den Kopf frei: Bei einem der selten gewordenen Schweizer Vorstösse und nach punktgenauer Vorlage von Ricardo Rodriguez schiebt er überlegt zum 2:1 ein. Gezählt wirds als Eigentor, weil Kosovo-Captain Amir Rrahmani den Ball noch ablenkt.
Ist das der Sieg? Nein! Denn es kommt zum Wiedersehen mit den bösen Geistern vom Rumänien-Spiel im Juni (2:2). Ein letzter Angriff des Heimteams – und wieder trifft Muriqi. Riesenjubel im Stadion. Für die Schweiz ist es wie gegen Rumänien die verdiente Quittung für einen pomadigen Auftritt.