Blick: Beat Schlatter, Sie sind Schauspieler, Kabarettist, Drehbuchautor und Fussballfan. Was bleibt dem Fussballfan Schlatter von dieser EM?
Beat Schlatter: Einmal mehr bin ich beeindruckt, auf welch hohem Niveau Fussball gespielt wird. Vor der EM habe ich mir hauptsächlich die Spiele des FCZ angesehen. Nach der EM wird es mir vorkommen, als wenn man von einer Probefahrt mit einem Mercedes Sport-Coupé auf ein rostiges Velo umsteigen muss. Dass die Schweiz für unsere Fussballer ein Ausbildungsland ist, tut weh. Ich würde die Stars unserer Nationalmannschaft gerne auch in unseren heimischen Stadien sehen.
Was bleibt dem Drehbuchautor Schlatter?
Für mich als Zuschauer ist, ausser bei der Schweizer Nati, bei einem Spiel die Essenz nicht das Endresultat, sondern die Emotionen, die ein Match bei mir ausgelöst hat. Wie überall in der Kunst geht es auch im Fussball – bei mir ausschliesslich – um die Emotionen. Es kam an dieser EM vor, dass ich beim Elfmeterschiessen nicht hinschauen konnte und ich mir zu Hause ein Kissen vor die Augen halten musste und wartete, bis der Kommentator «Toor…Tooooor!» schrie.
Und was hat dem Kabarettisten in Ihnen am meisten gefallen? Der Cola-Flaschen-Gate oder gar die Coiffeur-Aktion der Nati?
Die Coiffeur-Sache der Spieler interpretiert der Hobbypsychologe in mir als einen Umgang mit der Nervosität vor einer grossen Verantwortung. Ich kenne das von den Bühnenkünstlern sehr gut. Einige bauen in der Garderobe einen halben Altar auf, andere können nur auftreten, wenn sie bestimmte Unterhosen tragen, und wieder andere schauen peinlich genau darauf, dass ihnen am Spieltag kein roter Volvo entgegenkommt. Ausserdem sind selbst misslungene Frisuren Geschmacksache. Dem Buben meines Nachbarn muss die Frisur von Granit Xhaka mächtig Eindruck gemacht haben. Seit acht Tagen läuft er mit derselben herum.
Als Schauspieler muss Ihnen bei Immobiles Showeinlage im Viertelfinal gegen die Belgier das Herz aufgegangen sein.
Ich bin in diesem Punkt etwas abergläubisch und denke, vorgetäuschte Fouls führen irgendwann zu echten, schmerzhaften Fouls. Ganz unter dem Motto: Wer lügt, wird selber angelogen.
Als Künstler ganz allgemein wird einem beim Anblick dieser vollen Stadien ganz warm ums Herz.
Das ist so. Die vollen Stadien sind für uns Künstler wichtige Vorboten – zurück in die Normalität.
Sie haben 2017 den Film «Flitzer» gedreht. Finden Sie es schade, dass man als TV-Zuschauer an der EM keinen Flitzer zu Gesicht bekommt?
Das bedauere ich sehr. Nicht nur wegen der Unterhaltung und dem Spass, für den diese Flitzer sorgen. Und in gewissem Sinne wäre jeder sichtbare Flitzer an der EM auch ein Werbeträger für den Film «Flitzer». Von diesem Standpunkt aus gesehen sind die unterschlagenen Flitzer am Fernsehen für mich geschäftsschädigend. Und die neue Ausdrucksweise der Kommentatoren für den Einsatz eines Flitzers – «Trinkpause für die Spieler» – finde ich gegenüber den mutigen Flitzern höchst diskriminierend.