Bald keine Rudelbildung mehr?
An der EM dürfen nur die Captains beim Schiri motzen

Um Rudelbildungen zu unterbinden, darf an der EM nur der Captain mit dem Schiri diskutieren. Andere Spieler, die beim Unparteiischen reklamieren, sollen dafür die Gelbe Karte sehen. Blick-Experte Urs Meier fordert rigoroses Durchgreifen.
Publiziert: 16.05.2024 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2024 um 09:44 Uhr
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Szenen wie diese gibts in den Fussballstadien jedes Wochenende. Egal ob in Deutschland …
Foto: imago/Jan Huebner

Es ist eine der nervigsten Szenen im Fussball: Der Schiri pfeift und wird sogleich von allen Seiten belagert. Spieler teilen ihm emotional und gestenreich mit, nicht mit seiner Entscheidung einverstanden zu sein. An der EM-Endrunde (14. Juni bis 14. Juli) soll es keine solchen Bilder geben, denn die Uefa will den ewigen Rudelbildungen nach umstrittenen Schiri-Entscheidungen einen Riegel vorschieben.

Was im Rugby längst gang und gäbe ist, soll jetzt auch im Fussball umgesetzt werden: Nur die Team-Captains dürfen bei den Unparteiischen vorsprechen, andernfalls droht eine Gelbe Karte. «Eine Entscheidung zu begründen, wenn 22 Spieler auf einen einreden, ist ein Ding der Unmöglichkeit», führt Uefa-Schiri-Boss Roberto Rosetti in der offiziellen Mitteilung aus: «Eine Erklärung ist unter diesen Umständen unmöglich und das Spiel kann rasch aus den Fugen geraten, was dem Ansehen des Fussballs schadet.»

Eine gute Idee – aber droht Kartenflut?

Blick-Experte Urs Meier begrüsst den Plan: «Ich wäre begeistert, wenn das klappt.» Wichtig sei aber, dass die Uefa ihr Vorhaben konsequent durchziehe und die Schiedsrichter auch gegen Kritik kompromisslos schütze. «Du musst rigoros mit den Strafen einsteigen, darfst am Anfang nichts tolerieren. Sonst verändert sich nichts.»

Eine Kartenflut sei an der Euro durchaus denkbar, schliesslich sei das Meckern beim Fussballer «mittlerweile wie ein innerer Reflex». Den rauszubekommen, werde eine Herausforderung für alle Beteiligten – also auch Funktionäre, Trainer und Spieler. Diskussionen scheinen da vorprogrammiert. Man stelle sich nur mal vor, ein Spieler sieht Gelb-Rot, weil er reflexartig beim Schiedsrichter meckert oder die Hände verwirft.

«Wenn du etwas änderst, schreien am Anfang alle auf. Aber wenn es die Schiedsrichter durchziehen, kann sich die Lage an der Euro ab dem 2. Spieltag normalisieren.» Je nachdem, wie abschreckend die Beispiele in den ersten Gruppenspielen seien, könne die Entwicklung auch schneller einsetzen.

Was für Meiers Argumentation spricht, ist das Beispiel der Premier League. Dort wurde im August 2023 angekündigt, dass man Rudelbildungen kompromisslos unterbinden will. Dort gilt die Regel, dass die Schiedsrichter Gelb zücken sollen, wenn ihnen zwei oder mehr Spieler zu nahe kommen. Rigoros umgesetzt wurde diese nicht – sodass man auch in der laufenden Spielzeit allzu oft Rudelbildungen auf Englands Fussballplätzen beobachten konnte.

Rugby hat Vorbild-Charakter

Dabei zeigt sich auf Englands Rugby-Plätzen, wie Respekt vor dem Unparteiischen wirklich aussieht. Oft heisst es dort, der Schiedsrichter komme gleich hinter Gott. Er geniesst absolute Autorität auf dem Platz. Die Captains sprechen ihn mit «Sir» an und bitten um Erlaubnis, bei ihm vorsprechen zu dürfen. Gleichzeitig kommuniziert der Rugby-Referee sehr aktiv und warnt Spieler bei Regelverstössen vor, bevor er sie ahndet.

Diese Art von Zusammenspiel zwischen Spieler und Schiedsrichter wäre auch im Fussball wünschenswert. Auch für Meier hat der Rugby-Schiri – respektive der Umgang mit ihm – Vorbild-Charakter. Mit der Regelanpassung nimmt die Uefa auch die Captains in die Pflicht, die schauen sollen, dass «ihre Mitspieler den Schiedsrichter respektieren, Abstand halten und ihn nicht bedrängen.» Ist der Torhüter der Captain, muss ein Feldspieler als Ansprechpartner für den Schiedsrichter definiert werden.

Massnahme auch in der Super League ein Thema

Auch der Schweizer Fussballverband hat zusammen mit der SFL diese Massnahme schon länger auf dem Radar, wie Schiri-Boss Daniel Wermelinger gegenüber Blick bestätigt. Erste Testversuche in den unteren Ligen der einzelnen Regionalverbände wurden vom Zentralvorstand des SFV bewilligt. Sollte sich die Massnahme bewähren, ist es möglich, dass diese ab der kommenden Saison auch in der Super League und der Challenge League umgesetzt werden könnte.

Die Uefa nimmt eine Vorreiterrolle ein. Die Regelhüter des International Football Association Boards (Ifab) haben Anfang März beschlossen, die Massnahme gegen Rudelbildungen zur kommenden Saison einer einjährigen Testphase zu unterziehen.

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