«Und was bitteschön soll daran VIP sein?» Der Geschäftsmann, der soeben im Speisewagen Platz genommen hat und nicht viel für Fussball übrig hat, schimpft wie ein Rohrspatz. Er darf seinen gebuchten Platz in der 1. Klasse nicht einnehmen – dieser Bereich im ICE von Stuttgart nach Köln ist exklusiv für die Schweizer Nati reserviert. Und der Mann mit Glatze und düsterem Gesichtsausdruck an der Tür zum Spielerwagen macht klar: Widerstand wäre zwecklos.
20 Minuten früher: Hinter einer Polizeieskorte erreicht der Nati-Bus den Bahnhof Stuttgart. Auf einer Metalltreppe gehts hoch in einen schlichten Warteraum. Weil die Nati zu früh ist, müssen Xhaka und Co. dort verweilen. Am Perron auf den Zug aus München warten? Keine Option!
Die Ankunft der Fussballer hat sich in der Bahnhofhalle herumgesprochen. Eine extra aus Nyon angereiste, neunköpfige Gruppe in rot-weisser Fankluft stellt sich auf und beginnt zu singen. Auch Menschen in Deutschland-Trikots und im Schottenrock, die auf dem Weg ans EM-Eröffnungsspiel sind, bleiben stehen und zücken ihre Handys.
Mit 300 km/h nach Köln
16.30 Uhr: Einfahrt des ICE 914 aus München auf Gleis 10. Und schon setzt sich der Nati-Tross in Bewegung. Wären da die nicht die Bundespolizei und Unmengen Bahn-Sicherheitspersonal in gelben Westen, die übereifrige Passanten mit Fotowünschen resolut wegweisen – es hätte was von einem Schuelreisli. Am Gleis sind gleich die ersten zwei Wagen für die Nati reserviert. Rein in den Zug – und schon ist der Spuk vorbei und die Schweiz mit 300 km/h auf dem Weg nach Köln.
Kurz nach Abfahrt trägt ein Kellner die ersten Tabletts mit Espresso, Tee und Knabberzeugs vom Speise- in den Spielerwagen. Dort vertreiben sich die Nati-Stars die gut zweistündige Zugfahrt mit Gesellschaftsspielen, Lesen und Schlafen. Hungern muss auch niemand – jeder Spieler bekam vom Nati-Koch eine Znünibox mit auf die Reise.
Problemlose Fahrt, leichte Verspätung
Die Fahrt verläuft problemlos, für die zehn Minuten Verspätung bei der Ankunft in Köln haben die einheimischen Bahn-Passagiere nur ein müdes Lächeln übrig. Ganz nach dem Gusto von Nati-Direktor Pierluigi Tami, der forderte: «Die Deutsche Bahn muss an der EM ihre beste Leistung abrufen.»
Am Kölner Messebahnhof ist bei der Ankunft der Nati mächtig was los: Puls und Pegel der deutschen Fans steigen kurz vor Anpfiff des Eröffnungsspiels im Minutentakt. Diejenigen, die die Schweizer entdecken, sind dann doch aus dem Häuschen. Meistgebrüllter Name: natürlich Bundesliga-Meister Granit Xhaka.